Attendorn. Während die Stadt keine Zonen für Windräder an der Bigge ausweisen möchte, will die Politik zumindest über Potenzialflächen am Ufer nachdenken.

Die Suche nach konfliktarmen Standorten für Windräder in Attendorn ist offensichtlich nicht weniger kompliziert als die Suche nach der berühmten Stecknadel im Heuhaufen. In der Hansestadt birgt die Ausweisung sogenannter Konzentrationszonen für Windenergie im Flächennutzungsplan (FNP) reichlich Zündstoff. Die Frage aller Fragen: Werden in Zukunft (fast) ausschließlich Anlagen im windreichen Repetal gebaut, um gleichzeitig eine „Verspargelung“ der Bigge auf Attendorner Hoheitsgebiet zu verhindern? Eine Frage, die am Montag im Umweltausschuss zwei Welten aufeinanderprallen ließ.

Die Verwaltung hat sich nach der Standortuntersuchung einer Fachfirma aus Erkelenz, die das gesamte Stadtgebiet unter Faktoren wie Artenschutz, Windhöffigkeit, Landschaftsbild oder unter städtebaulichen Aspekten untersucht hat und vor allem Zonen im Repetal empfiehlt, festgelegt: Der Biggesee soll windkraftfrei bleiben.

Die Politik hält aber dagegen: Bereiche direkt am Ufer – und zwar konkret gegenüber der Vogelinsel, zwischen Uelhof und dem Schnütgenhof sowie westlich von Bremge – müssten zumindest als Potenzialflächen in den FNP aufgenommen werden – so wie es auch der Arbeitskreis Erneuerbare Energien vorschlägt. Und, soviel sei vorweggenommen, diese drei Zonen werden nach dem politischen Willen auch aufgenommen, sofern der Stadtrat nächste Woche Mittwoch (Stadthalle, ab 18 Uhr) mitgeht.

Touristische Bedeutung

„Die Bigge hat eine überregionale, touristische Bedeutung und so wunderschön das Repetal auch ist, besitzt es eben nicht dieses Alleinstellungsmerkmal wie der See“, erklärt Uwe Waschke, Amtsleiter für Bauen und Planen, warum die Stadt bei der Ausweisung von Windenergiezonen sehr wohl einen Unterscheid zwischen Bigge und Repetal macht. Genauso wie Baudezernten Carsten Graumann wies Waschke im Gespräch mit dieser Redaktion darauf hin, welchen Wert die Bigge als Naherholungsgebiet etwa für Besucher aus dem Ruhrgebiet besitze.

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Und Graumann stellt klar: „Es geht hier in keiner Weise darum, das Repetal abzuwerten oder die beiden Gebiete gegeneinander auszuspielen.“ Am Ende müsse aber eine Gewichtung erfolgen, um dem eigentlichen Sinn der Ausweisung nachzukommen: Es gehe schließlich darum, bei der Steuerung der Windenergie, die vom Gesetzgeber in Außenbereichen privilegiert ist, auch in Zukunft mitzureden. Wichtiger Effekt: Wenn die Stadt konkrete Zonen für die Windenergie festlegt, müssen sich auch die Windkraft-Projektierer danach richten.

An der Nordsee ganz normal

Die von der Stadt vorgenommene Gewichtung stößt in den Reihen der Politik allerdings auf wenig Gegenliebe. „Das Tourismus-Argument ist wichtig, aber die Bewohner des Repetals sind mir am Ende doch wichtiger als unsere Besucher“, betont Meinolf Schmidt (UWG). „Wie sollen wir diese Gewichtung den Repetalern verkaufen. Ich fahre häufig an die Nordsee, da sind Windräder das Normalste der Welt“, ergänzt Jürgen Tischbiereck (SPD). Und Rolf Schöpf (CDU) geht sogar noch weiter: „Wenn wir annehmen, dass der Tourismus durch Windenergie geschädigt wird, dann brauchen wir gar nicht erst anfangen. Wenn wir zur Windenergie, auch am Biggesee, stehen, dann zeigen wir, dass wir zu den erneuerbaren Energien stehen.“ Bernd Strotkemper (SPD) befürchtet: „Die Bürger im Repetal würden uns sicherlich nicht applaudieren.“

Noch keine konkreten Bauanträge

Konkrete Bauanträge von Windkraftprojektierern auf Attendorner Stadtgebiet liegen laut Uwe Waschke aus dem rathaus derzeit nicht vor.

Im aktuell gültigen Flächennutzungsplan der Stadt Attendorn stehen zwei Konzentrationszonen, die aufgehoben werden sollen. Sie sind so alt, dass sie einer gerichtlichen Auseinandersetzung nicht standhalten würden.

Nach Abzug aller harten und weichen Tabukriterien, die dem Bau von Windrädern im Wege stehen, bleiben in Attendorn etwa 350 Hektar zur Ausweisung von Konzentrationszonen übrig. Der überwiegende Teil befindet sich im Repetal.

Das weiß auch Bürgermeister Christian Pospischil (SPD), der darauf hinweist, dass die genannten drei Flächen an der Bigge einfach zu klein seien und Platz für maximal ein bis zwei Windräder böten. „Da droht uns dann tatsächlich eine Verspargelung, die niemand will“, so der Bürgermeister, der im Ausschuss grundsätzlich wurde: „Wir wollen unserer Philosophie treu bleiben und die kommunale Planungshoheit hochhalten. Wir wollen im Sinne des Ausbaus der erneuerbaren Energien selber steuern.“ Eine Aufgabe, die nicht gerade einfach ist. Denn offensichtlich kommen Stadt und Politik bei der Bewertung von Repetal und Bigge nicht auf einen grünen Zweig.