Olpe/Wenden. Interview mit Steuerberater Martin Häner aus Olpe über Corona und die Förderprogramm. Fast wöchentlich gab es neue Verordnungen.

„Steuerberater am Limit“ ist in den vergangenen Monaten immer wieder zu lesen. Martin Häner ist ein alter Hase in seiner Branche, vertritt mit seinen Büros in Olpe und Wenden auch viele Unternehmen. Die Corona-Krise und insbesondere die vielen staatlichen Hilfsprogramme stellen die Steuerberater vor eine Herausforderung. Wir sprachen mit ihm über diese besondere Zeit, aber auch über die Politik im Allgemeinen und die Steuerpolitik im Speziellen.

Herr Häner, haben Steuerberater gerade Hochkonjunktur?

Martin Häner: Ja, auf jeden Fall. Wir haben neben unserer üblichen Arbeit mit unfassbar vielen neuen Aufgaben zu tun, mit unzähligen neuen Verordnungen, Vorschriften und Gesetzen.

Die Steuerberater stellen für viele Unternehmen die Anträge für staatliche Corona-Hilfen. Wie viel Prozent ihrer Arbeitszeit verschlingt Corona?

Schwer zu schätzen, aber ich denke, etwa 15 bis 20 Prozent.

Schon seit Beginn der Pandemie?

Am Anfang konnte jeder die Soforthilfe noch selbst beantragen. Das wurde natürlich auch ausgenutzt. Dann ist die Regierung schlauer geworden und hat die Steuerberater dazwischengeschaltet.

Seitdem hat ein Hilfsprogramm das nächste abgelöst. Wie behält man da den Überblick?

Da ist einiges auf uns zugerollt. Es fing mit der Soforthilfe an, dann kam die Überbrückungshilfe I und die Überbrückungshilfe II, schließlich die Novemberhilfe, die Dezemberhilfe, jetzt sind wir bei der Überbrückungshilfe III. Darüber hinaus laufen die KFW-Sofortkredite, und jetzt neuerdings der Eigenkapitalzuschuss.

Wer soll da noch durchblicken?

Dazu muss man wissen, dass jedes Programm eigene Regelungen hat. Und diese Vorgaben wurden zum Teil wöchentlich geändert.

Wöchentlich?

Ja.

Ursprünglich sprach Wirtschaftsminister Peter Altmeyer von unbürokratischen Hilfen. Versetzt so etwas ihre Klienten in Wut?

Ja natürlich. Jemand wie Altmeyer stellt sich vorne hin und sagt: Es läuft alles. Ich habe mich persönlich in einer Videokonferenz mal mit ihm unterhalten können. Da hat er zwar zugegeben, dass viele Fehler passiert sind, aber sein Tenor bleibt: Alles wird gut. Es ist aber insbesondere im alten Jahr nicht alles gut gelaufen. Die Zuschüsse und Fördermittel wurden zum Teil erheblich verspätet ausgezahlt.

Wo lag der Kernfehler?

Die Bundesregierung hätte schon früh auf die Finanzämter setzen müssen. Warum sind nicht schon zu Beginn der Krise die Finanzämter mit den Antragsverfahren beauftragt worden? Die Finanzämter haben alle Daten von allen Steuerpflichtigen in Deutschland, von jedem Unternehmen. Die Umsätze, die persönlichen Daten. Es ist unerklärlich, warum die Bezirksregierungen eingeschaltet wurden, für die das ein völlig neues Rechtsgebiet war.

Wenn die Finanzämter über alle Daten verfügen, wäre Missbrauch wohl ausgeschlossen gewesen?

Genau. die Mitarbeiter der Finanzämter besitzen die Kompetenz, alles ordentlich einzuschätzen und schon auf den ersten Blick Diskrepanzen festzustellen.

Haben die Finanzbeamten ihre politische Lobby in die Waagschale geworfen und möglicherweise gejammert: Lasst uns damit zufrieden?

Das weiß ich nicht. Auf jeden Fall hätte die Politik diese Kompetenz in erheblichem Umfang mit einbinden müssen.

IHK-Geschäftsführer Klaus Gräbener hat vor wenigen Wochen gesagt: Hilfen, die nicht ankommen, sind keine Hilfen. Warum hat das teilweise so lange gedauert?

Ja, da hat er hundertprozentig Recht. Nach meiner Kenntnis lag das auch daran, dass die Programmierung für die gesamte Abwicklung sehr schlecht funktioniert hat.

Lob für Volksbanken und Sparkassen

Mitunter ist von gekippten Existenzen und verzweifelten Mandanten die Rede. Haben Sie solche Erfahrungen auch gemacht?

Wir haben in unserer Region noch das große Glück, und da spreche ich sicherlich auch für Kollegen meiner Branche, dass wir hier maßgeblich mit Sparkassen und Volksbanken zu tun haben. Wir wissen von vielen Beispielen, dass diese Hausbanken ihre Kunden, die sie persönlich sehr genau kennen, in dieser Zeit gestützt haben. Das ist vermutlich ein spürbarer Unterschied zu großstädtischen Regionen und Großbanken, die als international agierende Aktiengesellschaften agieren.

Musste wegen fehlerhaften Anträgen auch Kurzarbeitergeld von Unternehmen zurückgezahlt werden?

Die Erfahrung machen wir. Zunächst einmal finde ich es richtig, dass Kurzarbeitergeld im vergangenen Jahr zunächst großzügig gewährt wurde, damit die Arbeitnehmer über diese Zeit kommen konnten. Richtig ist aber jetzt auch, dass die Prüfungen beginnen, ob die Voraussetzungen erfüllt gewesen sind. Rückzahlungen wird es geben, da die Unternehmen in den Anfangsmonaten unsicher waren, was die genaue Rechtslage betraf. Das hält sich aber nach unserem bisherigen Kenntnisstand in Grenzen. Mir persönlich ist kein einziger Missbrauchsfall bekannt, sondern eher Unkenntnis der aktuellen Fördersituation. Im Sommer musste das ja alles hoppla hopp gehen.

Welches waren weitere Schwachstellen der Corona-Förderpolitik?

Sicherlich war die erste Soforthilfe von 9.000 Euro anfällig für Missbrauch. Wir als Branche haben früh davor gewarnt. Es war abzusehen, dass das viele zu Unrecht beantragt und erhalten haben. Das muss konsequent zurückgefordert werden.

Änderungen in der Steuerpolitik notwendig

Themenwechsel in die Steuerpolitik, die ihre Branche direkt betrifft. Vorweg aber die alles überlagernde K-Frage der CDU. Wen favorisieren Sie?

Ich glaube, wir im Sauerland haben größtenteils einen Politikwechsel erwartet, dass die Politik der vergangenen Jahre nicht fortgesetzt wird. Durch die Nichtwahl von Friedrich Merz ist diese Erwartung bereits beim Parteitag 2018 in Hamburg nicht erfüllt worden. Dadurch hat die CDU bereits zwei wertvolle Jahre verloren.

Zwischenfrage: Sind Sie CDU-Mitglied?

Ich gehöre keiner Partei an.

Sie hätten sich also Friedrich Merz gewünscht?

Ja, er hätte der CDU gutgetan, spätestens 2020 hätte das den Politikwechsel signalisiert, gerade auch mit Blick auf die Steuerpolitik.

Und jetzt?

Wenn es Söder wird, ist Laschet schwer angeschlagen, wird es Laschet, ist es nicht der Kandidat, der in der Bevölkerung den größeren Rückhalt hat. Die Union hat sich selbst in eine sehr schwierige Position manövriert. Eine Mitgliederbefragung wäre besser gewesen.

Als Steuerberater sind Sie in erster Linie an Steuer- und Finanzpolitik interessiert. Wenn Sie Finanzminister wären, was würden Sie ändern?

Ich würde die Besteuerung der Personengesellschaften ändern. Das sind die allermeisten mittelständischen Unternehmen in unserer Region. Da stört mich die Diskrepanz zu Aktiengesellschaften, die nach dem Körperschaftssteuergesetz einen Steuersatz von 30 Prozent haben, die Personengesellschaften nach dem Einkommensteuergesetz mit rund 50 Prozent besteuert werden. Diese Diskussion gibt es schon viele Jahre, dass die Besteuerung gleichgesetzt wird. Gott sei Dank gibt es seit März einen Gesetzentwurf, der eine Änderung beinhaltet.

Welchen Vorteil hätte das?

Dass sich die Steuer von derzeit rund 50 Prozent innerhalb des Unternehmens auf rund 30 Prozent verringert und dem Unternehmen damit mehr Luft für Investitionen bleibt. Das gilt nicht für Geld, das der Unternehmer aus der Firma herausnimmt, um sich eine Villa oder eine Luxus-Yacht zu kaufen. Dafür läge er wieder bei den 50 Prozent.

Würden Sie auch ein Steuergesetz ändern, das Otto-Normal-Verbraucher betrifft?

Ja, Arbeitnehmer, die 40.000 bis 50.000 Euro Jahres-Bruttogehalt verdienen, haben einen viel zu hohen Spitzensteuersatz. Wenn dieser Arbeitnehmer 100 Euro Gehaltserhöhung erhält, bekommt er rund 60 Euro netto ausgezahlt. Der Arbeitgeber muss aber rund 130 Euro aufwenden, um diese 100 Euro zu zahlen. Die 70 Euro nimmt sich der Staat. Das muss unbedingt geändert werden. Das ist noch wichtiger, als das Unternehmenssteuergesetz, weil es eine große Anzahl von Arbeitnehmern betrifft. Die Steuerbelastung im mittleren Verdienst-Segment muss gesenkt werden. Für mich unverständlich, dass gerade die SPD das blockiert. Darüber bin ich wirklich entsetzt.

Zum Abschluss noch eine ganz persönliche Frage: Sie sind bekanntermaßen großer Handball-Fan. Wann wird Deutschland noch mal titelreif sein?

Jetzt sind wir erst einmal bei den olympischen Spielen, aber in einer schweren Gruppe.

Und in keiner guten Verfassung?

Ja, vermutlich ist das so. Es dürfte dauern, bis Deutschland wieder Titel holt. Ich kenne ja einige Nationalspieler, die mit nach Japan fahren dürfen. Die freuen sich riesig darauf, sagen aber auch, dass sie überhaupt nicht wissen, was auf sie zukommt.

Zur Person:

Martin Häner ist ein Rüblinghauser Junge und dort 1956 geboren.

Häner ist ein Erfolgsbeispiel des 2. Bildungsweges, besuchte die Hauptschule, später die Höhere Handelsschule und absolvierte die Steuerberaterprüfung bereits mit 25 Jahren.

Seit 1981 ist er selbstständig, hat Filialen in Wenden und Olpe, gehört zudem zur Bigge Revision Wirtschaftsprüfungsgesellschaft.

Er ist Vater zweier erwachsener Kinder und lebt seit zehn Jahren in Olpe.