Attendorn. Seit Jahren wird das Schnellenberger Hospital in Attendorn sich selbst überlassen. Anwohner bedauern das. Ein Lost Place mit langer Geschichte.
Namenlose Klingelschilder zeugen davon, dass schon lange niemand mehr hier wohnt. Spinnweben hängen darüber und ziehen sich bis zum oberen Rahmen der Tür. Sie ist verschlossen, mit einer Platte zugenagelt. Die Farbe ist abgesplittert. Blattloser Efeu hat den Eingang in Beschlag genommen. Verlassen. Verwahrlost. Mitten in Attendorn.
Seit Jahren passiert – nichts
„Es ist wirklich schade und traurig, dass es so verfällt“, sagt ein vorbeigehender Spaziergänger. Das ehemalige Schnellenberger Hospital habe einen hohen Stellenwert in der Stadtgeschichte. „Keiner in Attendorn versteht, warum damit so umgegangen wird. Man könnte daraus doch vielleicht ein Café machen mit einer schönen Terrasse“, meint der Anwohner und zeigt auf die wild wuchernde Rasenfläche. Aber nichts passiere, seit Jahren nicht. Die Eigentümer, die Freiherren von Fürstenbergs, würden sich einfach nicht darum kümmern. Sowohl telefonisch als auch schriftlich sind sie nicht für die Redaktion erreichbar. Warum überlässt man das Gebäude sich selbst? Keine Antwort.
Der Zerfall nagt überall. Aus der Steintreppe sind Brocken herausgebrochen. Moos hat sich an den Kanten abgesetzt. Verdörrte Efeu-Ranken liegen über den Stufen, werden zu Stolperfallen. Das kleine Fenster im Untergeschoss an der linken Außenwand wurde eingeschlagen. Einige Splitter hängen noch im Rahmen, die meisten liegen auf der schmalen Fensterbank oder sind zu Boden gefallen.
Schnellenberger Hospital in Attendorn wird zum Lost Place
Hinter der zerbrochenen Scheibe ist ein Raum, der mal ein Keller gewesen sein könnte. Oder vielleicht auch mehr? Der Blick fällt auf eine Stehlampe, erstaunlich gut erhalten. Keine Löcher oder Risse an dem cremeweißen Lampenschirm mit braunen Fransen. Der Fuß ist mit einer zentimeterdicken Staubschicht bedeckt. Dahinter: ein Sideboard aus dunklem Holz. Vergilbte und zerknüllte Zeitungsseiten liegen darauf. Die Schubladen sind aufgerissen, die Schranktüren stehen offen. Alles leer. Als ob jemand hektisch etwas gesucht hat. An der Wand sind Leisten und Bretter angelehnt. Kalte Luft kommt einem entgegen. Es riecht feucht, irgendwie modrig.
Trümmer der verbrannten Gartenhütte
1745 als Armenhaus errichtet
Grundlage des Hospitals ist die Fürstenbergsche Armenstiftung, die von dem kurkölnischen Verwaltungsbeamten Caspar von Fürstenberg im 17. Jahrhundert ins Leben gerufen wurde. „Dessen Bruder – Dietrich von Fürstenberg – war Bischof von Paderborn“, erklärt Otto Höffer, Stadtarchivar der Stadt Attendorn. Ein erstes Armenhaus wurde bereits im 17. Jahrhundert in der Stadt Attendorn errichtet. „Weil das aber 1710 und 1737 abgebrannt ist, hat man sich dazu entschlossen, das Hospital innerhalb der Stadt nicht wiederaufzubauen. Sondern etwas außerhalb“, so Höffer. So wurde 1745 das Hospital zwischen der Stadt und der Burg Schnellenberg erbaut. Zu der Zeit gab es in dem Gebäude zwölf feste Wohnplätze für ehemalige Mitarbeiter der Familie Fürstenberg, die aus Alters- und Gesundheitsgründen nicht weiter arbeiten konnten. „Diese Mitarbeiter hatten also die Möglichkeit, auf Kosten der Familie Fürstenberg ihren Lebensabend dort zu verbringen. Es ist praktisch eine frühe Form der Sozialversicherung gewesen“, fasst Höffer zusammen. Auch die Franziskaner kamen im Schnellenberger Hospital unter, als 1783 die Stadt Attendorn mitsamt der Klosterkirche abbrannte. Bis 1809 lebten sie hier. Der bis heute sichtbare charakteristische Turm gehörte zu einer kleinen Kapelle, die für die Franziskaner errichtet worden war. Bis etwa 1920 war das Haus eine Art Zufluchtsort für Schutzsuchende. Danach wurde es an Privatpersonen vermietet. „Irgendwann – vor vielleicht zehn Jahren – wurde dann die Entscheidung gefällt, das Haus zu räumen. Vor dem Hintergrund eines geplanten, großflächigen Umbaus – so ist zumindest mein Wissensstand“, verrät Höffer. Passiert ist seitdem aber – nichts.
Auf der gegenüberliegenden Seite des Gebäudes führt ein provisorischer Weg bis hinunter zum Biggeufer. Teile des Holzzauns, der an den Schnellenberger Weg grenzt, sind ausgerissen und liegen über den Rasen verteilt. Weiter unten stapeln sich verkohlte Trümmer. Die Überbleibsel einer Gartenhütte, die Ende Juni 2020 in Flammen stand. Die Kripo nahm damals die Ermittlungen zur Brandursache auf; ein Fremdverschulden konnte nicht festgestellt werden.
Zwischen der verbrannten Hütte und dem Hang zum Biggeufer verläuft eine ebene Rasenfläche. Hier gelangen neugierige Besucher zur Rückseite des Hospitals. Eine rostige Leiter liegt auf dem Boden und ragt in eine Art Unterschlupf hinein. Vielleicht wurde hier früher Holz gelagert. Eine blaue Regentonne wurde unter das geöffnete Sprossenfenster gestellt. Zufällig? Bestimmt nicht. Wer auf die Tonne klettert, dem schlägt wieder dieser feuchte Geruch entgegen. Man sieht: ein verstaubtes Sofa, darauf ein Schreibtischstuhl. An der Wand gegenüber ist ein Holzkreuz angelehnt, vielleicht zwei Meter groß. Zurückgelassen, vergessen. Unheimlich. Spannend.