Attendorn. Am Sauerländer Dom in Attendorn stoßen die Archäologen nicht nur auf Skelette, sondern vor allem auf spannendes Mauerwerk und einen Brunnen.

Bei den laufenden Ausgrabungen rund um St. Johannes Baptist, besser bekannt als Sauerländer Dom in Attendorn, haben die Archäologen einige interessante und bedeutsame Funde aus dem Mittelalter gemacht. Neben einer Vielzahl an Skeletten entdeckte das Team von Grabungsleiter Sebastian Luke altes, noch gut erhaltenes Mauerwerk, das die Experten als „kleine archäologische Sensation“ betiteln. „Wir waren elektrisiert, als wir auf die Mauern gestoßen sind. Zu welchen Gebäuden sie gehörten, ist noch ein großes Fragezeichen“, erklärt Dr. Eva Cichy von der archäologischen Außenstelle des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) in Olpe am Mittwochmittag bei einem Vor-Ort-Termin.

Nicht weniger euphorisch ist Sebastian Luke, der die nicht alltäglichen Funde mit „einer Zeitkapsel, die gut erhalten im Boden geblieben ist“, vergleicht. Klar ist: Die keramischen Funde werden Aufschlüsse darüber geben, wie der Platz am Dom vor Jahrhunderten ausgesehen hat.

5000 bis 6000 Gräber

Erwiesener Maßen wurden an der Kirche inmitten der Attendorner Innenstadt die Toten begraben, auf einem kommunalen Friedhof, der erst Anfang des 19. Jahrhunderts aufgegeben wurde. Hochrechnungen der Fachfirma haben ergeben, dass sich hier zwischen 5000 und 6000 Gräber befinden müssen. „Wir wussten, dass Menschen hier bestattet wurden. Die Masse hat uns aber überrascht“, erklärt Cichy. Eine wesentliche Erkenntnis: Die Toten sind damals „pietätvoll begraben worden“, wie es Sebastian Luke nennt.

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So haben die Experten beispielsweise die menschlichen Überreste einer erwachsenen Personen freigelegt, die ein kleines Kind im Schoß hält. Klar ist laut Eva Cichy auch, dass es mehrere Phasen der Bestattungen gegeben haben muss – das erschließe sich aus den Anordnungen der Skelette im Boden. Pilgermuscheln, die früher bei Bestattungen mit ins Grab wanderten, und ähnliche Schmuckstücke fanden die Archäologen am Dom nicht, maximal noch alte Sargnägel.

Viel spannender als die Skelette seien laut der LWL-Spezialistin die Mauerreste, die rund um den Chorraum der Kirche, die in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts erbaut wurde (der Turm ist älter), zu Tage getreten sind. Dazu zählen eine alte, 1,35 Meter breite Treppenanlage mit fünf Stufen sowie eine große Türangel. „Es deutet vieles darauf hin, dass hier ein stattliches Gebäude gestanden hat“, betont Sebastian Luke und Stadtarchivar Otto Höffer ergänzt, dass es sich hierbei um ein altes Pfarrhaus gehandelt haben könnte. Das seien allerdings nur Vermutungen.

Grabungsleiter stammt sogar aus Attendorn

Der Platz zwischen Dom und Museum soll komplett neu gestaltet werden, als Grundlage dient das Innenstadtentwicklungskonzept. Seit geraumer Zeit laufen die Tiefbauarbeiten.

Grabungsleiter Sebastian Luke stammt gebürtig aus der Hansestadt und hat hier auch sein Abitur gemacht.

Grabschändungen hat es bislang zum Glück nicht gegeben.

Überhaupt hält sich Höffer bei der historischen Einordnung der Funde zurück, denn: „Wir haben bislang nur Funde, aber noch keine Ergebnisse. Was ich sagen kann: Bei den Kirchengrabungen im Jahr 1974, bei denen ich als Jugendlicher dabei war, haben wir ähnliche Mauern gefunden wie jetzt.“ Damals wurde in der Kirche ein kleiner Graben für eine neue Heizung gebaut, dabei stießen die Archäologen auf die Überreste von drei Vorgängerbauten der heutigen Kirche.

Führt die Spur zum Stadtbrand aus 1256?

Entdeckt haben die Experten in den vergangenen Wochen auch einen alten Brunnen, umgeben von einer rötlichen Brandschicht. Ein Indiz dafür, dass es an dieser Stelle vor Jahrhunderten gebrannt haben muss. Gefunden hat das Team von Sebastian Luke zudem Scherbenreste, die möglicherweise sogar zum ersten großen, nachgewiesenen Stadtbrand aus dem Jahr 1256 führen könnten. Nicht zu vergessen die Überreste einer alten Kapelle, die sich direkt an der Straße Am Kirchplatz befand. Vielleicht entdecken die Spezialisten hier noch altes Gewölbe.

Die bedeutsamen Funden werden nun nach und nach archiviert und gehen in den Besitz des Landschaftsverbandes über. Möglicherweise dienen sie später als Grundlage für eine Doktorarbeit. Das hofft zumindest Dr. Eva Cichy. Und auch Tiefbauamtsleiter Michael Koch wäre nicht abgeneigt, weiß er doch, dass „wir hier am Sauerländer Dom wissenschaftliche Erkenntnisse gewinnen können, die für uns in Attendorn sehr wichtig sind.“