Olpe. Für Dimitrios Kalyvas ist es keine leichte Entscheidung: Er schließt seine Musikkneipe Mythos in Olpe endgültig. Ein Stück Kultur geht verloren.
Auf dem Plattenspieler liegt noch eine Schallplatte von Bob Dylan. Dimitrios Kalyvas setzt die Nadel auf. Es kratzt und knistert. „Lange nicht gespielt“, sagt der Inhaber der Musikkneipe Mythos in Olpe. Mit einem Schwämmchen befreit er die Platte vom Staub und dreht die Lautstärke auf. Das Stück heißt „Hurricane“. Wie oft hat der amerikanische Sänger die Olper Kultkneipe mit seiner Stimme gefüllt. Während Menschen an der Theke saßen, Bier trank und feierten. Wie oft haben dort Bands gespielt. Während die Menschen dicht an dicht gedrängt gelauscht haben, getanzt haben. Doch das ist nun vorbei. Die Musikkneipe schließt. Für immer. „Ende, sie gibt es nicht mehr“, sagt Dimitrios Kalyvas. „Aber so ist das Leben.“
Dimitrios Kalyvas räumt auf. Nach und nach wird alles in Kisten verschwinden. Die Bilder von Jimi Hendrix, Klaus Kinski oder John Lennon. Das alte Telefon mit der Wählscheibe hinter der Theke. Die Jim Beam- und Rumflaschen. Die Zapfanlage. Und natürlich die tausenden Schallplatten und CDs, die sich über die Jahre angesammelt haben. „Die nehme ich alle mit“, sagt Dimitrios Kalyvas. „Ich glaube, auch das Schild draußen behalte ich.“ Die Theke leerzuräumen – das wird der schwerste Moment für ihn werden. Dort hat er so viele Stunden verbracht. Die letzten 18 Jahre. Stunden der Geselligkeit. Der Freude. Mit guter Musik. Bis in die frühen Morgenstunden wurde getanzt, gelacht, getrunken. „Aber so wird es nie wieder sein“, sagt Dimitrios Kalyvas. „Realisiert habe ich es noch nicht richtig.“
Mythos war mehr als eine Kneipe. Es war ein Zuhause. Für Musikliebhaber. Liebhaber von Blues, Interpreten der 70er oder 80er Jahre. Aber auch für Menschen, die einfach nur die Gesellschaft suchten. Das unbeschwerte Miteinander. Die Gespräche. „Das werde ich am meisten vermissen“, sagt Dimitrios Kalyvas. „Das war auch mein Ziel damals, als ich angefangen habe. Die Menschen und die Musik zusammenzubringen.“
Gäste waren keine Gäste. Sie waren Freunde. Schon fast Familie für Dimitrios Kalyvas. Eine große Gemeinschaft, die immer wiederkam. Unter dem Blick von Dionysos, dem Gott des Weines und des Rausches. Das Bild hängt an der Wand der Kneipe. Die Menschen feierten, wenn eine der lokalen Bands spielte. Oder wenn Musikgruppen von weit her anreisten. „Einmal war eine Band aus Schottland hier und ich stand draußen und fragte mich, was erlebe ich hier gerade?“, erzählt er. „Das war so eine unglaubliche Atmosphäre. Die Leute waren wie im Rausch.“
Seit 2020 ist Mythos fast nur noch geschlossen
Früher gab es viele Musikkneipen. Mit den Jahren sind es immer weniger geworden. Dann kam Corona. Seit 2020 ist Mythos fast nur noch geschlossen. Anders geht es nicht. Die Zeit, in der die Menschen dicht an dicht gedrängt bis zur Tür standen sind vorbei. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass das nach Corona noch mal so wird“, erklärt Dimitrios Kalyvas seine Entscheidung, Mythos endgültig zu schließen.
„Ich habe das Gefühl, dass ich mit so einem Konzept nicht mehr existieren kann.“ Seit wenigen Wochen steht sein Entschluss. Es fällt ihm verdammt schwer. Auch mit Blick auf die Reaktionen der Menschen. Leute, die ihn anrufen oder schreiben, es kaum fassen können. Denn mit dem Abschied von Mythos geht in Olpe ein Stück Kultur und Gemeinschaft verloren.
Wie es für ihn weitergeht, weiß Dimitrios Kalyvas noch nicht. Er will erstmal runterkommen, Pause machen, ein bisschen abschalten. Dann will er sich neu orientieren. Vielleicht hat er jetzt mehr Zeit, mit seinem VW-Bus zu reisen. Aber zunächst muss er weiter aufräumen. Dort, wo die Musikbühne war, stehen nun Tische und Stühle gestapelt. Kisten sind gepackt. Das Schild „Biergarten“ liegt oben auf einer Kiste. „Das Leben ist jetzt“, sagt Dimitrios Kalyvas mit Blick in die Zukunft. „Das Wichtigste ist, zu leben und im Herzen jung zu bleiben.“