Kreis Olpe. Wer nicht will, der muss nicht am Videounterricht teilnehmen. Für die Schulen im Kreis bedeutet dies einen enormen Mehraufwand.

Mindestens bis Mitte Februar sind die Schulen zum Distanzunterricht verdonnert. Viele setzen jetzt auf Video, was technisch heute kein Problem mehr ist. Per Kamera lässt sich der Unterricht problemlos ins „Home Office“ der Schüler, also nach Hause, übertragen. Aber die Technik - sofern vorhanden - ist nur die eine Seite der Medaille: Viel komplizierter, schwieriger und aufwändiger ist die Einhaltung der rechtlichen Vorgaben und dabei kommen viele Schulen an ihre Grenzen.

Keine Pflicht zur Teilnahme

„Man kann Videokonferenzen nutzen, dagegen spricht grundsätzlich nichts, aber es gibt keine Rechtsgrundlage, die Schüler und Lehrer zur Teilnahme verpflichtet“, erklärt Dirk Thiede, behördlich bestellter Datenschutzbeauftragter für die Schulen im Kreis Olpe. Zwar habe die Landesregierung per Verordnung festgelegt, dass Schüler zum Distanzunterricht verpflichtet werden können und dieser auch benotet werden kann. Aber: Nach der Datenschutzverordnung bedeute die Teilnahmepflicht am Distanzunterricht nicht automatisch auch die Teilnahmepflicht am Videounterricht. Diese sei grundsätzlich freiwillig. Ein kleiner, aber wesentlicher Unterschied.

Deshalb müssen alle Schulen, die sich nicht auf dieses rechtliche Glatteis bewegen wollen, von allen Beteiligten die Einwilligung zur Teilnahme am Videounterricht einholen. An der Bigge-Lenne Gesamtschule in Finnentrop zum Beispiel werden in diesen Tagen dazu alle Eltern angerufen. Anschließend müssen die Daten per Hand eingegeben werden – ein riesiger Aufwand, an dem auf Dauer keine Schule im Kreis Olpe vorbeikommt.

Zweite Unterrichtsform notwendig

Es gibt einen weiteren Haken. Thiede: „Die Einwilligung muss freiwillig sein, sonst ist sie rechtsunwirksam. Freiwillig kann sie aber nur sein, wenn sich dem Betroffenen eine gleichwertige Alternative bietet.“ Ein Schüler müsse auch ohne Videounterricht an die gleichen Informationen kommen können und die gleiche Förderung und Unterstützung erfahren wie die „Videoschüler“, so dass er ohne Videobeschulung keinen Nachteil hat. Das, da sind sich viele Pädagogen einig, ist allein schon so gut wie unmöglich.

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Dennoch: Lehnt nur ein Schüler bzw. die Eltern Videounterricht ab, muss die Schule eine zweite Unterrichtsform anbieten. „Das ist für die Schulen eine unangenehme Situation“, so Thiede, selbst Lehrer für Englisch und Informatik an der Sekundarschule in Olpe.

Nur wenige Schüler machen nicht mit

Die meisten Eltern und Schüler im Kreis Olpe sind mit Videounterricht einverstanden, aber nicht alle. An der Gesamtschule Wenden zum Beispiel hätten laut Dieter Karrasch, stellv. Schulleiter, rund fünf Prozent der Eltern ihre Einwilligung versagt. Diese Schüler erhalten nun die Unterrichtsmaterialien per Mail, sind vom Videounterricht per Code auch technisch abgekoppelt. Die Arbeitsblätter müssten sie sich ausdrucken. „Wir haben dabei festgestellt, dass einige Kinder gar keinen Drucker mehr zu Hause haben“, so Karrasch. Notfalls können Schüler die Blätter dann in der Schule ausdrucken. Die Bigge-Lenne Gesamtschule in Finnentrop geht einen anderen Weg, sie bietet in ihrer Einwilligungsabfrage als Alternative Audiounterricht, also Videounterricht ohne Kamera, an.

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Kaum Hilfe vom Ministerium

„Die Schulen sind mit dem Thema Datenschutz ohne Unterstützung von außen absolut überfordert“, bilanziert Thiede aus seiner täglichen Praxis. Auf seiner eigenen, privaten Informations-Website (datenschutz-schule.info) verzeichnet er zum Teil bis zu 8000 Zugriffe pro Tag aus dem gesamten Bundesgebiet. Schulen suchen dort in der Regel nach Vorlagen und Vordrucken. Denn auf der Website des NRW-Schulministeriums gab es diese lange Zeit nicht. Mittlerweile finde man dort die benötigten Informationen, so Thiede, darunter auch die rechtskonforme Einwilligungserklärung für die Teilnahme am Videounterricht.