Kreis Olpe. Die Chancen, dass Nezahat Baradari (SPD) aus Attendorn wieder in den Bundestag einzieht, stehen schlecht. Kehrt sie danach zurück in ihre Praxis?

Ihr Online-Pressegespräch nutzte die SPD-Bundestagsabgeordnete Nezahat Baradari aus dem Kreis Olpe zu einem entschiedenen Plädoyer für Olaf Scholz, dem Kanzlerkandidaten ihrer Partei. Zwar weiß die vor mehr als zwei Jahren in den Bundestag nachgerückte Baradari, dass der amtierende Finanzminister für nicht wenige „den Charme eines Buchhalters“ versprüht. Aber privat, versicherte die in Attendorn lebende Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin, sei der ehemalige Bürgermeister der Hansestadt Hamburg ganz anders.

Die 1965 in der Türkei geborene SPD-Politikerin beschrieb den Mann, der nach Angela Merkel ins Bundeskanzleramt in Berlin einziehen will, als „einen sehr liebenswürdigen und humorvollen Menschen“. Nezahat Baradari: „Privat ist er ganz anders, da lacht er gerne.“

Auf Nachfrage unserer Zeitung betonte die SPD-Bundestagsabgeordnete, die für die Wahl am 26. September auf der NRW-Landesliste wenig chancenreich nur auf Platz 26 abgesichert ist, dass für sie Olaf Scholz auch deswegen der richtige Kanzlerkandidat ist, weil der 62-Jährige mit seiner langen Regierungserfahrung „Deutschland zusammen mit der Kanzlerin mit ruhiger Hand durch die Krise führt.“

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Nach dem Motto „Tue Gutes und sprich darüber“ forderte Baradari die Sozialdemokratie auf, ihre eigenen Erfolge in der Regierungspolitik stärker herauszustellen. „Ohne die SPD in der Regierungsverantwortung wäre dieses Land woanders“, ist die Gesundheitsexpertin überzeugt. Noch sei ihre Partei aber zu zaghaft und nicht angriffslustig genug. Als Beispiel, wie man auch im schwarzen Sauerland Wahlen gewinnen kann, nannte sie ihre Heimatstadt Attendorn. „Die SPD kümmert sich hier und guckt in die Zukunft“, lobte die zweifache Mutter die „Bürgernähe“ ihrer Partei in der Hansestadt.

Kritik an Baerbock und Laschet

Wenige Monaten vor der Bundestagswahl war Nezahat Baradari nach eigenen Worten schon „im Wahlkampfmodus“ und teilte in Richtung CDU und Grüne aus. Für Annalena Baerbock, die junge Kanzlerkandidatin von Bündnis 90/Die Grünen, freute sich die SPD-Kollegin zwar als Frau. Aber eine Kanzlerin Baerbock „am Tisch sitzend mit Putin“, wenn es etwa um die Krim-Krise geht: Das kann sich Baradari nicht vorstellen. „Deutschland kann sich nicht enthalten“, kritisierte sie in Richtung der Grünen.

Aber auch der CDU-Bundesvorsitzende und Kanzlerkandidat Armin Laschet bekam sein politisches Fett weg. Der Noch-Ministerpräsident von NRW habe mit seinen Skandalen zu kämpfen und müsse zudem die Aufstellung des umstrittenen Hans-Georg Maaßen in Thüringen zum CDU-Bundestagskandidaten erklären.

Ausweichend nahm die Anfang 2019 in den Bundestag nachgerückte SPD-Abgeordnete Stellung zu ihrer eigenen politischen Zukunft. „Ich kämpfe bis zur 90. Minute. Abgerechnet wird am Wahltag.“ Und da ist die Attendornerin überzeugt, sich nicht verstecken zu müssen. Klappt es nicht mit dem Wiedereinzug in den Bundestag, hat die Kinder- und Jugendärztin ja noch ihre Praxis in Attendorn, die zurzeit von einem Kollegen geführt wird. „Ich habe einen ordentlichen Beruf gelernt“, schmunzelte die Frau mit dem SPD-Parteibuch.

Wird Südwestfalen benachteiligt?

Nezahat Baradari ist stolz darauf, „in der industriestärksten Region in Nordrhein-Westfalen“ zu leben. Nur habe sich das bis nach Berlin noch nicht herumgesprochen. „Das bedaure ich sehr“, betonte die Bundestagsabgeordnete. Baradari warnte davor, dass Südwestfalen gegenüber hochsubventionierten Regionen benachteiligt werde – mit der Gefahr, dann abgehängt zu werden. Deshalb gehöre die neue Wasserstofftechnologie auch nach Südwestfalen.

Zeit für die Familie bleibt der Wahlkämpferin wenig. Als Nezahat Baradari mit ihren beiden Töchtern vor kurzem einen Spaziergang am Biggesee machte, klingelte fast pausenlos das Telefon. „Da habe ich von meinen Töchtern einen Rüffel bekommen“, berichtete die gelernte Medizinerin mit einem Augenzwinkern.

Hintergrund: Abgeordnete für Olpe und MK

Nezahat Baradari vertritt im Deutschen Bundestag für die SPD den Wahlkreises Olpe – Märkischer Kreis I (Kreis Olpe und der südwestliche Teil des Märkischen Kreises mit den Städten und Gemeinden Halver, Herscheid, Kierspe, Lüdenscheid, Meinerzhagen und Schalksmühle).

Im Kreis Olpe ist sie vor allem dann gerne gesehen, wenn sie als „Überbringerin guter Nachrichten“ kommt. So gibt es 1,35 Millionen Euro aus dem Bundeshaushalt für den Attendorner Bürgerpark unterhalb der Stadthalle, der zum Stadtjubiläum 2022 fertig sein soll.