Saßmicke. Warum sie seit zwölf Jahren als Ortsvorsteherin arbeitet, aber auch, warum sie nun aufhören möchte, erklärt Sandra Kurz-Schneider im Interview.

Es war der letzte Tagesordnungspunkt der jüngsten Dorfversammlung in Saßmicke, und er sorgte für einige Diskussionen: Nachdem mehrere Posten in der Dorfgemeinschaft neu besetzt worden waren, meldete sich die Einladende selbst zu Wort und erklärte, dass auch sie aufhören wolle: Sandra Kurz-Schneider, seit zwölf Jahren Ortsvorsteherin des 600-Seelen-Ortes an der Grenze zur Gemeinde Wenden, ließ die Saßmickerinnen und Saßmicker wissen, dass sie sich von dem Ehrenamt verabschieden möchte. Im Interview mit unserer Zeitung erklärt sie, warum sie diesen Schritt geht und warum sie es stolze zwölf Jahre lang ausgehalten hat.

Warum haben Sie beschlossen, das Amt der Ortsvorsteherin abzugeben?

Sandra Kurz-Schneider: Eigentlich wollte ich schon vor zwei Jahren aufhören. Zehn Jahre, fand ich damals, reichen eigentlich. Aber dann kam Corona, und in der Zeit konnte man ja niemanden fragen, da habe ich einfach weitergemacht. Aber jetzt ist es an der Zeit, ich brauche mal etwas Ruhe. Über manche Dinge rege ich mich doch ein bisschen auf.

Was war das beste, das Sie in diesen zwölf Jahren erlebt haben?

Das war, als ganz kurz nach meinem Amtsantritt ein Motocross-Club sein Übungsgelände hier einrichten wollte mit einem Lärm, den das ganze Dorf gehört hätte. Ein Gerlinger Original hatte mich angerufen und mir gesagt „Mädchen, ich habe gehört, du bist da die Ortsvorsteherin, dann musst du was machen“. Die Bürgerversammlung, die dann kam, war sagenhaft. Klar will keiner solchen Motorenlärm, und irgendwo müssen sie hin, aber wir wollten das auch nicht bei allen Belastungen, die Saßmicke schon hat, und gemeinsam haben wir es geschafft. Und dann natürlich jetzt gerade der Ausstieg der Gemeinde Wenden aus dem Gewerbegebiet „Ruttenberg“, aber da warte ich erst die Ratssitzung ab, ob das auch tatsächlich so kommt. Wenn, dann knallt danach der Sektkorken.

Und die Anschlussfrage - was war das Schlimmste?

Das war eindeutig, als ich mir die Wendener Ratssitzung angehört habe und dabei herausfand, dass die die Ortsumgehung einfach mal so eben über Saßmicker Gebiet führen wollten. Genau daher, wo ich drauf gucke. Das war so schlimm, dass ich meinem Mann sagte: Jetzt reicht es, wir verkaufen das Haus und ziehen weg.

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Wie war der Rückhalt aus der Bevölkerung?

Der war unglaublich gut. Zum Beispiel in Sachen eben dieser Ortsumgehung: Ich hatte die Presse eingeladen und das im Dorf verbreitet. Ich hatte mich drauf eingestellt, dass ich mich da allein aufs Feld stellen musste und den Journalisten erzählen, was das Problem ist, und als ich dann sah, dass das halbe Dorf kam, war ich sprachlos. Man muss die Leute oft nur ein bisschen an die Hand nehmen und dann läuft es.

Was mögen Sie an Saßmicke besonders?

Das ist genau das Fleckchen, an dem ich wohne, da ist die Bigge, da ist Wald, da sind Wiesen mit Kühen und Pferden. Klar, und natürlich viele nette Menschen, aber die gibt es ja in anderen Dörfern auch.

Wie ist die Zusammenarbeit mit anderen Ortsvorstehern?

Da gibt es eine Art Arbeitskreis, aber das war früher intensiver. In einigen Dörfern haben die mehrfach hintereinander schnell gewechselt, da kannte man sich gar nicht mehr richtig. Hier hat aber auch Corona seinen Teil dazu beigetragen. Was aber richtig gut läuft, das ist die Zusammenarbeit mit den Nachbardörfern, mit Rüblinghausen und Dahl/Friedrichsthal. Wir machen viel zusammen, das läuft prima.

Was wünschen Sie sich von der Politik für Saßmicke?

Dass in Sachen Grundschule mal neue Wege gegangen werden. Es kann nicht sein, dass die für uns eigentlich zuständige Schule (der Standort Dahl der Düringerschule, die Red.) ständig bangen muss, ob ein Jahrgang zustande kommt oder nicht. Kleine Klassen sind doch für die Kinder das Beste, und eine wohnortnahe Beschulung auch. Da wünsche ich mir weniger Bürokratie und mehr Mut zu neuen Ansätzen. Jeder spricht von „regional“, aber bei Kindern gelingt es nicht.

Wenn Sie jemanden überzeugen wollen, sich für das Amt zur Verfügung zu stellen: Warum sollte man Ortsvorsteher werden?

Ganz einfach: weil es riesigen Spaß macht. Klar, das ist richtig Arbeit, aber es liegt an einem selbst, wo man die Schwerpunkte setzt. Für mich ist es zum Beispiel ein echter Gewinn, wenn ich den alten Leuten im Dorf zum Geburtstag gratuliere und dabei ins Gespräch komme und aus ihrem Leben erfahre. Oft Dinge aus dem Dorf, von meinen Vorfahren, dem früheren Dorfleben, die für mich gänzlich neu sind. Das ist für mich faszinierend.

Und was war weniger schön?

Naja, ich war ja wegen einiger Themen mehrfach groß in der Zeitung, und irgendwie ist mir beim Gedanken, da dann morgens im ganzen Dorf auf dem Frühstückstisch zu liegen zwischen Butter und Marmelade nicht ganz so lieb. Und, jetzt kann ich es ja sagen, das Ausfüllen der ellenlangen Liste für den Wettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft“ und das Zusammentrommeln der Leute für den Rundgang. Das hat mir wirklich keinen Spaß gemacht und ich glaube, man müsste überlegen, ob dieses Format ein Dorf wirklich voranbringt.