Kreis Olpe. Der Wald kommt nicht zur Ruhe: Nach Stürmen und Borkenkäfer hört die Hitze nicht auf, und der Rüsselkäfer macht Sorgen.

Die Waldbauern im Sauerland sind nicht zu beneiden. Nach Sturm-Katastrophen und Borkenkäfer zeichnet sich erneut ein Hitzesommer ab, der gerade vielen neu gepflanzten Bäumchen den Garaus macht, bevor sie sich so richtig gen’ Himmel recken können. Und zu allem Überfluss macht sich noch ein weiterer Unhold an den Pflanzen zu schaffen: Der große braune Rüsselkäfer. Diplom-Forst-Ingenieur Thorsten Reuber, Geschäftsführer der Forstwirtschaftlichen Vereinigung Olpe (Waldholz Sauerland GmbH), sieht eine düstere Prognose vor Augen: „Ich schätze, etwa 50 Prozent werden es nicht schaffen.“ Reuber sieht in der Hitze das größte Problem, der Rüsselkäfer spiele eine wenn auch tödliche Nebenrolle. Aber: „Er zieht in die Baumstümpfe, die in den Borkenkäferkahlflächen stehengeblieben sind und geht dann an die frischen Pflanzen.“ Das Fatale: Auch auf Küstentanne, Douglasie oder Weißtanne, die im Sauerland umweltpolitisch gewollt sind und die Monokulturen ablösen sollen, hat er Appetit. Fichten und Kiefern stehen ohnehin auf seinem Speiseplan.

Warten oder Insektizide

Im Prinzip gibt es nur zwei Modelle, dem Treiben des Rüsselkäfers entgegenzusteuern, sagt Forstrat Marlon Ohms, stellv. Leiter des Regionalforstamtes in Olpe: „Wenn man die Stümpfe zwei bis drei Jahre stehen lässt, ist das Holz so zersetzt, dass der Rüsselkäfer sie nicht mehr nutzt. Normalerweise legt er seine Eier an die frischen Stümpfe der gefällten Fichten, in denen sich die Larven entwickeln.“

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Wenn die nächste Generation Rüsselkäfer dann geschlüpft sei, befalle sie die Wurzeln direkt über dem Boden der frisch gepflanzten Bäumchen, fresse sich in die Rinde und einmal um den Baum herum. Ohms: „Der Saftstrom der jungen Bäume wird dadurch unterbrochen, so dass sie eingehen.“ Müsse der Waldbauer allerdings mit dem Anpflanzen zwei bis drei Jahre warten, habe er mit allerlei Hindernissen zu kämpfen. Thorsten Reuber sieht vor allem in der dornigen Brombeere das Problem: „Da kann ja niemand so ohne weiteres rein.“ Ginster, Farne oder Fingerhut seien kein derartiges Hindernis

Karate Forst laut Hersteller „schnell und sicher“

Eine vom NRW-Umweltministerium eingesetzte Taskforce aus Experten zum Thema Borkenkäfer weist auf den Einsatz von Herbiziden hin.

Aus dem Protokoll einer Taskforce-Sitzung mit Blick auf den Rüsselkäfer wird wie folgt zitiert: „Bei einem erkannten Befall wird der Insektizideinsatz alternativlos sein“.

Das gängige Insektizid „Karate Forst“ wird von der deutschen Firma Syngenta (Frankfurt) hergestellt. Syngenta schreibt auf seiner Homepage unter anderem: „Die Zulassung von Karate Forst flüssig für die Anwendung im Forst wurde nochmals bis zum 31. August 2022 verlängert. (...) Das Insektizid (...) bekämpft Rüsselkäfer, Borkenkäfer sowie beißende und saugende Insekten schnell und sicher.“

Waldbauern, die nicht zwei oder drei Jahre warten wollen, bleibt wohl nur die chemische Keule.

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Im Klartext: Herbizide, die so charmante Namen tragen wie „Karate Forst“ oder „Fastac Forst“. „Damit haben wir beispielsweise schon nach Kyrill gearbeitet, um geschichtete Stämme, die nicht alle zeitnah verarbeitet werden konnten, vor Schädlingen zu schützen“, klärt Reuber auf. Marlon Ohms wiederum spricht aus, was viele Waldleute im Sauerland auch denken: „Insektizide sind das letzte Mittel der Wahl, wenn jemand auf seinen Flächen den Rüsselkäferbefall feststellt.“

Bieke: Olivenbäume, Weinstöcke oder Photovoltaik

Klartext redet Michael Bieke aus Bonzel, Vorsitzender des Waldbauernverbandes im Kreis Olpe: „Was soll man einem Waldbauern angesichts einer solchen Situation, eines erneuten heißen Sommers, raten? Die Anpflanzung ist relativ teuer. Der Schutz gegen Wildverbiss kostet alleine schon rund 4 Euro. Dabei ist die Pflanze noch nicht gekauft und nicht in der Erde. Selbst, wenn ich alles selbst pflanze, muss ich bei 1.000 Pflanzen mit rund 5.000 Euro an Kosten rechnen. Und wenn die wieder kaputtgehen, und danach sieht es im Moment aus, dann ist dem nichts hinzuzufügen. Pflanzen in solch unsicheren Zeiten macht keinen Sinn.“ Das frühere Nadeldach sei nun mal weg, so dass die pralle Sonne den Boden ungeschützt austrockne: „Und jetzt kommt der Rüsselkäfer auch noch dazu. Da stellt sich für den einen oder anderen die Frage, ob er ein solches Risiko eingehen will.“ Vielleicht sei es besser, noch ein, zwei Jahre zu warten.

Biekes ironisches Fazit: „Sollte der nächste oder sogar übernächste Sommer wieder so werden, müssen wir uns auf Verhältnisse wie in Süditalien einstellen und Öl- oder Olivenbäume pflanzen oder vielleicht Weinstöcke anlegen oder am besten direkt Photovoltaikfelder.“