Kreis Olpe. Die Baubranche stöhnt unter seltener Materialknappheit: Vor allem Dachdecker und Zimmerer sind betroffen. Auch manche Preise schießen in die Höhe

Ein nicht endender Bauboom trifft momentan auf eine nie dagewesene Materialknappheit. Hinzu gesellen sich exorbitante Preissteigerungen. Vor allem Dachdecker und Zimmerer stöhnen auf der einen Seite, Architekten auf der anderen, die ihren Bauherren Preissteigerungen verkaufen müssen. Wir sprachen mit direkt Betroffenen im Kreis Olpe.

Lieferprobleme nerven

Frank Clemens, langjähriger Dachdeckermeister und Kreishandwerksmeister, steckt mitten drin im Kampf um Preise, Material und Termindruck: „Wir Dachdecker haben, wie die Zimmerleute auch, ein Holzproblem. Die Preise sind explodiert. Bei den Dachlatten hat sich der Preis im Vergleich zu Ende 2020 mehr als verdreifacht. Im Einkauf habe ich vergangenes Jahr etwa 45 Cent netto für den Meter bezahlt, jetzt kostet der 1,40 Euro.“ Zudem nerven Lieferprobleme: „Alles, was im weitesten Sinne mit Holz und Kunststoff zu tun hat, ist schwierig. OSB-Platten, Abdichtungsbahnen, Dämm-Material, Folien, Styropor.“ Bei manchen Produkten, so Clemens, „weiß keiner, was er am Ende bezahlen muss, wenn er es bestellt.“ In der Branche werde darüber spekuliert, dass Grundmaterial für die Kunststoffprodukte fehle: „Es kommt vieles zusammen. Einer dieser Stoffe ist offenbar ein Abfallprodukt der Kerosinproduktion.“ Dadurch, dass während den Corona-Lockdowns weniger geflogen worden sei, fehlten diese Abfallprodukte. „Die Trockenbauer haben Probleme mit Rigips, in dem ein Abfallprodukt aus Kohlekraftwerken steckt. Und Kohlekraftwerke werden ja Stück für Stück zurückgefahren, sagt Clemens. Auf einer seiner Baustellen in Olpe, so Clemens, habe er Dämm-Material für Mai geordert, das in dieser Woche eingetroffen sei.

Auf die Dämmplatten fürs Firmendach musste Dachdecker Clemens drei Monate warten. erbegebiet Dahl. Das große Dach einer Firmenhalle von Mercedes Neuhaus ist in Arbeit. Auf das Dämm-Material hat Clemens drei Monate warten müssen. Nichts Ungewöhnliches momentan.
Auf die Dämmplatten fürs Firmendach musste Dachdecker Clemens drei Monate warten. erbegebiet Dahl. Das große Dach einer Firmenhalle von Mercedes Neuhaus ist in Arbeit. Auf das Dämm-Material hat Clemens drei Monate warten müssen. Nichts Ungewöhnliches momentan. © WP | Josef Schmidt

Auf die Frage, wann die Misere begonnen habe, kann Clemens nur schätzen: „Es fing so ausgangs des Winters an. Ich denke, dass sich das mit den Lieferschwierigkeiten im Herbst zwar wieder normalisiert, wenn aber die Preise einmal gestiegen sind, werden sie nicht so schnell wieder fallen.“

Als Grund für höhere Holzpreise werde in der Baubranche häufig von einem Ausverkauf Richtung USA und China diskutiert: „In den USA ist man offenbar höhere Preise gewohnt, so dass Sägewerke kein Geld verschenken wollen.“

Auf der einen Seite Handwerker, auf der anderen Seite Bauherren, dazwischen Architekten. Der Olper Architekt Markus Ohm (Ohm & Ohm): „Die Bauherren leiden schon länger unter steigenden Baukosten, was dazu führt, dass die Zahl derer, die sich noch Einfamilienhäuser leisten können oder wollen, immer kleiner wird.“ Die momentane Preis- und Lieferproblematik komme dann noch „on top“, verschärfe die Situation zusätzlich: „Wir hoffen natürlich, dass das im Herbst wieder abebbt.“ Andernfalls könne es dazu führen, dass die Nachfrage irgendwann wieder zurückgehe. Es gebe allerdings zunehmend junge Bauherren, die Summen um die 500.000 Euro nicht scheuen würden, was für frühere Generationen undenkbar gewesen sei.

500.000 Euro plus

Das bestätigt auch Architekten-Kollege Florian Hahnl (Olpe): „Mittlerweile ist eine Bausumme von 500.000 bis 550.000 Euro für ein großes Einfamilienhaus von etwa 180 Quadratmetern Wohnfläche nicht mehr ungewöhnlich. Ohne Grundstück.“ Und trotz der Kosten sei die Größe von 180 Quadratmetern das, „was die Leute auch haben möchten.“ Diese Preisentwicklung halte schon drei bis vier Jahre an.

Um 9,4 Prozent gestiegen

Laut Statistischem Bundesamt (Destatis) sind die Preise für Wohnimmobilien (Häuserpreisindex) in Deutschland im ersten Quartal 2021 durchschnittlich um 9,4 Prozent gegenüber dem ersten Quartal 2020 gestiegen.

Besonders deutlich stiegen die Preise für Wohnungen in Großstädten über 100.000 Einwohnern mit plus 11,3 Prozent sowie für Ein- und Zweifamilienhäuser in dünn besiedelten ländlichen Kreisen plus 11,3 Prozent.

Und in diesem Jahr komme die Preisexplosion für bestimmtes Material noch dazu. Da könne der Preis für ein Zimmerer- und Dachdeckergewerk beispielsweise um einige 10.000 Euro im Vergleich zum Februarangebot in die Höhe schnellen. Was dann zu schwierigen Gesprächen zwischen allen Beteiligten führe und im günstigsten Fall mit einem Vergleich ende. Hahnl: „Solche Gespräche muss ich momentan fast jede Woche führen, kein Vergnügen.“ Auch die spürbare Knappheit auf dem Handwerkermarkt sei sicherlich ein Faktor, der an der Preisschraube drehe.

Bauunternehmer und Bauträger Lothar Sabisch (Oberveischede) sagt zur aktuellen Situation: „Es wird für die Zukunft immer schwieriger, die Rentabilität von Bauvorhaben für die Kunden sicherzustellen, bei steigenden Materialpreisen und Lohnsteigerungen.“ Bauverzögerungen, so Sabisch, habe es bei seinen aktuellen Objekten zwar gegeben, aber nicht in der Größenordnung, dass sie sich auf die jeweiligen Endtermine ausgewirkt hätten. Auf das grundsätzliche Problem von spürbar anziehenden Materialpreisen, so Sabisch, reagiere er mit Preisgleitklauseln.

Leichte Beruhigung

Peter Vente, seit über 50 Jahren im Sägewerksgeschäft zu Hause und Seniorchef von Vente-Holz in Finnentrop, sagt zur ungewöhnlichen Bauholz-Knappheit: „Viele Groß-Sägewerke haben ihr Schnittholz nach Amerika verkauft. Dort sind die Preise in die Höhe geschnellt, auch für Konstruktionsvollholz. Gott sei dank hat sich das wieder ein wenig beruhigt. Der Sägeunternehmer hebt hervor, dass sein Unternehmen nicht dazugehöre: „Wir haben kein Holz in die USA verkauft. Auch nicht nach China.“ Im Gegenteil: Vente-Holz steuere mit einem großen Nassholzlager dagegen: „Wir haben gerade ein solches Lager für 30.000 Festmeter genehmigt bekommen und befüllen es.“ Dadurch könne das Holz gelagert und brauche nicht nach China verschifft zu werden und stelle so eine Reserve dar: „Dass wir auch in drei, vier Jahren noch Rundholz zu beschneiden haben.“ Sein Unternehmen gebe sich bereits große Mühe, um der Materialknappheit zu begegnen: „Wir schneiden schon zweischichtig, haben Spätschichten eingeführt, können aber wegen der Geräusche nicht dreischichtig arbeiten: Ganz abgesehen davon, dass wir dafür geeignetes Personal bräuchten. Das steht nicht an jeder Ecke.“ Vente-Holz habe seine Kapazität bereits deutlich ausgeweitet, komme dieses Jahr auf rund 150.000 Festmeter Rundholz, deutlich mehr als in Vorjahren: „Da waren es mal rund 100.000, mal 110.000, immer unterschiedlich.“ Vente abschließend: „Solch eine Situation habe ich in meiner über 50-jährigen Tätigkeit noch nicht erlebt.“