Bilstein. Der frühere Nachtclub „Schneewittchen-Bar“ in Lennestadt-Bilstein ist nun Geschichte. Erinnerungen an ein umstrittenes Etablissement.
Es war eins der schillerndsten Gebäude in Lennestadts Burgort, obwohl es weder Denkmalstatus hatte noch in der Liste der Sehenswürdigkeiten auftauchte: das Haus Nummer 10 am Birkenweg. Obwohl einige Gäste die Sache mit den Sehenswürdigkeiten – bezogen auf die Bewohnerinnen – möglicherweise etwas anders beurteilen werden. Ob mit dem Namen des Nachtclubs im Erdgeschoss, der „Schneewittchen Bar“, die Attraktivität des Service-Personals gemeint war oder vielleicht doch ein märchenhaft schöner Aufenthalt suggeriert werden sollte, bleibt ebenfalls eine Frage der Interpretation.
Seit einigen Tagen nun existiert das Etablissement nicht mehr. Der Abrissbagger hatte mit den alten Gemäuern leichtes Spiel. Die Geschichten und Anekdoten, die sich um das Haus ranken, werden aber auch den geplanten Neubau an dieser Stelle zumindest noch einige Zeit überdauern.
Jedenfalls hatte früher jeder Taxifahrer in Lennestadt und Umgebung die Adresse Birkenweg Nummer 10 in Bilstein abgespeichert. Wenn in der Kneipen-Gastronomie zu späterer Stunde die Lichter ausgingen, dann gingen bei Schneewittchen die roten, später blauen Lämpchen erst an und aus allen Richtungen rollten Taxis mit männlichen Gästen heran, die den Abend bzw. die Nacht noch mit einem besonderen „Absacker“ beenden wollten.
Mitten in Wohngebiet
Ein Phänomen war, dass es trotz des regen Verkehrs am Birkenweg nur selten zu Auseinandersetzungen kam, wie man es bei einem Etablissement dieser Art eigentlich vermuten könnte. „Es war eigentlich immer ruhig da oben, viel war da nicht“, erinnert sich Heinz Schulte, damals in Diensten der Lennestädter Ordnungsbehörde. „Wir hatten das ganz gut im Griff und die Konzessionsinhaber wollten auch keinen Ärger mit den Nachbarn“, sagt auch Kollege Ludwig Sprenger.
Pension – Diskothek – Nachtclub
Das Haus war zunächst eine der vielen Pensionen im Ferienort Bilstein. Später kam die Gaststätte „Bilsteiner Hof“ dazu.
Seine Blütezeit hatte das Haus in den 70er Jahren, als ein Gastronom aus Hilchenbach die Immobilie erwarb und mit dem Tanzlokal „St. Tropez“ hier eine der ersten Diskotheken in der Region überhaupt eröffnete. Später kam im Erdgeschoss der „Nachtclub“ dazu, der zunächst als „Orchideebar“, später als „Schneewittchen-Bar“ firmierte. Das Tanzlokal wurde später aufgegeben.
Auf dem Grundstück soll nach Auskunft der Stadt ein neues Haus mit neun Wohneinheiten errichtet werden.
Gemeinsame Kontrollen von Stadt, Polizei und Gesundheitsamt gab es oft, sonst wäre der nächtliche Betrieb mitten im Wohngebiet wohl auch nicht solange geduldet worden und die Nachbarn wären irgendwann doch auf die Barrikaden gegangen.
Die Damen, die mit ihren Reizen nicht geizten, hatten in der Blütezeit der Bar zumeist die rheinischen Metropolen Düsseldorf oder Köln in ihrem Pass stehen, erinnert sich Ludwig Sprenger.
Blaulicht im Rotlicht-Milieu war also die Ausnahme, dennoch es gab auch einige größere Polizeieinsätze am Birkenweg. So stürzte in den 70er Jahren eine Bardame aus unerfindlichen Gründen aus einem Fenster der oberen Stockwerke. Angeblich aus Liebeskummer. Zeugen gab es keine, denn ein weiteres Phänomen von Birkenweg Nummer 10 war: Viele kannten die Adresse, aber kaum jemand will je dagewesen sein.
Gepanschter Champagner
Der Fenstersturz war genauso ein Thema für die Boulevard-Presse wie die Anzeige gegen einen im Kreis Olpe bekannten Unternehmer, der in den 90er-Jahren seine Rechnung in der Bar nicht zahlen wollte. Er habe für die Bardamen teuren Champagner bestellt, die Damen aber hatten sich selber Mineralwasser eingeschenkt und Schampus auf die Rechnung geschrieben, so die Beschwerde. Aufgefallen war der vermeintliche Betrug, weil die Damen im Gegensatz zu ihrem Gönner keinerlei alkoholbedingte Ausfallerscheinungen zeigten.
Ansonsten war das oft wechselnde Management eher um Seriosität bemüht. Während der Flüchtlingskrise 2015 geriet das Haus ein letztes Mal in die Schlagzeilen, als die Stadt in einer Nebenwohnung in dem Gebäude Flüchtlinge unterbringen wollte, also mit dem Nachtclub unter einem Dach. Die damalige Betreiberin, bemüht das Thema nicht zu groß werden zu lassen, sagte damals zu unserer Zeitung: „Ach wissen Sie, eigentlich sind wir doch nur ein ganz normaler Gastronomiebetrieb – nur mit einem kleinen Extraservice.“
Bald danach sank der Stern der Bar immer weiter, die Pächter wechselten immer schneller. Irgendwann hatte auch das letzte „Schneewittchen“ das Haus verlassen und es schäumte kein echter oder gepanschter Champagner und auch kein Whirlpool mehr am Birkenweg Nummer 10. Das zuletzt leerstehende Haus verfiel immer mehr, bis jetzt der Abrissbagger das Ende seiner amourösen Geschichte besiegelte.