Kreis Olpe. Die Jägerschaft im Kreis warnt: Der Freizeitdruck im Wald durch Hunde, Radfahrer, Pilzesucher etc. nimmt immer weiter zu. Das Wild ist gestresst.
Die letzten beiden Jahren waren auch für die heimischen Jäger eine Herausforderung. Der Wald, bzw. die Jagdgebiete, verändern sich rasant durch den massiven Holzeinschlag, neue Waldbewohner drängen in die Wälder, dazu die Corona-Pandemie. Karl-Josef Fischer, seit fast 20 Jahren Hegeringleiter in Wenden und seit 12 Jahren Vorsitzender der Kreisjägerschaft, erklärt das neue Spannungsfeld für die 1600 Jagdausübungsberechtigten im Kreis Olpe.
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Unsere Landschaft hat sich durch die verheerenden Borkenkäferkalamitäten stark verändert und wird sich weiter verändern. Es gibt mehr Freiflächen, dazu der ständige Lärm im Wald durch Forstarbeiten. Welche Auswirkungen hat dies für das Wild. Wald weg gleich Wild weg?
Karl-Josef Fischer: Die forstlichen Aktivitäten haben wenig Auswirkungen aufs Wild. Schlimmer ist die Verringerung der Einstandsflächen. Das Wild hat momentan Stress, weil die Flächen jetzt kahl sind und das Wild keine Deckung und dort nur wenig Nahrung findet. Das Wild zieht sich dann in die verbliebenen Bereiche des Waldes zurück, dort kommt es zur Verdichtung des Wildes. Wenn es in dem eingeengten Lebensraum dann noch Störungen gibt, zum Beispiel durch Spaziergänger und Mountainbiker am späten Abend, ist das nicht gut. Deshalb wäre es wichtig, dass diese Gebiete ein, zwei Jahre lang durch Besuchertrupps, Pilzsucher oder Mountainbiker nicht so hoch frequentiert würden. Sobald ausreichend Deckung vorhanden ist und die Äsung (Nahrung) wieder da ist, wird das Wild auch diese heutigen Kahlflächen als potenziellen Lebensraum zurückerobern.
So mancher idyllischer Ort ist verschwunden. Blutet da nicht auch das Jägerherz? Klar blutet einem das Herz, wenn man sieht, dass Wälder komplett verschwinden. Besonders, wenn man weiß, wie lange es braucht, bis der Wald wieder nachgewachsen ist. Auch, wenn man an die Waldbauern denkt, die davon leben müssen, tut das weh.
In ein paar Jahren wird die Anzahl von Windrädern im Kreis Olpe signifikant zunehmen. Wie kommt das Wild mit den Windmühlen klar? Am Anfang werden die Schalenwildarten sicherlich reagieren und diese Bereiche meiden. Aber wenn die Tiere feststellen, dass dort keine Leute mehr mit Hunden oder Mountainbike auftauchen, diese Flächen also von Besuchern gemieden werden, da sie für Erholung suchende Menschen nicht mehr so attraktiv sind, dann werden Rehe oder auch Wildschweine gerade diese Gebiete trotz der Geräusche als Rückzugsgebiete wieder annehmen. Sehr viel mehr betroffen von den Windmühlen sind natürlich unsere Wildvögel und Fledermäuse. Den gleichen Effekt haben wir auch entlang der Autobahnen. Das Wild kommt hier recht nah heran, weil hier der Freizeitdruck nicht so hoch ist. Wichtig ist es jedoch, dass Wildwechselkorridore und Fernwechsel frei gehalten und Querungsmöglichkeiten geschaffen werden.
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Was macht Ihnen als Jäger im Kreis Olpe die größten Sorgen?Natürlich die Aufforstung. Da sind wir mit den Waldbauern solidarisch. Wir haben auch im Kreis Olpe einer temporären, bis 2023 beschränkten Jagdzeitverlängerung auf Rehwild zugestimmt, ab Mitte April statt ab 1. Mai, um auf den potenziellen Flächen, wo neugepflanzt wird, früher jagen zu können. Wir wollen den Waldbauern so bei der Wiederaufforstung unter die Arme zu greifen.
Ein größeres Problem sind seit ein paar Jahren Zuwanderer wie der Waschbär aus Nordamerika und der Marderhund aus Asien. Beide machen insbesondere Reptilien und Bodenbrüter Probleme. Der Waschbär ist zum Beispiel ein guter Kletterer, der in Steinbrüchen Uhu-Horste plündert. Selbst der Naturschutz fordert uns auf, sie intensiv zu bejagen, um heimische Arten zu schützen.
Zwei Jahre Corona mit vielen Beschränkungen und Kontaktverboten hat sicherlich auch die Jagd und vor allem die Ausübung jagdliches Brauchtums erschwert, oder?
Ja, schon. Wir haben allein sieben Bläsercorps innerhalb der Kreisjägerschaft, die waren fast zum Nichtstun verurteilt. So langsam geht es wieder los. Unser 75-jähriges Jubiläum der Kreisjägerschaft musste im letzten Jahr auch abgesagt werden, genauso wie alle anderen gemeinsamen Aktivitäten. Die Einzeljagd, aber auch Treib- und Gesellschaftsjagden konnten unter gewissen Auflagen stattfinden, weil der Gesetzgeber gesagt hat, man könne es nicht zulassen, dass zum Beispiel die Wildschweine bei einer Vermehrungsrate von 300 Prozent zwei Jahre lang nicht ausreichend gejagt würden. Dann hätten wir jetzt die gleichen Probleme wie vor einigen Jahren, als es tatsächlich mal sehr viele Wildschweine im Kreis gab. Zum Glück konnte die Jägerschaft den Bestand deutlich reduzieren. Die Politik hat also gesagt, die Jagd sei systemrelevant und damit unverzichtbar.
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Hat diese Zeit auch Auswirkungen auf die Nachwuchsförderung. Normalerweise sind die Jungjägerkurse ja sehr gut besucht?
Ja, durch Corona haben sich einige Termine verschoben und wir mussten Online-Schulungen anbieten. Das haben unsere Ausbilder aber mit viel Herzblut sehr gut hinbekommen. Es hat zu keinen Ausfällen geführt. Wir haben nach wie vor großen Zuspruch und viele Anfragen. Im September werden wir mit einem neuen Kursus beginnen. Hierzu liegen schon einige Anmeldungen vor.
Was fasziniert junge Frauen und Männer an der Jagdausübung, was sind die vorherrschenden Motive?
Es gibt Leute aus Jägerfamilien, die sich quasi von zuhause aus für die Jagd interessieren bzw. mit der Jagd groß geworden sind. Ein großer Teil der Interessenten hatte mit der Jagd vorher nichts zu tun, die Bewerber sind aber sehr naturinteressiert. Es gibt Leute, die beruflich stark angespannt sind und einen Ausgleich suchen. Den kann man am besten im Wald und in der Ruhe der Natur finden, wenn man das mag.
Die letzte – nicht ganz ernst gemeinte - Frage kann ich Ihnen in einer Osterausgabe nicht ersparen. Werden Sie und Ihre Jagdkollegen an den Osterfeiertagen auf den Hochsitz gehen? Der Osterhase, sorry der Feldhase, muss sich doch an seinem Hochfest hoffentlich keine Sorgen machen, oder?
Der Osterhase braucht definitiv keine Angst zu haben, weil die Jagdzeit auf Hasen erst am 16. Oktober beginnt und am 31. Dezember schon wieder ausläuft. Angst muss er nur vor den vielen Hunden haben, die ohne Leine in die Wiesen laufen. Denn dort liegen gerade jetzt die Junghasen und ab übernächste Woche auch die Rehkitze. Auch die hochtragenden Ricken sind hier unterwegs.
Bitte also in den nächsten sechs, acht Wochen auf den Wegen bleiben und den Hund nicht zum Stöckchen holen in die Wiesen schicken. Wir haben uns übrigens für die Kitz- und Junghasensuche vor der demnächst anstehenden Mahd der Wiesen in der Jägerschaft insgesamt acht Drohnen zur Unterstützung zugelegt. Das erleichtert die Suchen, die wir seit vielen Jahren jedes Jahr mit ebenso vielen Personen durchführen.
Steckbrief:
Karl-Josef Fischer, geb. 1957, lebt mit seiner Familie (drei Kinder, vier Enkel) in Römershagen.
Nach dem Abitur studierte er Bauingenieurwesen in Siegen und arbeitet heute für die Autobahn GmbH (Leiter Geschäftsbereich Bau und Erhaltung).
Den Jagdschein besitzt er seit 1988. Seit 2010 ist er Vorsitzender der Kreisjägerschaft „Kurköln“ im Kreis Olpe. Neben der Jagd widmet er sich den Hobbys Reisen und Radfahren.