Kreis Olpe/Attendorn. Grundsätzlich gilt: Wo Home Office machbar ist, wird es umgesetzt. Doch eine IHK-Umfrage zeigt auch: Ganz so einfach ist es nicht:

Wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Dienstag zum nächsten Corona-Gipfel mit den Länderchefs lädt, könnte am Ende eine Verschärfung der Home-Office-Regelung eintreten. Möglicherweise werden Unternehmen und Behörden, deren Mitarbeiter grundsätzlich ihre Arbeit von zuhause ausüben können, sogar dazu verpflichtet, genau dieses Angebot ihren Beschäftigten zu unterbreiten. Die Rede ist von einer Art Home-Office-Pflicht light.

Nur macht eine Verordnung von oben Sinn - gerade in einer Region wie Südwestfalen mit ihren starken, mittelständisch geprägten Industriebetrieben? Klaus Gräbener, Hauptgeschäftsführer der IHK Siegen, hat arge Zweifel: "Man sollte sich schon die grundsätzliche Frage stellen, ob es zwingend eine politische Verordnung braucht, wenn es auch ohne bestens funktioniert."

Anreize schaffen, nicht verbieten und anordnen

Sein Vorschlag: Besser mit Anreizsystemen arbeiten statt die Verbots- oder Anordnungskeule herauszuholen. Zumal für einen Großteil der heimischen Industriebetriebe das Modell Home-Office nur sehr eingeschränkt bis gar nicht infrage kommt. Das geht aus einer Blitzumfrage der IHK aus dem Herbst vergangenen Jahres zurück, die unserer Redaktion vorliegt. Fast zwei Drittel der 435 Teilnehmer aus dem IHK-Bezirk Siegen/Olpe haben darin erklärt, dass Home Office wegen der unternehmerischen Tätigkeit schlicht und ergreifend nicht möglich ist. Wer am Band steht, kann nicht zuhause bleiben. "Vor allem nicht in der Produktion. Und die betrifft in unserer Region jeden zweiten sozialversicherungspflichtig Beschäftigten", erklärt Gräbener.

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In der Umfrage lehnen vier von fünf Betrieben auch den seinerzeit von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) angedachten Rechtsanspruch für Home Office (24 Tage im Jahr) ab. Gründe sind neben dem Eingriff in die unternehmerische Freiheit unter anderem der bürokratische Aufwand und Bedenken hinsichtlich der IT-Sicherheit. "Man muss das Ganze auch mal vom Ende aus denken. Wie soll den beispielsweise der Arbeitsschutz zu Hause kontrolliert werden", erklärt Gräbener, der schließlich davor warnt, eine Zwei-Klassen-Arbeitsgesellschaft zu schaffen.

Bürgerbüro sollte besetzt bleiben

Knapp 80 Mitarbeiter der Attendorner Stadtverwaltung, und damit rund 70 Prozent, sind mittlerweile mit mobilen Endgeräten ausgestattet und können theoretisch von zuhause arbeiten. Wer nicht ins Rathaus kommen soll, entscheidet der jeweilige Amtsleiter. Denn nicht in allen Bereichen einer Stadtverwaltung sei Home Office machbar, erklärt Stadtsprecher Tom Kleine und nennt Standesamt, Bürgerbüro und Ordnungsamt als Beispiele. Es kann auch an rechtlichen Hürden scheitern, etwa dort, wo eine Unterschrift von Nöten ist.

"Das Home Office ist in kürzester Zeit und mehr denn je auch bei der Hansestadt zu einem Element geworden, die Aufrechterhaltung der Arbeitsleistung durch die Beschäftigten der öffentlichen Verwaltung zu gewährleisten. Die Hansestadt kann auf diesem Wege als Arbeitgeberin ihren Schutzpflichten gegenüber ihren Beschäftigten sowie den Besuchern des Rathauses nachkommen und zudem dazu beitragen, dass Infektionswege unterbrochen und eine Ausbreitung der Krankheitserreger verlangsamt werden", heißt es zudem in einer Erklärung aus dem Rathaus.

50:50-Regelung

"Wir haben seit geraumer Zeit eine 50:50-Regelung und unsere Mitarbeiter in Teams eingeteilt. Großbüros mit mehreren Mitarbeitern gibt es nicht mehr. Wer Kinder zu Hause hat, darf grundsätzlich von zuhause arbeiten, auch wenn das nicht immer einfach ist. Die Spätschicht kommt dann, wenn die Frühschicht schon weg ist und seit September gilt auf dem gesamten Betriebsgelände eine Maskenpflicht", zählt Andreas Heine, Pressesprecher des Automobilzulieferers Kirchhoff Automotive aus Attendorn/Iserlohn, ein Bündel von Maßnahmen auf, um die eigenen Mitarbeiter bestmöglich vor dem Virus zu schützen.

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Ganz problemfrei ist das Arbeiten aus den eigenen vier Wänden aber auch bei den betroffenen Mitarbeitern von Kirchhoff Automotive nicht. "Sie haben teilweise Probleme mit großen Datenmengen, weil sie zuhause viel langsamer auf unsere Server zugreifen können", erklärt Heine. Immerhin verfüge jeder Mitarbeiter längst über einen eigenen Laptop für die Arbeit zuhause.

Lemmen: Der Appell an die Wirtschaft ist angekommen

Rund jeder zweite Mitarbeiter von Mubea in Attendorn, ebenso in der Automobilzulieferer-Branche tätig, bleibt derzeit zuhause. "Wir haben uns vor einigen Wochen nochmal darauf verständigt, den Anteil des mobilen Arbeitens zu maximieren. Wer von zuhause arbeiten kann, tut das auch", erklärt Stefan Lemmen, kaufmännischer Geschäftsführer, im Gespräch mit dieser Redaktion und sieht dabei keine allzu großen Probleme. Auch wenn vereinzelt Mitarbeiter aufgrund ihres Wohnortes und schlechter Internetleitungen zuhause keinen idealen Arbeitsplatz vorfinden.

Von einer verpflichtenden Regelungen hält Lemmen nicht viel. "Ich glaube, der Appell an die Wirtschaft ist angekommen und wird seit langer Zeit, nicht nur von uns, beherzigt." Mit dieser Einschätzung steht er nicht alleine da.