Wenden. Vergeblich haben zwei Hausärzte in Wenden versucht, Nachfolger für zu bekommen. Stefan Spieren sieht eine Mitschuld dafür beim Bürgermeister.

Als katastrophal hatte Stefan Spieren im Sommer 2019 gegenüber unserer Redaktion die künftige ärztliche Versorgung in der Gemeinde Wenden bezeichnet. Wegen der Überalterung der Mediziner hatte der Hausarzt aus Hünsborn und Vorstandsvorsitzende des Ärzteverbundes Südwestfalen eine düstere Prognose abgegeben. Gut ein Jahr später scheint sich diese zu bewahrheiten. „Es ist jetzt nicht mehr fünf vor 12, sondern fünf nach 12“, sagt Spieren im Gespräch mit unserer Redaktion.

Im vergangenen Jahr starb sein Vater Werner und Michael Junge schied aus der Gemeinschaftspraxis Missmahl-Junge in Rothemühle aus. Jetzt gibt es eine neue Hiobsbotschaft. Die beiden Hausärzte Dr. Christian Mengel und Dr. Theo Scheidtmann schließen ihre Praxen in Wenden zum 30. November. „Von den noch 13 Ärzten im vergangenen Jahr sind dann schon vier weg“, so Spieren.

Der 70-jährige Dr. Christian Mengel hat seine Patienten in einem Flyer informiert: „Zu meinem größten Bedauern muss ich Ihnen nun leider mitteilen, dass ich meine Praxis zum 30. 11. 2020 schließen werde. Gesundheits- und altersbedingt sehe ich mich nicht mehr in der Lage, die Praxis in Ihrem Sinne noch länger weiterzuführen. Nach langer ergebnisloser Suche ist leider eine geregelte Nachfolge nicht in Sicht.“ Gleiches gilt für Theo Scheidtmann, der sich nicht näher äußern wollte. „Er wird 65 und hat zwei Jahre nach einem Nachfolger gesucht“, so Stefan Spieren, der Verständnis hat, dass die älteren Kollegen aufhören: „Dass sie bei den technischen Umstrukturierungen so lange durchgehalten haben, ist schon ein Wunder. Dafür bin ich dankbar. Aber für die Patienten wird es brenzlig.“

Kritik an Gemeinde

Spieren kritisiert Wendens Bürgermeister Bernd Clemens: „Ich weise schon seit fünf Jahren darauf hin, aber die Gemeinde Wenden versteckt sich dahinter, dass der Versorgungsauftrag bei der Kassenärztlichen Vereinigung steckt. Das ist zwar so, aber aktiv hat die Gemeinde nichts getan. Seit fünf Jahren schiebt der Bürgermeister das Problem vor sich her. Es passiert gar nichts.“ Das Einschalten einer Beraterfirma habe nur eine Alibifunktion: „Damit man sagen kann, ich habe etwas getan.“

Beraterfirma

In den letzten beiden Wendener Ratssitzungen des vergangenen Jahres haben im nicht-öffentlichen Teil zwei Beratungsgesellschaften aus dem Gesundheitsbereich ihre Ideen zum Thema „Sicherung und Ausbau der haus- und fachärztlichen Versorgung in der Gemeinde Wenden“ präsentiert.

Am Ende überzeugte die Firma Diomedes aus Melsungen. Sie erhielt den Zuschlag.

Ganz anders sei das in Kreuztal, berichtet Spieren: „Da kümmert sich der Bürgermeister persönlich darum. Da wird alles getan.“ Ein Beispiel ist Jan Khalil, den es nach der einjährigen Fortbildung zum Allgemeinmediziner in der Praxis Spieren ab 1. November dieses Jahres nicht in die Gemeinde Wenden, sondern in die Stadt Kreuztal zieht. „Der Bürgermeister ist dort auf mich zugekommen und hat mir direkt ein Grundstück vermittelt. In Kreuztal gibt es auch eine finanzielle Förderung“, sagt Jan Khalil, der dort die Hausarztpraxis Stutte/Boja übernehmen wird.

Patienten werden versorgt

„Die Patienten der beiden Praxen in Wenden, die schließen, brauchen sich keine Sorgen zu machen. Die vorhandenen Praxen übernehmen die Versorgung. Wir schicken keinen weg“, so Stefan Spieren, der aber gleichzeitig betont: „Das geht auf Dauer nicht. Wir brauchen andere Ärzte in Wenden, um das langfristig zu sichern.“

Bürgermeister Bernd Clemens weist die Kritik zurück. Er sei in regelmäßigen Gesprächen mit der Ärzteschaft: „Aufgrund der Altersstruktur erscheint die Zukunft unsicher. Wir arbeiten an einem Hausärztemodell für das Wendener Land, aber das kann man nicht von heute auf morgen lösen. Wir sind aber auf einem guten Weg.“

Die Kümmerin Nicole Williams sei sehr aktiv, betont Clemens: „Fakt ist, dass unsere Bemühungen dazu geführt haben, dass wir zwei Ärzten einen Bauplatz vermitteln konnten. Wir sind natürlich sehr daran interessiert, dass die Praxen übernommen werden, aber es hilft nicht weiter, wenn man sich gegenseitig beschuldigt.“