Gerlingen. Die problematische Verkehrssituation erhitzt die Gemüter in Gerlingen. Wird für das neue Hallenbad zu viel Geld ausgegeben?
Bis etwa 20.30 Uhr war es bei der Bürgerversammlung im Gerlinger „Landmann“ weitgehend harmonisch zugegangen, dann meldete sich Willy Müller zu Wort. Und das sorgte zumindest einige Minuten für eine heftige Kontroverse. Denn Müller setzte den geplanten Schwimmbadneubau ins Verhältnis zur ebenfalls, aber später geplanten Ortsumgehung: „Für das neue Schwimmbad kommen riesige Kosten auf die Gemeinde zu, und von 25.000 Badegästen jährlich zahlen 6.000 vom DLRG nichts und rund 9.000 Schüler auch nicht.“ Die geplante Ortsumgehung hingegen sorge für eine Entlastung der L 512, die von 24.000 Fahrzeugen pro Tag befahren werde. Da stelle sich die Frage nach der Priorotät und danach, ob das alles bezahlt werden könne. Der einsetzende Applaus machte deutlich, dass Müller offenbar den Nerv einiger Gerlinger getroffen hatte.
Investitionsstau
Die Attacke Müllers wollte SPD-Ratsmitglied Sven Scharz, dessen Fraktion im Rat für das neue Schwimmbad gestimmt hatte, nicht auf sich sitzen lassen: „Es ist nicht in Ordnung, das Bad gegen die Ortsumgehung aufzurechnen.“ Mit Blick auf CDU-Mitglied Müller legte er nach: „Deine Partei war es doch, die für den erheblichen Investitionsstau in den Bädern gesorgt hat.“ Bürgermeister Bernd Clemens, bekanntlich ein Verfechter einer Badsanierung statt eines Neubaus, pflichtete Willy Müller bei: „Ein neues Bad wird zwischen 10 und 14 Millionen Euro kosten.“ Bad und Ortsumgehung müssten letztlich aus einem Topf bezahlt werden. Da sei es zulässig, nach der Finanzierung zu fragen. Sven Scharz entwertete die Wortmeldungen zum Bad jedoch als reine „Propaganda.“
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Bauamts-Chef Markus Hohmann und Bernd Clemens hatten vor der Kontroverse noch einmal über den aktuellen Stand der Ortsumgehung informiert. Wesentlicher Inhalt: Die Gemeinde warte auf eine Machbarkeitsstudie des beauftragten Ingenieurbüros Osterhammel (Nümbrecht), die im Frühjahr 2022 erwartet werde. Clemens stellte heraus, dass die Entlastungsstraße zwischen Ludwig Ehrhardt-Straße (Gewerbegebiet Auf der Mark) und Auf dem Ohl die jetzige Ortsdurchfahrt L 512 um rund 10.000 Fahrzeuge am Tag entlasten könne. Das seien immerhin fast 40 Prozent des täglichen Verkehrsaufkommens. Und perspektivisch werde dieses Aufkommen von derzeit rund 21.000 Fahrzeugen pro Tag auf rund 24.000 im Jahr 2030 wachsen. Zeitfenster für die Ortsumgehung: sechs bis sieben Jahre.
Bezüglich der zu vermutenden Kosten für diese etwa 1,5 km lange Ortsumgehung warf CDU-Ratsherr Franz-Josef Henke die Zahl von 18 Millionen Euro in den Raum. Bernd Clemens verwies darauf, dass der seinerzeit noch amtierende NRW-Verkehrsminister Hendrik Wüst eine 70-prozentige Förderung in Aussicht gestellt habe. Henke kritisierte mit Blick auf die Verkehrsproblematik das geplante Gewerbegebiet Ruttenberg: „Das wird eine Fläche von 70 Hektar, eine katastrophale Entscheidung.“
Bernd Clemens hob hervor, dass das Industriegebiet Ruttenwald noch in weiter Ferne liege: „Da sprechen wir von einer Perspektive ab 2035.“ Aktuell sei die Gemeinde froh, seitens der Bezirksregierung Grünes Licht für die neuen Gewerbeflächen in Ottfingen und Hünsborn zu haben. Hier spreche man von rund 15 Hektar für die nächsten 15 Jahre. Der dafür notwendige Flächennutzungsplan werde bereits 2022 rechtskräftig.
Ampel-Desaster
Dass der Straßenverkehr das bestimmende Thema in Gerlingen ist, wurde auch bei der „Ampel-Diskussion“ deutlich. Markus Hohmann räumte ein, dass die Schaltung der Ampeln in Gerlingen nicht optimal abgestimmt sei und vom Landesbetrieb Straßenbau geprüft und optimiert werden solle: „Einige der Ampeln laufen nicht so, wie sie es sollten.“ Auch bei der Kommunikation untereinander gebe es Probleme. Einige Bürgerstimmen machten klar, dass hier mehr Druck gemacht werden solle. Bernd Clemens versprach: „Wir werden die zuständigen Vertreter von Straßen.NRW ins Rathaus bitten, um diesen Druck aufrecht zu erhalten.“
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Skepsis herrscht bei einigen Gerlingern offensichtlich mit Blick auf den Plan, eine zusätzliche Ampel an der Zufahrt zum Industriegebiet Auf der Mark zu installieren (L 512/L.-Erhardt-Straße). Markus Hohmann informierte, dass im Frühjahr 2022 erst einmal ein Probebetrieb gefahren werden solle: „Das machen wir jetzt noch nicht, weil Amazon erst 25 Prozent seiner Kapazität fährt.“ Die Ampelanlage solle aber unter Amazon-Volllast getestet werden, für etwa drei bis vier Wochen. Dass die Maßnahme eine Verbesserung herbeiführen werde, so Hohmann, sei bis dahin nur eine Theorie.