Kreis Olpe. Der Fall erschütterte Deutschland: Vor 16 Jahren wurde die kleine Levke nahe des Biggesees entdeckt. Ermordet. Eine Ermittlerin blickt zurück.

Barbara Eßing-Sieler liebt ihren Job. Weil die Olperin in dem, was sie tut, einen tiefen Sinn erkennt. Die 55-Jährige jagt gemeinsam mit ihren Kollegen Verbrecher, die andere Menschen getötet haben. So lange, bis der Täter gefunden ist. Und zur Rechenschaft gezogen wurde. Die Kriminalbeamtin hat schon in einigen Mordkommissionen (MK) mitgearbeitet. Nicht nur, aber auch im Kreis Olpe. Der Fall Levke ist nur ein Beispiel. Ein junges Mädchen, getötet vor 16 Jahren im fernen Cuxhaven. Vom Attendorner Marc Hoffmann, der das Mädchen nach der Tat an der Nordsee zurück in die alte Heimat bringt und an der Reper Höhe am Biggesee vergräbt.

Später bringt er auch den kleinen Felix um. Unendliches Leid bringt er damit über die beiden Familien. Weil er seine Sexualität befriedigen wollte.

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Marc Hofmann wuchs als Einzelkind auf. Die Mutter arbeitete im Krankenhaus und im Altenheim als Pflegerin, der Vater fuhr zur See. Schon in der Pubertät entwickelt er sexuelle Gewaltfantasien, zieht sich Horrorfilme rein und geht mit dem Luftgewehr seines Großvaters in den Wald, um auf Vögel zu schießen. Er verlässt die Hauptschule ohne Abschluss, ist arbeitslos. Mit 20 Jahren vergewaltigt er ein 16-jähriges Mädchen. Zu diesem Zeitpunkt ist er sogar Vater einer Tochter, die beim ihm aufwächst. Nachdem er die Sauerländer Heimat verlässt, wird er in Bremerhaven an der Nordsee ein zweites Mal Vater. Doch neben seinem Familienleben drängen ihn die Gewaltfantasien. Doch es bekommt zunächst niemand etwas mit.

Kinder unter Vorwand ins Auto gelockt

Im Jahr 2004 wird Marc Hoffmann dann zum Mörder. Zunächst lockt er die kleine Levke unter einem Vorwand in sein Auto und erdrosselt sie später. Erst Monate später wird das kleine Mädchen entdeckt. Im selben Jahr tötet er auch den kleinen Felix, den er ebenfalls unter einem Vorwand in sein Auto gelockt hat. Dank einer aufmerksamen Frau aus dem Sauerland, die Marc Hoffmann noch aus früheren Zeiten kannte, kommt ihm die Polizei auf die Schliche.

Barbara Eßing-Sieler, Leiterin der Führungsstelle Kriminalität
Barbara Eßing-Sieler, Leiterin der Führungsstelle Kriminalität © Kreispolizei Olpe

Fälle, die Barbara Eßing-Sieler, Leiterin der Führungsstelle Kriminalität bei der Kreispolizei, nicht vergisst. Niemals vergisst. Denn die Vorgehensweise ist, so unterschiedlich die Fälle am Ende auch ausgehen, immer ähnlich.

Um aus einer Vielzahl an Spuren die richtige Fährte zu entdecken und einen Mordfall aufzuklären, braucht es eine Menge Zutaten. Das weiß die erfahrene Beamtin aus ihrer langen Berufszeit.

Es braucht eine motivierte Mannschaft, die in kleinen Teams arbeitet und sich ideal ergänzt. Erfahrung und Kompetenz auf der einen Seite, jugendliche Dynamik und Affinität zu den neuen Medien auf der anderen Seite. Es braucht den absoluten Willen, ja die Gier jedes Einzelnen, den Fall zu lösen. Sich in einen Fall wie ein Terrier hinein beißen, ohne dabei zu verkrampfen. Das kostet Kraft und Zeit.

Schmaler Grat zwischen Betroffenheit und Professionalität

„Große Mordkommissionen“, berichtet Eßing-Sieler, „gehen häufig über Wochen oder Monate. In dieser Zeit fehlt häufig der Ausgleich. Man fährt nur nach Hause, um zu schlafen und die kaputte Waschmaschine bleibt unberührt.“ Umso wichtiger für die Kollegen sei es, zuhause den absoluten Rückhalt zu erfahren. Vor allem dann, wenn Beamte den Mord an einem Kind wie Levke aufklären müssen und selber zuhause kleine Kinder haben.

Plötzlich spielt die Betroffenheit eine noch größere Rolle. „Die Kollegen in einer solchen MK dürfen mitfühlen, aber nicht mitleiden“, weiß Eßing-Sieler um diesen extrem schmalen Grat zwischen Professionalität und Betroffenheit. Eine professionelle Distanz nennt die Kriminalbeamtin das, was jeder Kollege in einer solchen Ausnahmesituation braucht. In der Theorie so einfach, in der Praxis so schwer.

Die Verantwortung, die auf den Schultern jedes MK-Mitglieds lastet, ist enorm. Bei der Vielzahl an Hinweisen, die während eines solchen Falls auflaufen, bloß nicht den einen entscheidenden Hinweis übersehen. Das belastet. Der Austausch mit den Kollegen kann hier helfen. Den Kollegen nach dessen Meinung fragen. Teamarbeit halt.

Durchhaltevermögen ist genauso entscheidend, denn immer wieder gibt es Phasen der Ermittlung, in denen es keine heiße Spur gibt. Das kann frustrieren. So lange, bis sich wieder Licht am Ende des Tunnels auftut. Eine neue Spur, dem Täter doch wieder ein Stück näher. Instinkt, Fachwissen, das richtige Händchen: Weitere Zutaten für die beste Rezeptur.

Viele Hinweise aus Bevölkerung

Ganz wichtig ist die Öffentlichkeitsarbeit. Die Bevölkerung bei der Suche nach dem Täter beteiligen. Hat jemand was gesehen? Kann jemand Zusammenhänge erklären. „Wir bekommen auf den verschiedensten Wegen und Kanälen Hinweise. Diese zu priorisieren, ist die kniffligste Aufgabe“, weiß Eßing-Sieler. Verhindern, dass man diesen einen Hinweis unterschätzt. „Da lastet ein wirklich enorm großer Druck auf den Kollegen“, sagt sie.

Umso wichtiger in diesen so belastenden Phasen ist es, den nötigen Ausgleich zu schaffen. Der eine Kollege geht nach 14 Stunden Arbeit noch joggen, der andere einfach nur noch ins Bett. In dieser Zeit liegt der Fokus eben nur auf dem einen: den Täter so schnell wie möglich finden.

Wenn dann der Fall gelöst und der Täter gefasst ist, fällt von den Ermittlern eine riesengroße Last ab. „Nicht nur, weil man Tausende von Arbeitsstunden investiert hat, sondern vor allem, weil man den Täter nun zur Verantwortung ziehen kann“, betont die Olper Kriminalbeamtin. Aber genau für diese Momente liebt und lebt Barbara Eßing-Sieler ihren Job. Die Jagd nach dem Verbrecher.