Olpe/Siegen. Eva Freund ist eine Transfrau. Jetzt will sie ihr Geschlecht und ihren Namen offiziell ändern lassen – und stolpert dabei aber über große Hürden.
Die meisten beachten es gar nicht. Die Angabe über das Geschlecht in ihrer Geburtsurkunde. Oder der Vorname auf ihrem Personalausweis. Viel zu alltäglich, viel zu gewohnt. Doch nicht für Eva. Eva Freund ist eine Transfrau. Lange hat sie es versteckt, lebt das Leben eines Mannes (unsere Zeitung berichtete). Mittlerweile hat sie sich geoutet, geht als Frau durch die Straßen. Stolz und rundum glücklich – zumindest fast. Eva Freund möchte auch vor dem Gesetz als Frau anerkannt werden, möchte ihren männlichen Namen offiziell ablegen, möchte eine Personenstandsänderung. Das Transsexuellengesetz macht das auch möglich – aber nur mit Verlust der Würde.
Eva Freund ist 61 Jahre alt. Ihr ganzes Leben hat sie als Junge, später als Mann verbracht. So, wie sie zur Welt gekommen ist. So, wie sie in der Gesellschaft erzogen wurde. Sie lernt den Beruf des KFZ-Mechanikers, war sogar bei der Bundeswehr – und heiratet. Mit ihrer Frau hat sie heute zwei Kinder und eine Enkelin. Die beiden sind glücklich miteinander. Auch nach dem Outing – vor knapp vier Jahren. Warum auch nicht? Schließlich haben zwei Menschen geheiratet – und nicht zwei Geschlechter. „Meine Frau war und ist immer an meiner Seite“, sagt Eva Freund. „Das schätze ich wirklich sehr an ihr.“Es war ein glückliches Leben. Als Peter. Ein Leben mit wundervollen Momenten. Die Hochzeit. Die Geburt der Kinder. Doch Eva Freund wusste schon immer, dass irgendwas nicht stimmt. Schon als kleines Kind. Sie fühlt sich nicht wohl mit den Jungs, spielt lieber mit den Mädchen. Lieber Barbies statt Autos. Lieber Röcke statt Hosen. Doch sie schweigt. Und schweigt. Viele Jahre. Psychische Probleme sind die Folge. Burnout. Und endlich öffnet sie sich, sagt ihrer Frau die Wahrheit. Doch das war erst der Anfang.
Plötzlich erhöht der Vermieter die Miete
Heute sitzt Eva Freund am Küchentisch ihrer neuen Wohnung in Siegen. Sie lächelt, trägt eine Bluse und eine elegante Kurzhaar-Frisur. So, wie sie viele Frauen tragen. Die Perücke, die sie jahrelang heimlich begleitet hat, ist Vergangenheit. Denn mittlerweile wissen alle Bescheid. „Das ist ein saugeiles Gefühl“, sagt die 61-Jährige. „Endlich hat das Versteckspiel ein Ende. Das ist so eine große Erleichterung.“ Doch das hat seinen Preis. Verwandte und angebliche Freunde wenden sich gegen sie, beschimpfen sie. Manche schlagen Tabletten vor, um „dagegen vorzugehen“. Ihr ehemaliger Vermieter in Olpe erhöht nach ihrem Outing plötzlich die Miete, spricht von einer „Anpassung an den Mietspiegel“. Eine Ausrede, da ist sich Eva Freund sicher. Das Paar kündigt die Wohnung, findet eine neue in Krombach. Sie ist perfekt, wunderschön gelegen – ideal für einen Neuanfang. Doch auch hier stößt sie auf Widerstand. Nach der Vertragsunterzeichnung geht sie auf ihre Vermieter zu, spricht offen über ihre Geschichte. Plötzlich ist von Eigenbedarf die Rede. Aber Vertrag ist Vertrag. Doch das Paar hat keine Lust auf Krieg – und gibt sich mit einer Abfindung in Höhe von 5000 Euro zufrieden. „Das Geld war innerhalb von zwei Tagen auf dem Konto“, erzählt Eva Freund. Sie steht darüber. Sie weiß, was sie geschafft hat. Sie weiß, wie sehr sie dafür gekämpft hat. Und vor allem weiß sie, dass Transgender keine Krankheit ist. Nichts, wofür sie sich schämen müsste.
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In ihrer neuen Wohnung hat es sich das Paar gemütlich eingerichtet. Zusammen mit ihren beiden Hunden. Ein paar Bilder hängen in der Küche an der Wand. Bilder aus einem alten Leben. Peter mit seinen Kindern. Lange ist es her, viel Kummer hat Eva Freund seither erlebt. Aber jetzt ist sie da, wo sie hin wollte. „Ich bin hier als Frau eingezogen“, sagt Eva Freund. „Es ist so ein wundervolles Gefühl, einfach rausgehen zu können, eben wie ich bin. Ohne mich zu verstecken.“ Doch eines fehlt noch: Die Namens- und Personenstandsänderung. Das heißt, Eva möchte ihren Namen auch offiziell in ihrem Personalausweis führen dürfen. Sie möchte, dass das Geschlecht in ihrer Geburtsurkunde angepasst wird. Dafür hat sie nun einen Antrag beim Amtsgericht Dortmund eingereicht – und ist entsetzt. Sie hat sich erkundigt, was nun auf sie zukommt. Gemäß des Transsexuellengesetzes muss sie zwei psychologische Gutachten vorlegen – im Schnitt kostet das Verfahren zwischen 1500 und 2000 Euro. Aber es sind nicht mal die Kosten, die Eva Freund scheut – es seien die entwürdigenden Fragen. Unter anderem seien Fragen nach der Häufigkeit der Masturbation üblich. Oder auch Fragen zur Unterwäsche. Oder ob die Person über Sex mit Tieren nachdenke. Teilweise wird auch von Pädophilie-Tests im Zuge des Verfahrens berichtet. „Was hat das alles bitte mit meinem Geschlecht zu tun?“, fragt Eva Freund entrüstet. „Ich habe richtig Angst davor. Es ist diskriminierend und erniedrigend.“
Den Schritt will sie trotzdem gehen. Sich noch einmal der gesellschaftlichen Stigmatisierung beugen, bevor sie endlich ihr Leben leben kann. Das Leben als Frau Eva Freund. Dann auch endlich offiziell. Nicht nur im Herzen und rein äußerlich. Sondern in allen Dokumenten, die sie bei sich trägt.
Gesetzesänderung im Bundestag abgelehnt
FDP und Grüne hatten sich für ein neues Selbstbestimmungsrecht für transsexuelle Menschen im Bundestag eingesetzt. Eine Änderung des seit 40 Jahren geltenden Transsexuellengesetzes wurde allerdings mit einer großen Mehrheit im vergangenen Monat abgelehnt. Die vorgeschlagene Gesetzesänderung hätte eine Personenstandänderung deutlich vereinfacht, lediglich ein Antrag auf dem Standesamt wäre notwendig gewesen. Daher entscheiden weiterhin die Gerichte über den Antrag, zwei psychologische Gutachter sind notwendig. Betroffene Menschen empfinden das Prozedere herabwürdigend. „Es gibt in der Koalition noch keine gemeinsame Auffassung dazu. Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts sollten mit Rücksicht auf die Art und Weise und die Belastung der Bürger zeitnah umgesetzt werden“, sagt Matthias Heider, Abgeordneter für den Kreis Olpe, auf Anfrage unserer Zeitung. „Das bedeutet allerdings nicht, dass die Beratungen dazu irgendwie abgekürzt oder nur eine bestimmte Art und Weise der gesetzlichen Lösung favorisiert werden kann. Ich rechne damit, dass über diese Frage erst der nächste Deutscher Bundestag entscheiden wird“, so Heider.