Olpe. Wegen miserabler Ernten geht den Forstbaumschulen der Nachschub aus. Eine neue Förderrichtlinie zeigt aber einen Ausweg auf.
Der Wald verändert sich. Die Fichten der Region sterben, andere Arten leiden ebenfalls unter Trockenheit, Hitze, Krankheiten und Schädlingen. Waldbauern aus dem gesamten Kreis kamen am Dienstagabend in der Olper Stadthalle zusammen, um sich darüber zu informieren, wie es im heimischen Forst weitergehen kann. Denn das Land hat reagiert und unter dem bürokratischen Wortkonstrukt „Extremwetterfolgenrichtlinie“ Hilfe koordiniert. Was das konkret heißt, wurde in der Stadthalle vermittelt. Der Landesbetrieb Wald und Holz und der Waldbauernverband im Kreis hatten eingeladen.
Der Abend endete, soviel sei vorweggenommen, mit einem positiven Stimmungsbild. Gleich zu Anfang jedoch hatte Martin Sellmann eine ganze Reihe von Hiobsbotschaften mitgebracht. Er kam vom Verband deutscher Forstbaumschulen und ist Mitinhaber der Forstbaumschule Balzer-Sellmann in Heinsberg. Er fasste zusammen, dass die Forstbaumschulen nicht weniger betroffen sind als die Waldbesitzer. Über die Situation in der kommenden Saison und darüber hinaus erklärte er: „Wir haben über 10.000 Hektar Kalamitätsfläche im Kreis und leider kein Ende in Sicht. Wir erleben Wetterextreme in noch nicht erlebter Heftigkeit. Immer neue Krankheiten bedrohen akut unsere Baumarten. Der Schaden ist immens, nicht nur betriebs- und volkswirtschaftlich, sondern auch für die Ökosysteme. Wir brauchen aber einen stabilen Wald für die Zukunft, der zudem auch noch wirtschaftlichen Nutzen bringt und dabei einen hohen ökologischen Wert hat.“ Die Forstbaumschulen seien dabei stark involviert, weil der Umbau hin zu einem zukunftssicheren Wald stark abhängig sei von der Verfügbarkeit von hochwertigem Saatgut. Dies aber sei genau das Problem: „Trotz guter Blühprognose haben wir eine katastrophale Ernte, die schlechteste seit zehn Jahren.“ Das geerntete Rohsaatgut, das in den Forstbaumschulen zu Setzlingen herangezogen werden könne, bestehe aus einem Bruchteil der Mengen von 2020. Teilweise sei je nach Baumart gar keine Ernte möglich gewesen. Es gebe nur wenige Ausnahmen, etwa bei der Wildkirsche, deren Saatguternte schon abgeschlossen sei, „und zwar gut und ausreichend“. Doch bei Spitz- wie Bergahorn gebe es nur eine kleine Ernte, bei der Birke, „die wieder eine größere Rolle spielen wird, gar keine“. Weiterhin schlecht bis Totalausfall: Rotbuche, Stiel- und Traubeneiche, Lärche, Douglasie, Schwarzkiefer. Gut sehe es nur bei ganz wenigen Arten aus, etwa der Weißtanne – und ausgerechnet bei der Fichte.
Forstgenbank reaktivieren
Sein Fazit: Es werde bei den Forstbaumschulen keine Erhöhung der Produktion von Setzlingen geben können. „Wir sorgen uns um die ausreichende Verfügbarkeit von forstlichem Saatgut.“ Sein Appell an die anwesenden Vertreter des Landesbetriebs Wald und Holz: „Bitte aktivieren Sie unsere ehemalige Forstgenbank.“ Seine Prognose: Die nächsten drei bis fünf Jahre werde es schwierig mit Saatgut. Für die kommende Saison wirkt sich das noch nicht aus, denn die derzeit wachsenden Setzlinge stammen aus älteren Ernten. Daher seien einige Arten in ausreichender Menge verfügbar, etwa Bergahorn, Spitzahorn, Roterle und Rotbuche, Moor- und Sandbirke, Weißtanne, Große Küstentanne Kiefer und Schwarzkiefer. Doch ab dem nächsten Jahr werde es eng.
Dann ging es ins Kleingedruckte. Marc Muckenhaupt vom Forstamt Kurkölnisches Sauerland in Olpe und Kristian Jovi von der Geschäftsstelle Forst/Direkte Förderung des Landesbetriebs Wald und Holz erläuterten Einzelheiten zur Extremwetterfolgenrichtlinie und deren Umsetzung. Michael Bieke, Vorsitzender der Waldbauern im Kreis Olpe, betonte, frühere Richtlinien hätten fast immer darunter gelitten, zu bürokratisch zu sein. Dies sei so weit gegangen, dass Förster den Waldbesitzern geraten hätten, mit Anträgen zu warten, weil es bald einfacher werde. Nun sei es soweit.
Und in der Tat zogen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die zahlreiche Fragen stellten, am Ende das Fazit, dass die neue Förderung wohl praxisnah und waldbauernfreundlich sei. Die Forstämter seien in die Lage versetzt worden, bei ausreichender forstfachlicher Begründung viele Ausnahmen und Änderungen möglich zu machen, wenn Waldbauern die Förderungen in Anspruch nähmen, ohne dass Rückzahlungen zu befürchten seien. Letztlich gelte aber wie bei jeder solchen Förderung, dass sie nur Anreiz schaffen könne und nicht dazu da sei, unwirtschaftliche Maßnahmen wirtschaftlich zu machen. Besonders wichtig: Die Richtlinie berücksichtigt stark die Naturwaldverjüngung, also die Nutzung des Aufwuchses, der ohne fremdes Zutun im Wald entsteht. Dies ist besonders wichtig angesichts des angekündigten Mangels an Setzlingen.
Nur vereinzelt Kritik
Es gab auch vereinzelt Kritik, so dafür, dass die Neuanlage von Schneisen derzeit nicht förderfähig sei. Jovi erklärte, dies liege daran, dass die Schneisen noch als jagdliche Einrichtungen gelten, die der Bund nicht mit diesem Programm fördern wolle. Zwar sei richtig, dass derartige Schneisen hinsichtlich des Brandschutzes künftig eine ganz andere Rolle spielen würden, aber deshalb auf die Förderung zu verzichten, sei falsch. Bieke: „So gut wie diese Förderung aufgestellt ist, werden wir es nie wieder haben. Je mehr wir abrufen, desto besser, und was wir an Geld nicht abrufen, ist weg.“
Die beiden heimischen Landtagsabgeordneten Christin-Marie Stamm (SPD) und Jochen Ritter (CDU) waren ebenfalls in der Stadthalle; Dr. Gregor Kaiser (Grüne) ließ sich entschuldigen. Während Stamm offen einräumte, vom Thema Forst nicht viel zu wissen und sich daher auf die Kompetenz der Waldbauern verlasse, erklärte Ritter zu den Waldbauern: „Sie kennen den Koalitionsvertrag, was Wald und Forst angeht, vermutlich besser als ich. Schwarz und grün haben unterschiedliche Vorstellungen, aber wir werden uns über einzelne Dinge verständigen und uns aufeinander zubewegen. Wir haben heute Mittag die erste Sitzung unseres Arbeitskreises gehabt, ich sehe in dieser Koalition für unseren Wald keine schlechte Chance.“