Meggen/Przemysl. Sie sind 26 und 22 Jahre alt, Schwestern und haben ein Ziel: Alina Yesilagac und Marie Kürpick fahren Güter an die ukrainische Grenze - allein.

Alina Yesilagac (26) und ihre Schwester Marie Kürpick (22) sitzen in ihrem voll beladenen Transporter in Richtung der polnisch/ukrainischen Grenze. Schilder an den Fensterscheiben kennzeichnen ihrer Hilfsaktion. Rund 495 km liegen noch vor ihnen, bis sie Przemysl und damit den größten Grenzübergang Polens zur Ukraine erreichen. Seit 3 Uhr am Freitagmorgen sind die beiden nun unterwegs.

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„Wir waren einfach nur fassungslos“, blickt Alina Yesilagac, Geschäftsführerin der Dachdeckerei Kürpick aus Meggen, auf den Tag zurück, an dem der Krieg in der Ukraine begann. Nach ihrer Schockstarre, wie die 26-Jährige berichtet, wussten sie und ihre Schwester, Dachdeckerin im Familienbetrieb, dass sie etwas unternehmen müssen. „Dieser Krieg und das Leid ist nicht weit weg von uns, da können wir doch hinfahren“, fasst sie ihre Gedanken zur Hilfsaktion mitten in Europa zusammen.

Resonanz bei den Spenden für Ukraine ist überwältigend

Die Schwestern verfolgten die Krise schon vor der Inversion. Erst dachten sie an eine Geldspende. Doch schnell wurde ihnen klar, dass sie andere Unterstützung leisten wollen. Ohne groß nachzudenken startet Alisa Yesilagac einen Aufruf. Mit der Resonanz rechnete sie nicht: „Die Anteilnahme und Hilfsbereitschaften aus der Umgebung ist riesig“, freut sich die 26-Jährige. Von Lebensmitteln (hauptsächlich Wasser und Konserven), Campingzubehör, Kinderspielzeug und Tierfutter über Hygieneartikel, Medikamente und Rollatoren sei alles dabei. Der Zustand aller Sachspenden sei einwandfrei. Von den rund 400-500 Euro an Geldspenden kauften sie ebenfalls Schlafsäcke, Campingkocher, etc.

„Am Sonntag war der Transporter komplett voll“, berichtet Yesilagac. Aufgrund ihrer Selbstständigkeit konnten sie dann aber erst Freitag in den frühen Morgenstunden losfahren.

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Auf ihrem Weg durch Polen sehen sie einiges. „Hilfskonvois vom DRK, Fahrzeuge, die Waffen transportieren, aber auch Lastwagen mit der Ukrainischen Flagge, der Aufschrift „Stop War“, beschreibt Alina Yesilagac ihre Eindrücke auf der polnischen Autobahn. „Wir werden aber auch immer wieder von anderen Autos und Hilfsaktionen angehupt oder bekommen Lichthupen.“ Bei ihrem ersten Halt an einer polnischen Raststätte möchten sie die Gelegenheit nutzen und schon mit den anderen Reisenden reden.

„Ängstlich sind wir nicht, wir haben Respekt. Ich glaube, sonst wäre das auch nichts für uns“, erzählt Alina Yesilagac. Sie seien darauf eingestellt, Dinge zu sehen, die sie noch nie gesehen haben. Doch zeige ihnen das noch mehr, wie wichtig ihre Aktion ist. „Selbst, wenn wir nur 40 bis 50 Menschen helfen können“, so Yesilagac.

An der Grenze wollen sie ihre Hilfsgüter erstmal ausladen und beim Beladen der Transporter in die Ukraine helfen. „Ob wir direkt wieder fahren oder bis Sonntag bleiben, machen wir davon abhängig, inwieweit unser Hilfe benötigt wird“, sagen die beiden. Die Kommunikation würde schon laufen – zur Not mit Händen und Füßen.

Hoffentlich sind es technische Probleme

Ihre Familie mache sich Sorgen, stehe jedoch voll hinter ihnen. „Meiner Oma und meinem Opa habe ich dabei gar nicht erzählt, dass wir erst bis in die Ukraine fahren wollten“, erzählt Alina Yesilagac und lacht. „Wir kennen Tätowierer aus der Ukraine, aber leider ist der Kontakt abgebrochen“, klärt Yesilagac auf. Diese würden zwischen Köln und der Ukraine pendeln. Die Tattoo-affinen Schwestern seien deshalb schon selbst in der Ukraine gewesen. Hoffentlich läge der Kontaktabbruch an technischen Problem, so die 26-jährige. Vor allem das Argument, dass es hier genug Hilfsmöglichkeiten gäbe und sie es sich doch noch mal überlegen sollen, kam zu Anfang auf. Ihre Mutter traue der Aktion erst, wenn sie wieder heile in Deutschland seien. Ihren Vater hätten sie mittlerweile schon mehr überzeugt. „Der Rückhalt von allen Beteiligten ist einfach ermutigend“, stellt Alina Yesilagac fest. Das Vertrauen, dass die Spenden und Hilfsgüter auch dort ankommen, wo sie hin sollen, sei von Anfang an da gewesen.

Für den Ablauf ihrer Rückfahrt haben sie noch keinen Plan. Um Dinge zu transportieren hätten sie genug Platz. „Wir haben auch noch einen Sitzplatz frei, falls sich eine Einzelperson findet, die mit will. Selbst, wenn wir dabei einen Umweg über Ungarn machen müssen“, erklären sich die Schwester bereit.

Alina Yesilagac und ihre Schwester Marie Küpick möchten sich bei allen Menschen bedanken, die so schnell bereit waren zu helfen. „Wir sind dankbar für diese große Hilfsbereitschaft und Menschlichkeit. Am liebsten würden wir es allen persönlich sagen“, betonen sie. Zwar sind die Schwestern noch unterwegs, doch steht schon fest „Wir machen das gerne wieder!“