Olpe. Naturbelassene Gärten sind gar nicht so einfach. Das weiß Gärtner Thomas Kramer aus Olpe nur zu gut. Wie können sie trotzdem gelingen?

Naturgarten ist ganz einfach – man lässt alles wachsen und fertig. Natürlicher kann man doch nicht gärtnern, oder? Wir können ja mal einen Versuch starten und machen mal fünf Jahre nichts im Garten. Wir mähen nicht, schneiden nichts, beseitigen keine Unkräuter und lassen das Laub da liegen, wo es hinfällt. Mit etwas Kopfkino kann man sich jetzt vorstellen, wie es dann so aussieht im Garten. Ich bin mir sicher, der eine aus dem Kreis Olpe denkt jetzt: „Ok, super Idee, das machen wir. Ich habe mehr Zeit zum Mopedfahren, schaffe ein Refugium für Pflanzen und Tiere und tue etwas gegen das Insektensterben“. Der andere denkt jetzt: „Der Kramer hat einen Knall. Heiße ich Dornröschen oder was? Dann sieht es bei uns ja aus wie bei Hempels unterm Sofa“!

Ja kann ein ordnungsliebender Mensch überhaupt in einem Naturgarten leben? Meine Mutter war so ein ordnungsliebender Mensch. Sie sortierte ihre Bücher nicht nach Themen, Autoren oder Titeln sondern nach Farben. Sah ihrer Meinung nach besser aus. Hätte ich ihr den Versuch vorgeschlagen, fünf Jahre mal nix im Garten zu machen – sie hätte mich garantiert zur Adoption freigegeben. Aber wer von beiden hat jetzt recht? Keiner. Der Naturfreak schafft einen Dschungel, in dem sich nur die Harten und Robusten durchsetzen und der Ordentliche verpasst die Gelegenheit, etwas gegen das Arten- und Insektensterben zu tun und dem Klimawandel entgegenzutreten.

Natur wieder mehr Freiheit geben

Also müssen beide etwas umdenken. Der eine muss den Garten als Naturgarten mit Pflanzen entsprechend ihrer Standortbedingungen anlegen, damit daraus eine funktionierende Gemeinschaft entsteht und der andere muss über seinen Schatten springen und sich von seinen überzogenen Ordnungsvorstellungen lösen. Nur eines ist klar – wenn wir nicht schleunigst anfangen, der Natur wieder mehr Freiheit zu geben, dann geht der Schuss nach hinten los. Wer jetzt sagt: „Was kann ich mit meinem Garten schon tun, um den Prozess des Klimawandels positiv zu beeinflussen“ dem sei gesagt: „In Deutschland gibt es ca. 17 Millionen Gärten mit einer Durchschnittsgröße von 400 m². Das ergibt eine Fläche von 6800 Quadratkilometern und das ist eine Zahl, die durchaus interessant ist. Im Vergleich, der Kreis Olpe hat eine Größe von 710 km² und der Kreis Siegen 1132 km².

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Jetzt gibt es aber keine klaren Regeln, wie ein Naturgarten auszusehen hat. Das ist auch gut so, denn dadurch wird es individuell, kreativ, flexibel und damit einfacher. In der Natur gibt es keine geraden Linien und scharfe Kanten findet man höchstens an felsigem Gestein. Das heißt aber nicht, dass jeder Garten jetzt nur noch aus homogenen Formen bestehen muss. Wer klare Formen lieber mag, der kann seinem Stil treu bleiben und trotzdem lebendige und artenreiche Strukturen schaffen. Dem Insekt ist es egal, ob es in einem runden oder einem eckigen Beet Nahrung findet, Hauptsache es gibt etwas zu futtern. Das gilt auch für runde oder eckige Vogeltränken und Hecken. Hauptsache es gibt Wasser und Möglichkeiten zum Nisten, alles andere ist erst einmal egal.

Für Pflanzen, Tiere und Kleinstlebewesen

Ein naturnaher Garten orientiert sich an der Natur, hat ein breites Spektrum an Bäumen, Sträuchern, Stauden, Kräutern, Gräsern, Zwiebelgewächsen, natürlichen Baustoffen, Wasserquellen und einen Besitzer, der ihn so gestaltet, dass es ein Lebensraum für ihn selbst, für Pflanzen, Tiere und Kleinstlebewesen wird, den alle genießen können. So ein Garten hätte Mama wiederum gefallen und sie hätte bestimmt noch mal über die Adoption nachgedacht. Und das mit den Büchern müssen Sie ja nicht unbedingt weitersagen.

Viel Spaß beim Gärtnern und bleiben Sie fröhlich, Ihr Thomas Kramer