Olpe. Mit steigenden Corona-Zahlen wird auch die Gefahr eines Ausbruchs in Altenheimen größer. Dennoch möchte das WohnGut in Olpe keine Kontaktsperre.

Die Zahl der Corona-Neuinfektionen steigt täglich. Und auch wenn sich Virologen uneinig sind, ob sich Deutschland inmitten der zweiten Welle befindet – oder ob es vielmehr eine „Dauerwelle“ ist – werden die Corona-Schutzmaßnahmen in einigen NRW-Kommunen wieder verschärft. Bislang ist im Kreis Olpe mit einem aktuellen Inzidenzwert von 22,4 (Stand: 9. Oktober) noch kein kritisches Infektionsgeschehen zu verzeichnen. Doch die Situation ist angespannt, die Sorgen um einen großen Ausbruch sind wieder präsent.

Die Bedenken

Fatal wäre das für Bewohner von Pflegeeinrichtungen, die zu Beginn der Pandemie besonders betroffen waren. Das empfindet auch Lena Zöller, Leiterin der Einrichtungen des WohnGut Osterseifen in Olpe. „Ein Besuchsverbot, wie wir es zwischenzeitlich hatten, wäre aber eine Katastrophe“, sagt sie.

Die Betroffenheit

Fast 200 Senioren werden in den Einrichtungen im Osterseifen – inklusive der Tagespflege – versorgt. „Bei dieser Größenordnung mache ich mir natürlich Sorgen. Auch wir waren im Frühjahr stark von Corona-Infektionen betroffen, trotz der eingeführten Maßnahmen,“ erzählt Zöller. Um das Virus von den Bewohnern, die zur Risikogruppe zählen, fernzuhalten, sei das Besuchsverbot aber ihrer Ansicht nach keine glückliche Maßnahme und könne auch nicht mit digitalen Möglichkeiten kompensiert werden. „Die Senioren haben unheimlich darunter gelitten und knabbern immer noch mit den Folgen aus dieser Zeit. Für sie sind Berührungen und Gesten sehr wichtig. Emotionale Fürsorge bietet ihnen Stabilität.“

Die Auswirkungen

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Auch Gruppenangebote wie Bewegungsförderungen und Gedächtnistraining durften während des Lockdowns nicht stattfinden. „Dabei ist Vieles verloren gegangen, gerade im kognitiven Bereich. Das wiederherstellen zu können, braucht viel Zeit – oder kommt gar nicht wieder“, so Zöller. Zumal sich die Einstellung der älteren Bewohner mit dem Kontaktverbot widerspreche. „Viele haben gesagt, dass sie lieber an Corona versterben würden als ihre Angehörigen nicht mehr sehen zu dürfen.“

Vor allem für Demenzkranke sei die Anwesenheit der Angehörigen entscheidend. „Ein Demenzkranker verliert seine Sicherheit, wenn er das Gewohnte entzogen bekommt“, sagt Zöller. Nach dem wochenlangen Besuchsverbot in Pflegeeinrichtungen hätten einige Demenzpatienten ihre Familien nicht mehr wiedererkannt. „Und das kann man nicht wieder holen.“ Gestorben sind sie nicht. Aber emotional eingegangen.

Die Schwierigkeit

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Überhaupt sei der Umgang mit Demenzkranken schwierig im Hinblick auf die Corona-Schutzmaßnahmen. „Diejenigen, bei denen die Demenz bereits weit fortgeschritten ist, tolerieren diese Maßnahmen nicht. Dementsprechend können wir diese Maßnahmen bei diesen Senioren nur ganz schwer bis gar nicht umsetzen“, meint Zöller. Wenn also ein Corona-Fall auftritt, ist eine Verbreitung nur schwer kontrollierbar. Rund 40 Prozent der Bewohner hätten kognitive Einschränkungen, schätzt Zöller.

Die Maßnahmen

Unterschiedliche Auffassungen von Land und RKI

In der aktuell noch geltenden Allgemeinverfügung des NRW-Gesundheitsministeriums vom 27. August haben Bewohner in stationären Pflegeeinrichtungen das Recht auf Teilhabe und soziale Kontakte – „auch vor dem Hintergrund der erheblichen Gefahren [...], sind diese [Bewohner] vor sozialer Isolation zu bewahren, da damit ebenfalls erhebliche gesundheitliche Gefährdungen verbunden wären“.

In den vom Robert-Koch-Institut herausgegebenen Empfehlungen für Alten- und Pflegeeinrichtungen vom 7. Oktober sollten jedoch „soziale Kontakte möglichst über Telekommunikation anstatt über persönliche Besuche erfolgen“.

Beim Zusammentreffen müssen sowohl Bewohner als auch Besucher in der Einrichtung einen Mund-Nasen-Schutz tragen. Unabhängig davon, ob der Besucher ein naher Familienangehöriger ist. „Wir sensibilisieren die Leute dafür, dass bei einem Besuch immer ein Infektionsrisiko besteht. Und appellieren deswegen dafür, dass die Masken auch im Zimmer der Bewohner getragen werden“, sagt Zöller. Eine Ausnahme gibt es allerdings für palliativ Kranke: „Da muss einfach das Menschliche im Vordergrund stehen.“

Das Risiko

Doch nicht nur durch die Besucher bekommt das Infektionsgeschehen eine Dynamik, sondern auch durch die Mitarbeiter selbst. Einige Mitarbeiter, die schulpflichtige Kinder haben, werden deswegen unverzüglich getestet, wenn die jeweilige Schulklasse nach Kontakt mit einem positiven Corona-Fall in Quarantäne geschickt wurde. „Wenn möglich, schicken wir die Mitarbeiter bis zum Vorliegen des Testergebnisses in eine bezahlte Quarantäne, obwohl das vom Gesundheitsamt nicht vorgesehen ist. Aber in unserem Fall wäre das Risiko einfach zu groß“, erklärt Zöller. Bislang ist noch kein neuer Corona-Fall in einem Seniorenheim im Kreis Olpe aufgetreten. Aber das sei aufgrund der steigenden Zahlen nur eine Frage der Zeit.