Kreis Olpe. Trotz der vielen Schwierigkeiten und fehlendem Präsenzunterricht müssen die Abiturklassen nach Ostern antreten. Reicht der Online-Unterricht?
Holger Köster, Schulleiter des Städtischen Gymnasiums Olpe und Sprecher der Gymnasien im Kreis Olpe, ist davon überzeugt, dass die angehenden Abiturienten im Kreis Olpe nach bestandener Prüfung nicht nur ein Abitur "2. Klasse" in der Tasche haben: "Ich kann das für unsere Schule definitiv sagen, aber auch die Kollegen anderer Gymnasien sind sicher, dass es ein ganz reguläres Abitur wird."
Zu seiner optimistischen Einschätzung trage bei, dass die Defizite aus dem ersten Lockdown gut hätten aufgearbeitet werden können. Dabei spiele eine große Rolle, dass die Lehrkräfte bereits seit Jahren Erfahrungen mit dem Zentral-Abitur hätten und das wirklich Wichtige in den Vordergrund stellen könnten: "Ich muss meinem Kollegium ein großes Kompliment machen. Es wird unglaublich intensiv und umfangreich online unterrichtet. Fast alle Schüler haben momentan einen regulären Stundenplan für Zuhause." Bei den Schülern gebe es zwar die Sorge, ob sie denn tatsächlich gut vorbereitet seien, aber das sei vermutlich eher eine Kopfsache. Köster: "Ich weiß allerdings, dass es in anderen Regionen und Bundesländern auch anders aussieht, wo viel ausgefallen ist. Da steht man ganz anders unter Druck."
Erste Prüfungen später
Hilfreich, so Köster weiter, seien die mit Blick auf Corona beschlossenen zeitlichen Verschiebungen: "Eigentlich hätten die Prüfungen am 13. April begonnen, also kurz nach dem Ende der Osterferien. Jetzt geht es erst am 23. April los, so dass wir einige Tage mehr für die Vorbereitung nutzen können."
Auf die Frage, ob nicht schon vorher Präsenzunterricht zwingend nötig sei, antwortet Köster: "Natürlich ist Präsenzunterricht immer besser, vor allem mit Blick auf das Wohlbefinden der Schüler. Aber inhaltlich sehe ich keine Schwierigkeiten."
Aus Gesprächen mit seinen Schulleiterkolleginnen an den Städtischen Gymnasien in Lennestadt und Attendorn, Birgit Pieters (Lennestadt) und Daniela Greitemann (Attendorn), nehme er die Einschätzung mit, dass es dort ähnlich aussehe: "Wir sind einer Meinung, dass jede Stunde Präsenzunterricht besser ist, aber grundsätzlich sei die Abiturprüfung so durchführbar wie in den Jahren zuvor auch."
Mehr Auswahl bei Prüfungsaufgaben
Weitere Aspekte spielten dabei eine positive Rolle: So werde die Auswahl der Prüfungsaufgaben vom Schulministerium ausgeweitet. Beispiel der bisherigen Regelung: Schüler eines Deutsch- oder Englisch-Leistungskurses könnten sich im Abitur unter drei Themen eines auswählen. In einigen naturwissenschaftlichen Fächern wählten die Lehrer zwei Prüfungsaufgaben unter dreien aus.
Köster: "In Physik sind es normalerweise drei Aufgaben, von denen ich zwei auswählen muss. Jetzt kann ich unter vier auswählen." Wenn ein Lehrer der Auffassung seit, dass ein bestimmtes Thema aufgrund der Corona-Einschränkungen im Unterricht weniger zum Zuge gekommen sei, habe er größeren Spielraum, ein umfangreicher behandeltes Thema zu wählen.
Frühere Rückkehr zu Präsenzunterricht wünschenswert
Köster macht trotz des gelungenen Online-Unterrichts keinen Hehl aus seinem Wunsch, die Schüler vor dem Abitur noch einige Zeit Auge in Auge unterrichten zu können: "Ich würde mir wünschen, dass das noch einige Wochen mehr sein könnten, um ihnen die Ängste zu nehmen, an der einen oder anderen Stelle hapere es noch. Es wäre hilfreich, wenn es schon im März mit dem Präsenzunterricht klappen könnte."
Was sagen die Eltern?
Ruth Schneider aus Wenden, deren Tochter im Frühjahr ihr Abitur am Städtischen macht, ist Elternvertreterin der Abiturstufe Q II. Sie lobt die technische und inhaltliche Umsetzung des Unterrichts, sieht aber auch Nachteile: "Die Lehrer geben sich große Mühe, ob nun mit Videokonferenzen oder Unterrichtsmaterial. Was definitiv auf der Strecke bleibt, ist aber das soziale Miteinander. Das ganze Drumherum, was einen Abi-Jahrgang ausmacht." Alles Gemeinsame bleibe auf der Strecke, davon sei auch das Lernen betroffen. Und der Austausch mit den Lehrern von Angesicht zu Angesicht sei auch ein anderer. Fazit: "Inhaltlich und fachlich ist das okay, aber es ist definitiv kein normales Abitur, das die Schüler ablegen werden."
Auf Alternativen angesprochen, favorisiert die Elternvertreterin geteilten Präsenzunterricht: "Ich weiß, dass das nicht einfach umzusetzen ist. Aber meine persönliche Meinung als Mutter ist, dass die Politik uns da im Stich gelassen hat." Die Politik habe zu Beginn der Krise versäumt, in verschiedene Richtungen zu denken. Besser wäre es gewesen, den Schulen mehr Freiheiten zu gewähren: "Man kann nicht alle über einen Kamm scheren, die Gegebenheiten sind völlig unterschiedlich." Es gebe gravierende Unterschiede zwischen Großstadt und ländlichen Gebieten, aber auch von Schule zu Schule, von Schulform zu Schulform. Schneider: "Man hätte innovativer denken können." Ein Präsenz-Unterricht mit geteilten Klassen hätte an manchen Schulen auch über einen längeren Zeitraum funktioniert. Zumindest die Rückmeldungen einiger Schüler habe das bestätigt. Schneider: "Die jungen Leute haben sich ein bisschen aus den Augen verloren."
Videokonferenzen von Eltern genehmigt
Das Städtische Gymnasium arbeitet im digitalen Unterricht mit dem System Microsoft Teams. Alle Lehrer und Schüler können darüber arbeiten. Holger Kösters Bewertung: "Das funktioniert." Zur Frage des Datenschutzes sagt der Schulleiter: "Alle Eltern haben eine Datenschutzerklärung unterschrieben, so dass alle Schüler an Videokonferenzen teilnehmen dürfen. In dieser Hinsicht fühlen wir uns auf der sicheren Seite." Es werde allerdings darauf geachtet, dass über diese Plattform keine personenbezogenen Daten weitergegeben würden.
Die derzeitigen rund 120 Abiturienten gehören noch zu den sogenannten G8-Schülern, haben nur acht Jahrgangsstufen absolviert. Die ersten Abiturienten, die wieder neun Schuljahre hinter sich haben werden, machen 2027 ihr Abitur.