Kreis Olpe/Siegen. Ein IHK-Brief an alle Abgeordneten der Kreise Olpe und Siegen-Wittgenstein soll wach rütteln: Der Einzelhandel steht mit dem Rücken zur Wand.
Die Wortwahl lässt keinen Zweifel: Dem Einzelhandel steht angesichts der Corona-Lockdowns das Wasser bis zum Hals, und wenn die Politik nicht bald handelt, könnte eine Klagewelle auf die Gerichte zurollen, schlimmstenfalls eine Schließungswelle auf die Innenstädte. Das geht aus einer Resolution der IHK Siegen/Olpe hervor, die mit einem deutlich formulierten Anschreiben der IHK-Spitzenvertretung an alle Bundestags- und Landtagsabgeordneten der Kreise Olpe und Siegen verschickt wurde.
4.000 von 5.000 betroffen
Klaus Gräbener, IHK-Hauptgeschäftsführer, Vizepräsident Jost Schneider und Ausschussvorsitzender Wolfgang Keller appellieren an die Politiker, sofort zu handeln. Im Anschreiben heißt es unter anderem: „Die meisten Handelsunternehmen im IHK-Bezirk leiden erheblich unter den gegenwärtigen Einschränkungen, etliche von ihnen stehen am Abgrund.“ Von rund 5.000 Einzelhändlern in den Kreisen Olpe und Siegen seien etwa 4.000 betroffen: „Nach Monaten ohne (nennenswerte) Einnahmen kämpfen zahlreiche Unternehmen um ihre Existenz.“ Dabei habe der heimische Handel angesichts steigender Infektionszahlen stets Verständnis für verschärfte staatliche Maßnahmen gezeigt, „mehr als manch andere gesellschaftliche Gruppe.“
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Gräbener hatte die Resolution anlässlich einer Pressekonferenz der Stadt Olpe im Gepäck, auf der Olpes Bürgermeister versprach, viele Kräfte für den heimischen Einzelhandel bündeln zu wollen. Einen städtischen Notfonds mit einer nennenswerten Summe werde es jedoch nicht geben. Weber: „Damit können wir kein Unternehmen retten.“
Grenzen überschritten
Die IHK weist in ihrem Brief und der Resolution daraufhin, dass die Folgen des staatlichen Handelns „deutlich die Grenzen der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit den einzelnen Unternehmern gegenüber überschreiten.“ Die meisten Unternehmer könnten auch nicht nachvollziehen, nach welchen Kriterien festgelegt werde, wonach etwa Friseure wieder öffnen dürften, Buchhändler jedoch nicht.
Besonders bitter: Die staatlichen Überbrückungshilfen seien in weiten Teilen des Handels verspätet bzw. überhaupt nicht angekommen. Wörtlich heißt es mit Blick auf Klageverfahren: „Je länger dieser Zustand anhält, desto eher stehen Ersatzansprüche aus dem Aufopferungsgedanken bei enteignendem bzw. enteignungsgleichem Eingriff zur Prüfung und desto wahrscheinlicher drohen weitreichende Gerichtsklagen.“
Einstimmige Resolution
Der Einzelhandelsausschuss der IHK Siegen/Olpe habe sich abermals mit dem Thema befasst und einstimmig eine Resolution verabschiedet.
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Der eindringliche Appell an die Politik: „Helfen Sie mit, jetzt unverzüglich die immer wieder öffentlich debattierte Öffnungsperspektive politisch durchzusetzen. Die Händler müssen wieder handeln dürfen, und die versprochenen Hilfen müssen punktgenau ankommen. Ansonsten verkommen die Versprechen von Bund und Land zu reiner Ankündigungspolitik, der im Kern die Substanz fehlt.“
In der Resolution heißt es unter anderem wörtlich: „Nach monatelangem Lockdown stehen viele Einzelhändler mit dem Rücken zur Wand. (...) Jeder dritte Händler meldet Liquiditätsengpässe und 42 Prozent der Betriebe zehrt von ihrem Eigenkapital. (...) Dort, wo weitreichende Umsatzeinbußen ausschließlich auf die Schließungsanordnungen zurückzuführen sind, dürfen diese nicht entschädigungslos bleiben. (...) Wo Entschädigungen nicht rechtzeitig oder gar nicht ankommen würden, „stehen aus Sicht des Einzelhandelsausschusses Entschädigungsansprüche unter dem Gesichtspunkt der Staatshaftung im Raum.“
Klagewelle erwartbar
Um eine „erwartbare Klagewelle abzuwenden“, seien alle Kräfte auf eine effektive Organisation der Hilfen zu konzentrieren: „Der Einzelhandelsausschuss der IHK Siegen fordert die Politik zudem mit besonderem Nachdruck dazu auf, auch andere Wege als den der Hilfsprogramme mit leider vielfach zögerlichen Abschlagszahlungen zu prüfen, um das Entschädigungsprozedere zu regeln und zu vereinfachen. Hierzu könnte die Schaffung von spezialgesetzlichen Entschädigungsregelungen ein denkbares Modell sein.“
Es gehe in der Frage des stationären Einzelhandels immer auch um die Frage, in welchem Umfeld sich gesellschaftliches Zusammenleben nach Bewältigung der Corona-Pandemie abspielen werde. Leere Innenstädte zeichneten sich bereits ab. Abschließender Appell: „Es darf keine Zeit mehr verloren werden. Unser eindringlicher Appell: Die Hilfe muss jetzt kommen!“