Olpe. Corona zum Trotz haben sich die Olper Schützen einiges einfallen lassen. Korporalschaften drucken 8000 Bierdeckel, Festmusik im Netz.

In der Kreisstadt wehen in diesen Tagen grün-weiße Fahnen. Zwar hat der St. Sebastianus Schützenverein selbst Abstand davon genommen, die Straßen zu schmücken. Bürger und die Korporalschaften ließen sich das aber nicht nehmen. So weit, so gut und so wie überall im Schützenfest-verrückten Sauerland. Schützenfest ist Leidenschaft, Schützenfest ist Herzblut. Wer versucht, einem Nichtwissenden die Bedeutung des Schützenfestes zu erklären, muss sich mühen.

Einiges hat man sich Corona zum Trotz in Olpe einfallen lassen. Die Korporalschaften ließen 8000 Bierdeckel drucken, darauf zu sehen ist ihr Gewehrschmuck. So wie auch auf dem neuen Banner der Korporalschaften, das bei Hetzels Hotelchen die Straße schmückt. Major Peter Liese postete bereits vor einer Woche eine Videobotschaft. Alle Musikstücke, die den Festablauf bestimmen, liegen zum Download im Netz.

Mit Nachbarn und Freunden

Freitag gab es „Beff to Go“ und zugunsten der Musikvereine verkaufte der Verein Krüge mit der Aufschrift „Te Heyme“. Gefeiert wird in der ganzen Stadt, mit der Nachbarschaft oder mit Freunden und auf Abstand. Wie immer haben die Schützenmützen Tage vorher auf dem Radio gelegen. Denn in die Kappen muss Musik, so oder so. Allein oben auf dem Imberg ist es ruhig. Im größten Biergarten Südwestfalens, wo sonst Tausende Menschen friedlich zusammen feiern, steht die Zeit still.

21.000 Quadratmeter

Der Schützenplatz hat eine Fläche von 21.000 Quadratmetern.

Am 28. Juni 1828 erwarb die Schützengesellschaft das Gelände von Peter Ignatz Weber. Jedoch soll das Vogelschießen schon in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts auf dem Imberg ausgetragen worden sein.

Johannes Neu ist 90 Jahre alt und hat in seinem Leben viele Schützenfeste erlebt. Er ist am Imberg aufgewachsen, stammt aus einer alten Olper Familie, ist also Ölper. „Was möchten Sie wissen, Fräulein?“, fragt er lächelnd und allein diese paar Worte implizieren so unendlich viel. Mit Johannes Neu könnte man Stunden und Tage zusammensitzen und erzählen. Von großen Traditionen, einmaligen Ereignissen und schönen Geschichten rund um das Fest in der Kreisstadt.

Der Herr der Finanzen

Als Rendant war er von 1965 bis 1980 verantwortlich für die Finanzen des Vereins, hatte damit ein Auge auf die riesige Baumaßnahme Anfang der 1970er Jahre, als man das alte 1907 gebaute Zelt aus Holz im Jugendstil durch ein neues ersetzte. In seiner Kellerbar steht noch eine Bank aus diesem alten Zelt. An den Wänden hängen Fotos von unvergessenen Augenblicken. Darunter eines von seinem Sohn Michael, als der 2006 König war. Johannes Neu selbst hatte nicht das Glück. Zwei Mal hat er auf den Vogel angelegt. Zusammen mit seinem Schwager. „Die Suppe war schon vorbereitet. Acht Tage haben wir davon gegessen.“

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Gut erinnert er sich an die Zeit, als man noch einen Korb packte, damit man auf dem Ümmerich etwas in den Magen bekam: Brötchen, Käse und Spüene, jener gepökelte Aufschnitt aus Kuheuter. „Haben Sie das noch nie probiert? Das müssen Sie aber, sonst werden Sie nie eine Olperin“, sagt Johannes Neu und blättert in der Schützenfestchronik. Bei 1954 hält er inne. In dem Jahr regnete es wie noch nie in der Schützengeschichte. Die Terrassen konnten nicht benutzt werden, im Sektkeller stand das Wasser 40 Zentimeter hoch, die Königskrönung fand nicht unter der Vogelstange statt und der Festzug wurde abgebrochen. „Unerschrocken waren die Paderborner Reiter, die die Festmusik spielten. Mit ´Pack die Badehose ein` zogen sie durch die Stadt“, erinnert sich Johannes Neu. Fest im Gedächtnis geblieben ist ihm der Puppenziss - so der Hausname vom ´Obersten Gummersbach` -, der dereinst die Krüge für das Freibiertrinken am Sonntag - man trank Irle-Bier - zum Platz transportierte. Ja, es gäbe noch so viel zu erzählen ….

Polonaise und Gebet am Kump

Fast ebenso viele Jahre wie Johannes Neu hat Maria Stahl Schützenfest gefeiert. Mit ihren zehn Geschwistern ist die heute 85-Jährige im Hardt-Schlösschen aufgewachsen. Allein von daher sei ihr das Schützenfest buchstäblich nah gewesen. Richtig dazu gekommen sei sie indes durch ihren Mann Ulrich, der 15 Jahre im Vorstand war. Und durch Josef Koch, derzeit Chef der Klempnerei Nies am Marktplatz und späterer Major, bei dem Maria und Ulrich Stahl in jungen Jahren arbeiteten und sich kennenlernten. Was sie mit dem Schützenfest verbindet, ist die Königspolonaise, das Gebet am Kump, und der Tanz, die vielen Walzer und Foxtrotts, ganz früher noch auf einem Holzboden, der zum Fest aufgebaut wurde.

Sie denkt auch an ihre Mutter Magarete Bröcher, die jahrelang die Wicken-Sträußchen für die 6. Korporalschaft band. Und an all das Drumherum: die Vorbereitungen, die Markklößchensuppe, das Bügeln unzähliger Hemden für ihren Mann und ihre drei Söhne und nicht zuletzt die Vorfreude, die Spannung, die in der Luft liegt und in der ganzen Stadt zu spüren ist. „Man kann es nicht wirklich erklären, was Schützenfest in Olpe bedeutet. Schützenfest, das ist ein Gefühl“, sagt Maria Stahl.

Der Heimatchronist Josef Schmelzer hat es damals so ausgedrückt: „Wenn ich hier oben auf dem Schützenplatz stehe, bin ich jedes Mal ergriffen, mit welch´ bewundernswertem Verständnis unsere Ahnen die Lage und Bedeutung dieses schönen Platzes damals erkannt haben.“ Zu dem „Platz“ hat Johannes Neu auch noch etwas zu sagen und bezieht sich dabei auf den Mundartforscher Dr. Werner Beckmann. Es heißt zwar Ümmerich, geschrieben wird aber Ümmerig. Weil man hier im Sauerland ist. So wie Tach=Tag, Berch=Berg.

Liebe Olper, bis zum nächsten Jahr also. Dann wieder auf dem Ümmerig, Verzeihung, Ümmerich!