Attendorn. Drei Freunde aus Attendorn kauften ein Cockpit einer Boeing 737, das vor Kurzem aus Moskau geliefert wurde. Jetzt bauen sie einen Flugsimulator.
Verrückt ist es schon. Das wissen auch Mario Hachenberg, Tim Schröder und Alex Günzel. Aber Fliegen, virtuelles Fliegen, ist nun mal das leidenschaftliche Hobby der drei Freunde aus Attendorn.
Mit gerade einmal zehn Jahren entfachte ein zu Weihnachten geschenktes ferngesteuertes Flugzeug, ein Besuch im Technikmuseum Speyer und ein Besuch am Frankfurter Flughafen die Leidenschaft zum Fliegen. Seitdem verbringt der 21-jährige viel Zeit mit der virtuellen Luftfahrt. Schnell waren Bildschirm und Joystick nicht mehr genug – ein kleines Panel hier, ein Hebel da, und irgendwann stand eine Boeing 737 in seinem Kinderzimmer. Seinen großen Traum, einen Simulator in einem echten Cockpit nachzubauen, verfolgt Schröder seitdem.
Als er dann das Cockpit einer Boeing 737 als Online-Verkaufsanzeige hatte, rückte der Traum plötzlich näher. Gemeinsam mit seinen zwei Freunden beschloss er das große Projekt. Bis das ausrangierte Teil aus Moskau allerdings den Weg in den Garten von Tim Schröders Großmutter in Attendorn gefunden hat, vergingen Monate.
Ein Schnäppchen aus der Facebook-Gruppe
Der erste Kontakt zwischen Schröder und dem Verkäufer aus Russland kam kurz nach Weihnachten 2019 zustande. In der Facebook-Gruppe „Home Cockpit Builders Club“, die fast 25.000 Mitglieder aus der ganzen Welt umfasst, bot der User das weitestgehend ausgeschlachtete, aber sonst gut erhaltene und günstige Cockpit zum Verkauf an. „In Deutschland muss man für so etwas Vergleichbares das Drei- bis Vierfache hinblättern“, erklärt Schröder. „Eigentlich hätten wir uns das Teil vor dem Kauf gerne mal persönlich in Moskau angesehen. Aber dann kam Corona und wir hatten nicht mehr die Möglichkeit dazu“, wirft Alex Günzel ein. Die Freunde überlegen hin und her, wägen das Risiko ab. „Es ist natürlich heikel, einem fremden Typen in Russland einen gewissen Betrag zu überweisen. Für etwas, das man nur von Bildern kennt“ – wenn Schröder das sagt, muss er selbst lachen. Nichtsdestotrotz entscheiden sich die drei Freunde im März das Geld zu überweisen. Lange passierte nichts.
Wie das Cockpit einer Boeing 737 in Attendorn landete
Bis Ende August. „Da bekam ich dann den Anruf, dass das Cockpit beim Hauptzollamt in Siegen ankommt – morgen“, erinnert sich Schröder. Und plötzlich musste alles ganz schnell gehen. Zollerklärung schreiben, logistische Unwägbarkeiten klären – wie kommt das Cockpit vom Lkw überhaupt in den Garten? „Die Firma Kniep hat uns in der Planung unterstützt und uns mit einem Gabelstapler und einem Kran ausgeholfen“, erzählt Schröder. So kam das Cockpit schließlich in den Garten.
Ein Stück Zeitgeschichte
Der ganze Aufwand, um einen Flugsimulator in ein ehemaliges Flugzeug-Cockpit zu bauen? „Ja, das ist schon ein bisschen bescheuert – aber auch verdammt cool“, findet Günzel und lacht dabei. Wenn sich die drei Freunde über „ihre“ Boeing 737 unterhalten, verfallen sie in Lobeshymnen über die Details. Eine Boeing 737-500, Klassik, mit einer Reichweite von 5200 Kilometern. Maximale Auslastung: 140 Passagiere. „1994 hatte sie ihren ersten Flug, ist lange für „Continental Airlines“ und später „UTair“ geflogen“, so Schröder. 2015 habe sie ihren letzten Passagier-Flug, 2018 schließlich ihren letzten Flug gehabt. Das Cockpit ist ein Stück Zeitgeschichte. Authentisch und echt und deswegen so viel wertvoller als ein nachgebautes Modell.
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Alle drei waren schon als Kind von Flugzeugen und ihrer Technik fasziniert. „Ich bin lange erst Simulator in meinem Zimmer geflogen, bevor ich zum Segelfliegen gekommen bin“, erzählt Schröder, der Mitglied beim Luftsport-Club Attendorn-Finnentrop ist. Derzeit macht er zusätzlich einen Motorsegler-Flugschein. „Da ist so ein Flugsimulator schon eine ganz gute Vorbereitung“, findet er. Bis dieser allerdings einsatzbereit ist, wird er mit seinen zwei Freunden noch einer Weile am Cockpit der russischen Boeing 737 herumtüfteln.
Sobald die gröbsten Arbeiten – Dämmmaterial herausnehmen, Kabelbäume und Sicherungen entfernen – abgeschlossen sind, soll das Cockpit in eine Halle umziehen. Wo genau, das wissen die drei Freunde noch nicht. „Erst dann werden wir mit der Elektronik anfangen. Wir müssen ja wettergeschützt sein“, so Schröder, der als Elektriker bei Gedia tätig ist. In der Halle sollte das Cockpit nach Fertigstellung des Flugsimulators nach Möglichkeit auch bleiben. „So weit sind wir in den Planungen aber noch nicht“, erklärt Mario Hachenberg. Die Vorfreude ist trotzdem jetzt schon da.
Abenteuer und Nervenkitzel
Zumal die Drei nicht nur alleine fliegen wollen, sondern den Simulator auch anderen Flugbegeisterten und Neugierigen zur Verfügung stellen wollen. „Wir möchten das Gefühl mit anderen teilen. Abenteuer, Spannung und Nervenkitzel“, gerät Schröder ins Schwärmen. Denn im Simulator sei alles möglich. Einmal durch den Grand Canyon rauschen. Oder unter der Golden Gate Bridge in San Francisco hindurch fliegen. Selbst Pilot sein, Start, Navigation und Landung kontrollieren und das Gefühl, jeden Punkt der Erde erreichen zu können. Und das ganz bequem von Attendorn aus. Ein einzigartiges Projekt in der Region. Das nötige Maß an Ehrgeiz und Leidenschaft bringen die Freunde mit. Das, und eine Portion Verrücktheit.