Kreis Olpe. Johannes Vogel ist seit 2014 Vorsitzender der FDP im Kreis Olpe. Am nächsten Wochenende kandidiert er für den stellvertretenden Bundesvorsitz.

Trotz einer landes- und bundespolitischen Karriere ist Johannes Vogel bis heute Vorsitzender der FDP im Kreis Olpe geblieben. Nachdem er 2014 Generalsekretär der NRW-FDP wurde und seit 2017 erneut in den Bundestag einzog, schickt er sich nun an, am nächsten Wochenende für das Amt des Stellv. Bundesvorsitzenden zu kandidieren. Uns stand er im Interview Rede und Antwort.

Herr Vogel, eine Frage vorweg. Sind Sie von Corona verschont geblieben?

Johannes Vogel: Nein, ich hatte es im September, mit allem, was dazugehört. Es war nie gefährlich, aber zwei Wochen war ich richtig ausgeknockt: Fieber, Kopfschmerzen, Geschmacksverlust.

Die FDP greift gerade den Ruf nach mehr Freiheit auf und fordert Corona-Lockerungen. Profiliert sich die FDP als die Öffnungspartei?

Wir profilieren uns vor allem als Partei der Vernunft. Wir brauchen in dieser Corona-Krise eine verantwortungsvolle Opposition zur Bundesregierung. Das heißt für mich, das Virus sehr ernst zu nehmen und entschlossen Maßnahmen zu unterstützen, aber eben auch zu fragen, ob die Maßnahmen wirksam und verhältnismäßig sind. Die Ausgangssperre ist es nicht. Deshalb gehen wir seriös und abgewogen dagegen vor. Und genauso müssen wir die Möglichkeiten der Innovation durch Testung nutzen, aber auch die Aerosolforscher ernst nehmen, die sagen: Draußen ist besser als drinnen.

Halten Sie es für besser, wenn mit Tests eingekauft werden dürfte?

Es kommt darauf an, wie das aktuelle Pandemiegeschehen ist. Aber dass wir Tests nutzen, um Dinge zu ermöglichen, die ohne nicht möglich sind, ist das Wesen von: Wir werden besser und schneller im Umgang mit der Pandemie, auch schlauer. Zudem hilft ein Testanreiz, asymptomatische Fälle zu entdecken. Dazu kommt endlich der Impffortschritt, so dass darauf aufmerksam gemacht werden muss: Das Grundgesetz gilt auch während der Pandemie.

Also keine Angst, Treiber der nächsten Infektionswelle zu werden?

Nein. Es geht darum, uns aus der Pandemie herauszubringen. Wir sind für alle wirksamen und verhältnismäßigen Maßnahmen. Als Teil der NRW-Landesregierung haben wir das unterstützt, oft selbst Beschränkungen angeordnet, etwa sehr früh sehr strenge Kontaktbeschränkungen. Für mich ist das Impfen der zentrale Hebel, der Weg heraus aus der Pandemie. Das treibe ich aus Überzeugung voran, nicht nur als Bundestagsabgeordneter, sondern auch als ehrenamtlicher Teamleiter in einem Impfzentrum, wo ich an freien Tagen oder an Wochenenden aushelfe, wenn ich kann.

Halten Sie es für richtig, dass Geimpfte mehr Rechte erhalten als Ungeimpfte?

Ja. Eine Partei wie die FDP, die die Bürgerrechte im Herzen trägt, muss darauf hinweisen, dass die Einschränkung von Grundrechten nur solange zu rechtfertigen ist, wie von den Menschen eine Gefahr ausgeht. Das ist nach Stand der Wissenschaft bei voll Durchgeimpften nicht der Fall. Dann müssen Grundrechte wieder in Kraft gesetzt werden.

Was ist für Sie wichtiger: Gesundheit oder Freiheit?

Das ist ein Schein-Gegensatz. Ohne Gesundheit keine Freiheit. Aber man darf nicht so tun, als gäbe es in unserer Verfassung ein Super-Grundrecht. Es gibt mehrere, die wir immer alle schützen und miteinander abwägen müssen.

In Umfragen nimmt die FDP durchweg die 10-Prozent-Marke. Ab wieviel Prozent bei der Bundestagswahl können wir einen strahlenden Johannes Vogel am Wahlabend sehen?

Es wäre in jedem Fall ein großer Erfolg, wenn wir es schaffen, das erste Mal in der Geschichte der FDP zweimal hintereinander bei Bundestagswahlen ein zweistelliges Ergebnis zu erzielen.

Und wann sehen wir sie vor Freude hüpfen?

Wenn wir noch kräftig darüber hinausgehen. Auf konkrete Zahlen lasse ich mich nicht festlegen. Ich glaube aber, wir können deutlich zulegen, weil es viele Bürgerinnen und Bürger gibt, die für eine moderne, liberale Partei erreichbar sind. Weil es ungeheuer viel zu tun gibt in ganz wichtigen Fragen wie Digitalisierung, Demografie, Dekarbonisierung. Wettbewerb mit China. Da hängen wir überall hinten dran.

Die Grünen und die FDP - nach der letzten Bundestagswahl führten die Koalitionsgespräche beide Parteien in die Opposition. Regieren ohne die Grünen scheint aber unmöglich. Wie soll das zusammen passen?

Die neue Normalität ist die Volatilität. Und bis zur Bundestagswahl sind noch fünf Monate.

Also Sie rechnen mit kräftigem Auf und Ab?

Ja. Warten wir mal ab, die CDU hat noch nicht mal ein Wahlprogramm. In NRW haben wir mit einem tollen Wahlkampf etwas erreicht, womit niemand gerechnet hatte, eine Zweier-Koalition mit der CDU. Vor der Wahl reden wir nur über Inhalte, danach über Koalitionen.

Also nicht undenkbar, wieder auf der Oppositionsbank zu landen?

Mitgestalten macht nur Sinn, wenn sich genug in die richtige Richtung mitgestalten lässt. Unfug machen wir nicht mit.

Also keine Regierung mit der FDP auf Teufel komm’ raus.

Nein. Wir wollen gestalten. Es gibt unglaublich viel zu tun. Auch mit Blick auf Marktwirtschaft und Unternehmertum beispielsweise hier im Sauerland. Denen darf man keine Steine in den Weg legen. Aber wir treten nicht für Dienstwagen in eine Regierung ein, sondern nur für inhaltliche Projekte.

Welches war aus Ihrer Sicht bisher der größte Fehler der Bundesregierung in der Pandemie?

Es gab leider nicht nur einen Fehler, aber der größte war, dass die Regierung nicht rechtzeitig ausreichend Impfstoff bestellt hat. Es ist wichtig, aus Fehlern zu lernen. Absehbare Versäumnisse holen einen in der Politik irgendwann ein. Das galt und gilt beispielsweise bei der Digitalisierung. Wir wissen seit Jahren, dass wir bei diesem Thema als Nation hinten dranhängen, und plötzlich realisieren wir, dass es um Leben und Tod geht, wenn in manchen Gesundheitsämtern noch Faxe verschickt werden.

Gibt es weitere Themen in diesem Kontext?

Jede Menge. Nehmen wir unser Rentensystem. Der demografische Wandel wird in der nächsten Legislaturperiode konkret. Die geburtenstarken Jahrgänge kommen dann ins Rentenalter. Wir müssen mehr in Jahrzehnten denken und nicht nur bis zum Ende der Legislaturperiode.

Mit der FDP müssen wir also bis 70 oder noch länger arbeiten?

Nein. Wir schlagen schon seit vielen Jahren ein moderneres System vor. Die Skandinavier machen es vor, mit einem flexiblen Renteneintritt. Wer früher in Rente geht, bekommt weniger, wer später geht, mehr. Das ist fair. Aber jede und jeder kann selbst entscheiden. Das Wichtige ist, dass das gesamte Rentensystem in der Substanz reformiert wird.

Was heißt das konkret?

Unser Vorschlag ist eine Gesetzliche Aktienrente. Wie bei den Schweden. Wir bauen einen Non-Profit-Fonds auf, der dafür sorgt, dass die Staatsfinanzen stabil bleiben, die Rentenfinanzen stabil bleiben und das Rentenniveau wieder steigt.

Gestützt durch Aktienfonds?

Durch langfristiges Investment, durch einen öffentlichen Fonds, der für sich selbst keinen Profit erwirtschaften muss, der aber von Profis gemanagt wird und dafür sorgt, dass alle Bürgerinnen und Bürger zu globalen Unternehmensanteils-Eignern werden.

Was haben Sie persönlich während der Lockdowns am meisten vermisst?

Meine Eltern zu umarmen, die ich ohne Impfung nicht gefährden wollte, Freunde zu sehen, aber mindestens genauso stark das Reisen. Das fehlt mir unglaublich.

Wohin soll es gehen?

Ich habe mit meiner Frau schon darüber geredet, und außerhalb Deutschlands machen wir vermutlich als erstes einen Städtetrip nach Porto. Da waren wir schonmal ein Jahr vor der Pandemie und haben uns in die Stadt verliebt.

Sie sind seit 2014 Vorsitzender der FDP im Kreis Olpe, was hat Sie mal nach Olpe verschlagen, wo sie mehrere Jahre auch gelebt haben?

Ich bin 2009 für die Bundestagskandidatur nach Olpe gekommen, habe mich dort beworben, die Menschen in Berlin zu vertreten. Und darüber ist mir die Region zur politischen Heimat geworden.

Welches ist die schönste Gegend im Kreis Olpe?

Das ist eine Fangfrage.

Ja natürlich.

Also, wenn ich eine freie Minute habe und den Kreis in seiner Schönheit genießen will, fahre ich zur Staumauer in Attendorn und laufe da rum. Ich genieße diese Aussicht.

Wann schafft es die FDP im Kreis Olpe, mal über die 10 oder sogar 15 Prozent-Marke zu kommen, mit einer Anti-Windkraft-Kampagne?

Ich glaube, dass sich das Parteiensystem insgesamt wandelt in Richtung drei bis vier mittelgroße Parteien. Im Kreis Olpe ist die CDU traditionell stärker als andernorts. Mit Einzelthemen können wir da wenig bewirken. Es hilft eher, darauf hinzuweisen, dass die CDU in Berlin die Grundlagen der sozialen Marktwirtschaft nicht ausreichend verteidigt und bei der Rente linken Quatsch mitgemacht hat, um nur ein Beispiel zu nennen. Und wer das nicht will, für den haben wir ein Angebot. Im Kreis Olpe war die FDP, wenige Jahre, bevor ich hierherkam, Entwicklungsgebiet. Jetzt haben wir über 100 Mitglieder. Es ist ein Dauerlauf, aber wir kommen Kilometer für Kilometer voran.

Wenn Sie für ein Jahr König von Deutschland wären, also uneingeschränkte Handlungsvollmacht hätten, was würden sie anpacken bzw. verändern?

Ich würde dafür sorgen, dass der Bund uneingeschränkt die Bildung als eine der wichtigsten politischen Aufgabe unterstützen und die Schulen noch besser machen kann, als sie es sind. Das ist ein Grundfehler in der Konstruktion unseres Staatswesens, dass der Bund als finanziell stärkste Ebene für die wichtigste politische Aufgabe nur sehr eingeschränkt zuständig ist.

Der 72. Bundesparteitag der FDP steht vor der Tür, und Sie möchten einer von drei stellvertretenden Bundesvorsitzenden werden. Wann dürfen sich die Freien Demokraten im Kreis Olpe darüber freuen, dass ihr Kreisvorsitzender Bundesvorsitzender wird?

Wir haben einen großartigen Bundesvorsitzenden. Ich habe Lust, im Team um Christian Lindner noch mehr Verantwortung zu übernehmen und deshalb kandidiere ich für das Amt des stellvertretenden Bundesvorsitzenden.

Wer ist das momentan?

Nicola Beer, Wolfgang Kubicki und Katja Suding. Und Katja Suding hat erklärt, dass sie nicht wieder antritt, deshalb bewerbe ich mich.

Zur Person

Johannes Vogel (39) ist in Wermelskirchen geboren, studierte Politik, Geschichte und Völkerrecht an der Uni Bonn und schloss 2009 mit dem Magister Artium ab. Fünf Jahre lang führte er die Jungen Liberalen als Bundesvorsitzender an, 2009-2013 war er Mitglied des Deutschen Bundestags für den Wahlkreis Olpe. Seit 2014 ist er Generalsekretär der FDP NRW.

Zur Bundestagswahl 2017 kandidierte Vogel erneut im Wahlkreis Olpe/Märkischer Kreis I und ist seitdem Mitglied des 19. Deutschen Bundestages.