Altenkleusheim. Der „Max & Moritz“ Kindergarten in Altenkleusheim hat einen Walderlebnisplatz. Dort lernen Kinder, wie wichtig der Kontakt zur Natur ist.

Heute ist ein aufregender Tag. Vor allem für die „Neuen“, die zum ersten Mal dabei sind. Die Turnschuhe sind bereits angezogen, einige quetschen noch ihre Trinkflaschen in ihre Rucksäcke, die meisten stehen schon Hand in Hand paarweise hintereinander. Die Vorfreude ist groß bei den 25 Kindern. Endlich wieder zwischen den Bäumen herumtoben und zusammen auf Entdeckungstour gehen. „Das ist das erste Mal nach der langen Corona-Pause, dass wir jetzt wieder zu unserem Walderlebnisplatz gehen“, verrät Naturpädagogin Daniela Klamp.

Im September 2020 wurde nach einem Jahr der Vorbereitungen der Walderlebnisplatz vom Kindergarten Max & Moritz in Altenkleusheim eröffnet. Er befindet sich etwas oberhalb des Dorfes, knapp zehn Gehminuten entfernt. Hier gibt es Holzbänke, die u-förmig um ein massives Baumstamm-Pult angebracht sind, sowie ein großes Holzschild mit überdachter Magnettafel. „Waldwölfe“ steht da drauf. Diesen Namen haben sich die Kinder für ihre Gruppe selbst gegeben. Es klingt nach Abenteuer, Spannung und nach Streifen durch die Wildnis. In diesem Fall durch den Wald. Es geht darum, von der Natur in der Natur zu lernen.

Grashüpfer im hohen Gras

Schon auf dem Weg zum Platz sammeln die Kinder viele Eindrücke. Auf einer Wiese, schräg unter einer Fichte, hält die Gruppe kurz an und lauscht. „Hört ihr das?“, fragt Daniela Klamp und bekommt ein gedämpftes „Ja!“ als Antwort. Im hohen Gras haben sich Grashüpfer versteckt, die ihr charakteristisches Zirpen von sich geben. Manche von ihnen zeigen sich sogar. Sie springen von den Halmen hoch, sodass es einige Kinder schaffen, einen flinken Sechsbeiner mit ihren Händen zu fangen. Berührungsängste gibt es nicht. Zumindest bei den meisten nicht. „Das ist das Schöne an dem Projekt“, meint Daniela Klamp. „Es gibt welche, die sich trauen und dadurch andere motivieren können, sich auch den Tieren zu nähern. Gemeinschaft, Psychomotorik, Fachwissen – alles wird vermittelt.“

Am Walderlebnisplatz angekommen wartet die nächste Aufgabe: Wer findet weitere Tiere, die im Wald leben? Dazu hat Daniela Klamp Becherlupen mitgebracht, die sie auf das Baumstamm-Pult stellt und die sich die Kinder ausleihen können. Es gibt keine 25 Becherlupen für 25 Kinder, also müssen die Waldwölfe grüppchenweise durch die Büsche streifen.

Schlupfwespe sieht aus wie eine Schlange

Carolin hat auch sofort etwas entdeckt. „Hey, das ist aber ganz schön schnell!“, sagt sie, als ihr das Tierchen auf dem Weg vom Blatt in den Becher entwischt. Dafür gelingt es ihr am nächsten Strauch das fliegende Etwas einzufangen. „Sieht aus wie eine Schlange, die fliegen kann“, ist ihr erstes Fazit, als sie durch die Lupe auf der Oberseite linst. Daniela Klamp kommt näher und begutachtet die fliegende Schlange. „Das ist eine Schlupfwespe. Die tut aber nichts, die bohrt höchstens Löcher ins Holz.“ Glück gehabt.

Carolin weiß schon ganz genau, was sie später mal werden will. „Tierärztin. Weil ich Tiere so mag.“ Nicht etwa, weil sie ihren Eltern nacheifern möchte. Die sind beide nämlich „Menschenarzt“. Und tatsächlich scheint Carolin von Tieren fasziniert zu sein. Jedes kriechende, krabbelnde, fliegende Geschöpf in ihrem Blickfeld entlockt ihr einen begeisterten Aufschrei.

Kurz darauf gesellt sich Philipp zu ihr. Der Vierjährige ist ein bisschen traurig, dass er noch kein Tierchen in seiner Becherlupe zu fassen bekommen hat. „Ich möchte gerne einen Käfer finden“, sagt er und schraubt an dem Deckel seines leeren Gefäß herum. „Okay, dann finden wir einen!“, macht ihm Carolin Mut. Gemeinsam schieben sie mit kleinen Stöcken das Laub auf der Erde beiseite und lockern den feuchten Boden auf. Es dauert nicht lang bis…. „Da!“ Sie schieben den Rand der geöffneten Becherlupe über die Erde, sodass der Laufkäfer geradewegs hinein krabbelt. Philipp ist ganz aus dem Häuschen. „Guck mal Frau Klamp, was ich gefunden hab!“

Rennen, klettern, lauschen

Es ist dieses Entdecken, auch das Wiederentdecken der eigenen Körpersinne, die so essenziell in der Naturpädagogik sind. Es wird gerannt, geklettert, gelauscht, gefühlt, gematscht und geträumt. Ein Steilhang wird zur Rutsche ins Abenteuerland, ein umgestürzter Baumstamm wird zur Hängebrücke. „Einmal in der Woche machen wir uns auf in den Weg in die Natur, um den Kreislauf von Entstehen, Wachsen und Vergehen spielerisch kennenzulernen“, erklärt Klamp.

Sie ist sich sicher: Nur auf diese Weise können Kinder ein Umweltbewusstsein entwickeln und lernen, die Natur nachhaltig zu schützen. Und wer weiß: Vielleicht sind Carolin und Philipp die Waldretter von morgen.