Iseringhausen. Die von den Iseringhausern ins Auge gefasste Bürgerversammlung darf mit Spannung erwartet werden.
Die politische Stimmung im Iseringhauser Grund ist auf dem Tiefpunkt, insbesondere die Chemie mit Drolshagens Bürgermeister Uli Berghof und der CDU-Mehrheit im Stadtrat gestört. Zwei Hauptthemen brennen den Iseringhausern besonders auf den Nägeln: der Mangel an Bauland für die vielen jüngeren Dorfbewohner und die drohende Umzingelung ihres Tales mit Windenergieanlagen. Dass sich fast 30 interessierte Bürger am Dienstag Abend im Feuerwehrhaus zum Diskussionsabend im örtlichen Feuerwehrhaus anlässlich unserer Aktion „WP-Mobil“ einfinden, wundert nicht: „Schauen Sie sich hier doch einfach nur mal um, hier könnte man praktisch überall Baugebiete erschließen“, spricht Wolfgang Stahl die aus seiner Sicht günstige Topographie Iseringhausens an. Keine enge Tallage, sondern grüne Wiesen, soweit das Auge reicht.“ Warum die Politik der jungen Generation keine Perspektive bieten könne oder wolle, verstehe im Dorf kaum jemand.
Positivbeispiel Wenden
Jan Drüeke gehört zu eben dieser bauwilligen Generation und berichtete vom Engagement einer größeren Gruppe Gleichgesinnter, bisher aber ohne durchschlagenden Erfolg: „Noch vor drei Wochen habe ich mit Bürgermeister Uli Berghof telefoniert. Es gibt jetzt offenbar private Grundstückseigentümer, die ihre Flächen an die Stadt verkaufen wollen.“ Drüeke macht deutlich, dass das Thema vielen Bauwilligen auf den Nägeln brenne und die wenigsten Verständnis dafür hätten, dass es keinen Fortschritt gebe: „Wir hatten selbst nach verkaufswilligen Grundstückseigentümern gesucht und zwei gefunden. Aber es kam so rüber, dass die Stadt die nicht wollte.“ Weitere Wortmeldung: „In der Gemeinde Wenden geht es doch auch: in Elben, Schönau oder Ottfingen.“ Und in Brün schaffe ein privater Investor in kurzer Zeit, was die Stadt Drolshagen nicht hinbekomme. Oder nicht wolle. Alexander Scheele berichtet von seinem privaten Versuch, auf seinem Wohnhaus-Grundstück eine weitere Bebauung zuzulassen: „Die Stadt war dagegen. Ich habe alle Ratsfraktionen angeschrieben, am Ende hat die CDU das mit ihrer Mehrheit abgelehnt.“
Leerstände gibts nicht
Die Argumentation, die Bauwilligen sollten auf künftig zu erwartende Leerstände älterer Häuser warten, greift in Iseringhausen nicht: „Ich kenne keinen Leerstand, und wenn etwas frei wird, kommt es gar nicht auf den Markt, ist sofort privat verkauft oder in der Familie weitergegeben“, sagt ein älterer Dorfbewohner.
Aus mehreren Wortmeldungen geht hervor, dass in Iseringhausen völliges Unverständnis für die Landespolitik besteht, Dörfern unter 2.000 Einwohnern die Luft abzuschnüren. Allgemeiner Tenor: „Unser Dorf lebt, es gibt unzählige Vereine, Sport, Musik, Kirchengemeinde, Laientheater, Breitensportgruppen, Feuerwehr. Und dann verstellt man den jungen Leuten, die sich in diesen Vereinen engagieren, die Zukunft in eben unserem Dorf.“ „Dann hauen die irgendwann ab“, bringt Wolfgang Stahl es auf den Punkt. Das ergänzt auch der Einheitsführer der örtlichen Feuerwehr, Benjamin Stracke: „Was nützt uns das tollste Feuerwehrhaus, wenn irgendwann die Leute wegbleiben, die löschen können?“
Die landespolitische Strategie sei nicht nachvollziehbar: „In den Städten, auch schon in Olpe, gehen die Bau- und Mietpreise unter die Decke, von Großstädten ganz zu schweigen. Und den Dörfern wird eine Entwicklung verwehrt.“ Alexander Stahl spricht für das Unverständnis seiner Mitbürger: „Es gibt in Drolshagen, die Kernstadt mal ausgenommen, ja gar keine größeren Dörfer mit annähernd 2.000 Einwohnern.“ Selbst Hützemert falle dann durch. Kollektives Kopfschütteln in der Runde: Die Iseringhauser sind weitgehend einer Meinung.
Über 1.000 Einwohner
Iseringhausen ist das Zentraldorf des sogenannten Iseringhauser Grundes, zu dem noch die Ortschaften Husten, Halbhusten, Eltge und Heiderhof zählen.
Die Einwohnerstatistik der Stadt Drolshagen, Stand 31. Dezember 2021, gibt für die Ortsteile folgende Zahlen an:
Iseringhausen: 600 Einwohner, Husten: 206, Halbhusten: 197, Heiderhof: 42, Eltge: 6.
Gesamteinwohnerzahl des Iseringhauser Grundes: 1.051.
Deutlich wird aber auch, dass sich ein gewisser Frust aufgestaut hat: „Sie haben doch kommunalpolitische Erfahrung, sagen Sie uns doch, wie wir vorgehen sollen“, lautet die Frage an die Westfalenpost-Redakteure. Mit der Position der Stadtspitze, die alles auf die Landespolitik und die Bezirksregierung schiebe, wollen sich die Iseringhauser nicht länger zufrieden geben.
Berghof nicht vor Ort
Doch die Bürgerinnen und Bürger wollen nicht lockerlassen: „Wir werden Bürgermeister Uli Berghof in den nächsten Wochen zu einer Versammlung einladen und alle wichtigen Themen ansprechen“, verspricht Thomas Stracke, 2. Vorsitzender des Dorfvereins, „da kommt alles auf den Tisch“. Dass Berghof am Dienstag Abend nicht im Feuerwehrhaus erscheint, wunderte die Anwesenden nicht. Auch der für den Iseringhauser Grund direkt gewählte Ratsvertreter Thorsten Ebach (CDU) fehlt. Die Wortmeldung: „Das ist ja ein Freund des Bürgermeisters“, sorgt für allseitiges Schmunzeln. Kritik wird am Vorgehen der Stadtverwaltung laut, die jegliche Vorstöße zur Bauland-Ausweisung bremse mit Hinweis einer zu erwartenden Ablehnung durch die Bezirksregierung. „Man muss es doch wenigstens probieren“, so das Credo der Bauwilligen.
Spaltpilz Windenergie
Zu eben diesen Themen gehört im gesamten Iseringhauser Grund die künftige Nutzung der Windkraft: „Eine Umzingelung wäre für uns eine Katastrophe“, lautet der einmütige Tenor an diesem Abend. Dieses Thema habe eindeutig das Potenzial, das Dorf zu spalten. Denn während die meisten Bürger gegen die Windräder seien, gebe es Waldbauern und -genossen, die finanziell erheblich profitieren könnten. Lösungsansatz mit Blick auf Bürgerwindparks: „Wenn alle finanziell von der Erträgen profitieren könnten.“ Dass den Iseringhausern vor allem die Größenordnung der beabsichtigen Windparks Angst macht, ist kaum zu überhören. Hintergrund: Wenn die bundespolitische Richtschnur, zwei Prozent der Landesfläche für Windenergie zur Verfügung zu stellen, umgesetzt werde, entspräche das im Stadtgebiet Drolshagen (rund 67 Quadratkilometer) rund 135 Hektar oder fast 190 Fußballfeldern.
Alles in allem zeigt sich am Dienstag Abend, dass es in Iseringhausen erheblichen politischen Gesprächsbedarf gibt. Denn während der rund 90-minütigen WP-Mobil-Gesprächsrunde tauchen noch weitere Themen auf, die im Dorfleben mal eine relevante Rolle spielten:
Kein Geldautomat
Vermisst wird unter anderem ein Geldautomat, sowohl Sparkasse als auch Volksbank sind nicht vertreten, von ehemals drei Lebensmittelgeschäften ist ebenso keines übrig geblieben wie von früher einmal vier existierenden Gastwirtschaften. Ein Schicksal, das auf dem Lande allerdings allgegenwärtig ist.