Oberveischede/Bad Fredeburg. Trotz einer Vielzahl von Herausforderungen geht der neue Geschäftsführer des Sauerland-Tourismus von einer guten Zukunft für die Branche aus.
Offiziell bereits seit dem 1. Oktober hat der Verein „Sauerland-Tourismus“ einen neuen Geschäftsführer. Faktisch hat er sich im Rahmen der Mitgliederversammlung am Donnerstag den Mitgliedern vorgestellt und damit seinen Platz eingenommen. Es ist Dr. Jürgen Fischbach, wahrlich kein Unbekannter, war er doch schon lange der Stellvertreter des bisherigen Cheftouristikers in Bad Fredeburg, Thomas Weber, der seinen Ruhestand angetreten hat. Im Interview mit unserer Zeitung hat der in Oberveischede lebende promovierte Geograf erzählt, wie er die Lage des Tourismus in der Region beurteilt und was er nun vorhat.
Als der Verein „Sauerland-Tourismus“ 2004 gegründet wurde und damit auch die Arbeit bestehender Organisationen übernahm, gab es insbesondere aus Olpe lauten Protest von Gastronomen, die der Meinung waren, der bisherige Kreisverkehrsverband Südsauerland sei für sie die bessere Lösung. Dies ist inzwischen komplett verhallt. Ist der gemeinsame Verein inzwischen anerkannt?
Dr. Jürgen Fischbach: Definitiv. Es gab anfänglich Vorbehalte, aber inzwischen haben eigentlich alle die Vorteile des Zusammenschlusses erkannt. Es gibt in der Tat zwei verschiedene Richtungen in der Region: den Tagestourismus, wie er beispielsweise durch das Elspe-Festival oder die Personenschifffahrt Biggesee vorangetrieben wird, und den Übernachtungstourismus, der seinen Schwerpunkt eher im Hochsauerland hat. Aber beides ergänzt sich und lebt voneinander.
Wie sind Sie zum Tourismus gekommen?
Ich habe Geografie eigentlich mit dem Ziel der Stadt- und Raumplanung studiert. Im Studium habe ich dann aber ein Praktikum beim damaligen Kreisverkehrsverband Südsauerland absolviert, der gerade von Eckhard Henseling übernommen worden war und wo der bekannte Erich Melcher noch aus- und einging, und da habe ich rasch festgestellt, dass das ein Thema für mich ist. Ein zweites Praktikum hat das dann verfestigt. Hinzu kommt, dass meine Familie stets in Sachen Gastronomie und damit auch Tourismus unterwegs war. Jobs in verschiedenen Gastronomien und Getränke Menne – das hat mich schon geprägt.
Für das Sauerland ist das Thema Wald in Sachen Tourismus elementar wichtig. Große Teile dieses Waldes gibt es nicht mehr. Wie geht der Tourismus damit um?
Wir sind ganz frühzeitig in das Thema eingestiegen und haben schnell beschlossen, dass Schönreden nicht hilft. Zusammen mit den Naturparken und dem Tourismus in Siegen-Wittgenstein haben wir schon 2019 eine Waldkampagne gestartet. Man kann die Borkenkäferkalamität ja nicht wegdiskutieren, sie ist offensichtlich. Deshalb gehen wir ganz offensiv damit um und haben festgestellt, dass das gut ankommt. Es ist auch für die Waldbauern wichtig, zu kommunizieren, was das für sie heißt, und es gibt gefragte Führungen, um zu erklären, wie der Waldumbau nun angegangen wird.
Spielen denn touristische Belange dabei eine Rolle?
Im Wald passiert derzeit ja wirklich viel, und daher ist es wichtig, dass wir uns einbringen. Beispielsweise wird darüber gesprochen, die Waldwege auszubauen, damit im Falle eines Falles Waldbrände besser gelöscht werden können. Natürlich sind das in erster Linie Forstwege, aber die Belange der Touristen können dabei Berücksichtigung finden. Deshalb sitzen wir mit mit Waldakteuren zusammen und sprechen darüber.
Das Thema Windkraft war für den Tourismus lange ein rotes Tuch. Politisch hat durch die Energiekrise ein Umdenken eingesetzt. Wie gehen Sie damit um?
Wir halten uns aus der Planungshoheit der Kommunen heraus. Wir haben kürzlich eine Akzeptanzstudie der Industrie- und Handelskammer begleitet, die zeigt, dass immerhin 80 Prozent die Wahl ihres Urlaubsziels nicht davon abhängig machen, ob da Windräder stehen oder nicht. Aber es heißt auch, dass immerhin 20 Prozent Probleme damit haben. Daher finden wir es wichtig, dass da eine Balance eingehalten wird, wozu neben Windparks auch intakte Wälder in die Landschaft gehören.
Wo sehen Sie das größte Problem der nächsten Zeit für den Tourismus im Sauerland?
Das ist wohl leider der Personalmangel. Wir reden hier ausdrücklich schon nicht mehr vom Fachkräfte-, sondern vom Mitarbeitermangel. In der Corona-Krise haben 30 Prozent der Festangestellten dem Gastgewerbe den Rücken zugewandt und sind weg. Und auch bei den Teilzeitkräften herrscht großer Mangel. Selbst in Universitätsstädten fehlen Aushilfen. Bei der Nachfrage gibt es zwei Stränge: Da ist auf der einen Seite der hochpreisige Luxus-Tourismus, da ist das mit dem Service kein Problem. Aber überall anders fehlen Mitarbeitende. Da sind wir zum Beispiel mit den Brauereien im Gespräch, um in Bereichen, die jetzt schon weggebrochen sind, die Digitalisierung als Teil der Lösung zu nutzen. Es gibt Bestell-Apps, da scannt man einen QR-Code auf dem Tisch und kann so die Bestellung ohne Personal aufgeben oder auch bezahlen. Natürlich ist das letztlich nur eine Krücke, denn das Gastgewerbe lebt von der Arbeit am Gast, aber bevor irgendwo zugemacht wird, ist jedes andere Mittel besser.
Durch die Corona-Krise haben viele Deutsche ihre Urlaubsgewohnheiten umgestellt und bleiben im Land, statt in die Ferne zu reisen. Kann das Sauerland davon profitieren?
Das tut es schon. Es gibt einen Trend zu Urlaub in Deutschland, und in unserem Einzugsgebiet leben 20 Millionen Menschen. Zum Beispiel in Sachen Camping und Nachhaltigkeit ist das Sauerland sehr gut aufgestellt, Themen, die durch Corona wichtiger wurden. Und es wurde auch viel investiert. Wo noch Nachholbedarf besteht, ist bei der Anreise. Hier hat das Neun-Euro-Ticket bewiesen, dass es funktionieren kann, wenn ein Dortmunder erkennt, dass er sich zu Hause in den Zug setzt und mit einmal Umsteigen am Biggesee ist.
Wie verbringt der Touristiker selbst seinen Urlaub?
Ich bin schon seit vielen Jahren Camper. Das hat uns bis zur Adria geführt, aber zuletzt waren es dann tatsächlich auch kurze Touren in Deutschland, mal die Eifel, mal Haltern, wobei das für mich ja automatisch auch Produkterkundung ist. Es ist ja wichtig für mich, zu sehen, wie andere das Geschäft betreiben (lacht).
Ihr Lieblingsort im Sauerland?
Das ist tatsächlich der Biggeblick. Da fahren wir oft abends mal mit den Rädern hin und genießen diese Aussicht in die Weite. Es ist auch ein Paradebeispiel für die Art Tourismus, die ich fortsetzen will: modernen Freizeit- und Lebensraum entwickeln. Denn alles, was für Touristen gemacht wird, ist automatisch auch gut für die Einheimischen.