Kreis Olpe. Chöre sind keine Corona-Hotspots, leiden aber unter den Auflagen. Die Chorleiter Michael Rinscheid und Michael Nathen reden Klartext.

Michael Rinscheid (Attendorn) und Michael Nathen (Lennestadt) wissen wovon sie reden, wenn es um das Wohl der heimischen Chorszene geht: „Das Singen und die Chormitgliedschaft ist in diesen Zeiten auch eine Charakterfrage“, sagt Rinscheid, der sechs Chöre im Kreis dirigiert. Und weiter: „Es zeigt sich angesichts der schwierigen Bedingungen, ob man Stehvermögen hat und ob man zu seinem Chor steht.“

Der Attendorner Rinscheid, auch 1. Vorsitzender des bundesweit aktiven Fachverbandes der Chorleiter, redet nicht um das Problem, das durch Corona entstanden ist, herum: „Der eine oder andere Chor wird hinten runterfallen.“ Nicht zuletzt eine sehr lange Probenpause könne sich fatal auswirken: „Wenn Chöre nach dem Lockdown bis jetzt noch nicht wieder ans Laufen gekommen sind und noch mal eine weitere Pause bis Weihnachten einlegen, kann das schlimmstenfalls den Kollaps bedeuten.“

Sechs Chöre

Rinscheid dirigiert im Kreis sechs Chöre, unter anderem den mehrfachen Meisterchor „Sangeslust“ Hünsborn, Vocalitas Thieringhausen oder den MGV Sängerbund Heggen. Und eines haben alle gemeinsam, sagt er: „Es geht nicht nur ums Singen, auch das soziale Miteinander fehlt den meisten.“

Der Dirigent bricht zunächst für alle eine Lanze und fügt in einem Atemzug hinzu, dass das Risiko einer Corona-Ansteckung bei Chorproben nach seinen Erfahrungen überschaubar sein müsse. Denn er kann für insgesamt zehn Chöre sprechen und für fast 500 Sängerinnen und Sänger: „Es hat bisher bei keinem einzigen meiner Chöre auch nur eine Ansteckung gegeben.“ Möglicherweise auch deshalb, „weil sich alle äußerst vorsichtig und diszipliniert verhalten. Da gibt es keinen Leichtsinn. Wir führen Namenslisten, desinfizieren und halten Abstand. Mehr kann man nicht machen.“

Vor allem der Abstand zwischen den Sängerinnen und Sängern sei nicht immer leicht einzuhalten. Zu Beginn seien vier Meter nach vorn und drei Meter zur Seite Pflicht gewesen, dann drei Meter und zuletzt nur noch zwei Meter. „Da ist es notwendig, große Räume nutzen zu können. Das kann aber nicht jeder Chor.“

Registerproben möglich

Es wäre schön, wenn Städte und Gemeinden da helfen könnten, in dem sie Stadthallen oder Dorfhallen zur Verfügung stellten. Eine Alternative seien Registerchorproben: mal nur mit den Tenören, mal nur mit den Bässen, alles, um dem Virus keine Chance zu geben. Onlineproben sind für Rinscheid keine wirkliche Alternative: „So etwas kann eine normale Probe niemals ersetzen.“

Rinscheids Fazit: „Die Gesundheit ist wichtig, aber das Chorwesen darf nicht zum Erliegen kommen.“

Und sollte es noch einmal zu einem längeren Lockdown kommen, ist Rinscheid ziemlich sicher, „könnte das dem einen oder anderen Chor den Rest geben.“ Insbesondere ein nochmaliger ganzjähriger Wegfall von Veranstaltungen würde sich existenzgefährdend auswirken: „Die Einnahmequellen sind weg. 2021 müssen die Vereine wieder Konzerte, Wettbewerbe, Gemeindechorfeste und ähnliches veranstalten dürfen. Alles andere wäre eine Katastrophe.“

„Im Weißen Rössl“ geplant

Michael Nathen in seinem Element. Allein in Lennestadt leitet er fünf Chöre.
Michael Nathen in seinem Element. Allein in Lennestadt leitet er fünf Chöre. © WP | privat


Sein Kollege Michael Nathen leitet allein in Lennestadt fünf Chöre, dazu Schulchöre am Gymnasium der Stadt: „Wir hatten in diesem Jahr mit dem Schulchor die Operette ,Im Weißen Rössl am Wolfgangsee’ geplant, hoffen jetzt darauf, dass es 2021 klappt.“

In den Erwachsenenchören sei die Corona-Situation für manche so belastend, dass sie den in den nächsten Jahren geplanten Abschied vom aktiven Chorsingen vorziehen würden: „Das könnte ganze Chöre treffen. Das Chorsterben der vergangenen zwei Jahrzehnte beschleunigt sich.“

Mit den Lennestädter Chören kann Nathen derzeit überhaupt nicht proben: „Die Stadt Lennestadt hat empfohlen, erst einmal auszusetzen. Daran halten wir uns, werden das aber von Woche zu Woche entscheiden.“

Schon die lange Pause nach dem ersten Lockdown habe er in den Proben bemerkt: „Die Stimmbänder waren einfach nicht mehr trainiert.“

Gerade nach der Pause sei auch deutlich geworden, wie wichtig der soziale Kontakt sei: „Jeder hat gespürt, wie gut es tut, gemeinsam zu singen und sich zu sehen. Das ist ungeheuer wichtig.“