Olpe. Viele Monate sind die Kinos geschlossen. Am 1. Juli ist damit Schluss. Ein Besuch im noch leeren Cineplex in Olpe - ein fast vergessenes Gefühl.
Bis auf ein paar Mentos-Rollen ist nichts mehr da. Die Theke ist leer. Kein Popcorn, keine Nachos – keine Menschen, die in der Reihe stehen. Mit dem Kino-Ticket in der Hand, dem süßlichen Duft in der Nase. Kein Verkäufer, der die Cola in die Trinkbecher füllt. Kein Kind, das ungeduldig an Papas Ärmel zuppelt und fragt, wann der Film endlich losgeht. Kein Geräusch tönt aus den Sälen. Das Cineplex in Olpe ist leer. Nur Stefan Brögeler ist da. So wie fast jeden Tag. Trotz Lockdown. Der Theaterleiter schaut nach dem Rechten, sorgt für Ordnung – und sieht sich manchmal auch einen Film an.
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Zuletzt war Stefan Brögeler mit seinem Patensohn hier. Ist noch gar nicht so lange her. Der Kleine hat es sich gewünscht. Die beiden haben sich in den Kinosaal gesetzt, eine Blue Ray eingelegt. „Bohemian Rhapsody“ haben sie geschaut. Ganz allein. „Der Junge liebt das und vermisst es ganz schrecklich“, erzählt er. So wie er selbst auch. Viel zu häufig ist er in den vergangenen Monaten durch die leeren Gänge gezogen. Vorbei an den Plakaten, die noch die Filme ankündigen, die im November hätten starten sollen. „Acht Monate“, sagt Stefan Brögler. „Es kommt mir viel länger vor.“
Es geht um das Miteinander
Heute legt er den Film „Gravity“ ein. Der Thriller ist 2013 über die Leinwände gelaufen. Mit Sandra Bullock und Georg Clooney in den Hauptrollen. Die Handlung spielt im Weltraum. Die Astronauten werden von der Raumstation weggeschleudert, treiben in den Weiten. „Im Kino hat mich der Film damals extrem gepackt“, sagt Stefan Brögeler, während Sandra Bullock über die Leinwand schwebt. „Das ist einfach etwas anderes als Zuhause.“ Es geht nicht nur um die große Leinwand. Oder das ziemlich großzügig dimensionierte Soundsystem im Cineplex Olpe. Es geht auch um das Miteinander. Das gemeinsame Bangen, Mitfiebern – das gemeinsame Lachen.
Zum Lachen ist Sandra Bullock in ihrer Rolle als hilflose Astronautin gerade nun wirklich nicht zumute. Ihr geht langsam der Sauerstoff aus. Panik macht sich breit. Zum Glück ist George Clooney über Funk erreichbar, spricht ihr gut zu, beruhigt sie etwas. Das macht Hoffnung. Die Zeit des Hoffens ist für den Theaterleiter vorbei. Endlich. Jetzt beginnt der Countdown. Die letzten Tage, bis sich die Säle wieder füllen dürfen. Die letzten Tage, bis wieder die neusten Blockbuster über die Leinwände laufen. Dann können sie wiederkommen. Die Kinoliebhaber, die Stammkunden. Stefan Brögeler erzählt von einem Mann Ende 40. Er kommt dienstags zur 15 Uhr-Vorstellung, um 17.30 Uhr schaut er sich den nächsten Film an – um 20 Uhr dann den letzten für den Tag. Wenn das Filmprogramm passt. „Ein ganz sympathischer Mensch“, sagt Stefan Brögeler. „Das sind Hardcore-Kinogänger, da haben wir auch einige von.“
Seit der Geburtsstunde mit dabei
Zwei oder auch drei Kinovorstellungen am Tag – sowas hat Stefan Brögeler auch gemacht. Zumindest in jüngeren Jahren. Tatsächlich beginnt seine Kino-Karriere schon ziemlich früh. Wenn auch zunächst nur nebenberuflich. Der 43-Jährige ist eigentlich gelernter Industriekaufmann. 1995 sieht er einen Aushang am Viktoria-Filmtheater in Hilchenbach-Dahlbruch. Sie suchen einen Vorführer. Er bekommt die Stelle, damals noch parallel zur Schule, später parallel zur Ausbildung. Und irgendwann kam der Tag, an dem er sich entscheiden musste. Soll er das machen, was er gelernt hat – oder das, wofür sein Herz schlägt? Die Entscheidung fiel ihm leicht. Heute sitzt er als Theaterleiter in dem Kino, das er seit der Geburtsstunde im November 2007 kennt. „Und ich habe es wirklich nie bereut“, sagt Stefan Brögeler.
Nicht mal während der Corona-Krise. Als er von heute auf morgen schließen musste. Ein Schock. Vor allem im ersten Lockdown. Nicht mal, wenn Besucher ihm die Säle nahezu ruiniert hatten. Popcorn, Chips, Nacho-Soße an und auf Sitzen, Böden – und auch an den Leinwänden. „Da mussten wir einmal eine austauschen“, erzählt er. „Weil wir die Flecken nicht mehr wegbekommen haben. Einfach nass abwischen geht bei der speziellen Beschichtung nicht.“ Jetzt sind die Säle ungewöhnlich sauber. Kein Wunder. Die Sitze sind neu. Kunstleder statt Stoff. Besser zu desinfizieren. Lediglich Staub hat sich angesammelt. An den Wänden mit der Stoffbespannung. Mit dem Staubsauger hat das Team die Spuren der vergangenen Monate beseitigt. Damit es bald wieder losgehen kann.
Bestellungen schon getätigt
Sandra Bullock hat den Weg aus dem Weltall auf die Erde geschafft. Sie liegt am Ufer, fährt mit den Händen durch den Sand. Sie hat ein paar Blessuren davongetragen, ist ein bisschen wackelig auf den Beinen. Aber sie ist gesund. Und glücklich, dass sie es geschafft hat. So wie Stefan Brögeler und andere Kinobetreiber. „Wir schaffen auch den Neuanfang“, sagt er. Die Bestellungen sind schon getätigt. Schon längst. Bald werden die Regale wieder mit Süßigkeiten gefüllt. Bald werden die Menschen wieder an der Theke stehen, Popcorn und Nachos kaufen. Und – vielleicht nicht bald, aber irgendwann – ist die Corona-Krise im Cineplex Olpe nur noch eine böse Erinnerung.