Olpe/Siegen. Wegen Körperverletzung, Beleidigung, Sachbeschädigung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte war ein 39-Jähriger angeklagt.

Der 39-Jährige agierte ohne Rücksicht auf Verluste. Immer wieder rastete er aus. Am 7. Juni 2019 beleidigte er eine Mitarbeiterin bei der Ausländerbehörde des Kreises Olpe übelst und machte ihr gegenüber obszöne Gesten. Am 31. Juli warf er in Attendorn einen Stein in die Heckscheibe eines Autos. Am 28. Oktober trat er ebenfalls in Attendorn einen gehbehinderten Rentner ins Gesäß, dass dieser auf die Straße fiel. Bei der Festnahme leistete er der Polizei Widerstand. Zeugen überführten den in Attendorn lebenden Mann im Prozess vor der 1. Großen Strafkammer des Landgerichtes Siegen. Zur Rechenschaft zu ziehen ist der an einer paranoiden Schizophrenie leidende 39-Jährige für die Taten aber nicht.

Kosten trägt Staatskasse

„Bestrafen können wir Sie nicht, weil Sie nicht schuldfähig sind“, sagte die Vorsitzende Richterin, Elfriede Dreisbach, beim Urteil am Dienstagnachmittag. Das Gericht sprach den 39-Jährigen frei. „Die Kosten und die Auslagen des Angeklagten werden der Staatskasse auferlegt“, so Deisbach. Die Kammer habe sich an die Einschätzung des psychiatrischen Gutachters gehalten: „Nach Dr. Schlömer ist es nicht auszuschließen, dass die Steuerungsfähigkeit bei den Taten aufgehoben war. Der Angeklagte hat die Taten im Wesentlichen eingeräumt. Schlömer sagt, dass es ein typischer krankhafter Impuls war. Das passt zum Krankheitsbild“, sagte Elfriede Dreisbach.

Der Angeklagte sei mit vier Jahren nach Deutschland gekommen, so die Richterin. Die Eltern seien vor einiger Zeit in die Türkei zurückgekehrt, seine Geschwister leben noch hier. Nach der 9. Klasse habe er die Hauptschule verlassen. „Die Psychose hat sich ausgebildet, als er 18 oder 19 Jahre alt war. Sie führte dazu, dass er keiner Arbeit nachgehen kann. Am Anfang war die Krankheit ziemlich schlimm. Er dachte, alle lachen über ihn. Er glaubte, dass die Leute ihm etwas wegnehmen wollten“, sagte Dreisbach.

Die Einnahme von Tabletten habe der Angeklagte nicht gemocht. Er sei aber insofern einsichtig gewesen, dass er sich regelmäßig freiwillig in die Psychiatrie einweisen ließ, meinte Richterin Dreisbach. Seit mittlerweile 20 Monaten erhalte der 39-Jährige regelmäßig eine Depotspritze gegen seine Schizophrenie: „Das tut ihm gut. Das haben alle bestätigt.“

Jetzt stabile Situation

Die gravierendste der vier Taten sei die Attacke auf den gehbehinderten Rentner gewesen. Ohne Warnung habe er diesen von hinten auf die untere Wirbelsäule getreten, so dass er aufs Gesicht fiel: „Er war der Ansicht, er habe ihn zuvor beschimpft.“ Diese Körperverletzung hätte ausgereicht, um eine Einweisung des Angeklagten in der Psychiatrie anzuordnen: „Es war eine Tat aus dem Hinterhalt und schon eine gefährliche Situation. Wir gehen aber heute davon aus, dass vom Angeklagten keine schwerwiegenden Taten mehr zu erwarten sind“, sagte Elfriede Dreisbach.

Eine Unterbringung sei „mit die schwerste Strafe, die wir verhängen können.“ Man habe sich aber dagegen entschieden: „Er ist jetzt in einer stabilen Situation. Er nimmt seine Depotmedikation und gibt sich Mühe. Wir gehen davon aus, dass es nicht nur der Druck des Verfahrens ist, dass er die Spritze nimmt. Er sagt, dass es ihm damit besser geht.“

Abschließend ermahnte die Richterin den Angeklagten: „Wir erwarten jetzt, dass Sie die Depotspritze weiter nehmen.“ Der 39-Jährige versicherte dies: „Ja, ich spüre da keine Nebenwirkungen.“ Und ganz zum Schluss meinte Richterin Elfriede Dreisbach noch: „Wollen wir hoffen, dass wir uns hier nicht mehr sehen.“ Dazu der 39-Jährige: „Ich hoffe sehr.“