Kirchhundem/Siegen. Wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Vierjährigen verurteilte das Landgericht einen 29-Jährigen zu drei Jahren und neun Monaten Haft.

Die Vorwürfe sind abscheulich. Wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kinder in Kirchhundem sitzen zwei Männer in Haft. Ein 39-Jähriger soll seine Pflegetochter und ein Freund (29) der Familie den Sohn missbraucht haben. Letzteren verurteilte die 2. Große Strafkammer des Siegener Landgerichtes am Freitag zu drei Jahren und neun Monaten Haft.

Zu Beginn der Verhandlung verkündete die Vorsitzende Richterin, Sabine Metz-Horst, eine Verständigung der Prozessbeteiligten: Die Kammer sichert dem Angeklagten eine Freiheitsstrafe zwischen drei und vier Jahren zu, wenn er ein glaubhaftes Geständnis ablegt und dem kleinen Jungen damit die Aussage vor Gericht erspart. „Das ist so richtig“, räumte der 29-Jährige die Vorwürfe ein. Zwischen März 2018 und April 2019 missbrauchte er den Jungen zweimal, wobei er seine perversen Handlungen einmal filmte. Zudem fanden die Ermittler 53 Videos und sechs Bilder mit Kinderpornografie auf seinen Handy, die er sich aus dem Darknet heruntergeladen hatte.

An Ostsee kennengelernt

Er habe die Familie aus Kirchhundem, die sowohl Pflegekinder und leibliche Kinder hat, im Sommer 2018 an der Ostsee kennengelernt. Sie hätte dort Urlaub gemacht und er sich mit Mini-Jobs über Wasser gehalten, so der gelernte Garten- und Landschaftsbauer aus Osnabrück. Es entstand schnell eine Freundschaft, so dass der 29-Jährige nach dem Urlaub mit der Familie die Heimreise in den Kreis Olpe antrat.

Weiterer Prozess

Der Prozess gegen den 39-Jährigen, der seine Pflegetochter in Kirchhundem missbraucht haben soll, beginnt am kommenden Donnerstag, 23. Juli, vor der 1. Großen Strafkammer des Landgerichtes in Siegen.

Vorsitzende Richterin ist Elfriede Dreisbach.

Angesetzt sind insgesamt sechs Verhandlungstage. Das Urteil soll am 22. September gesprochen werden.

Der Angeklagte zog bei der Familie in Kirchhundem ein. Er habe dem Jungen die Pampers gewechselt, ihn gebadet und geduscht: „Wir waren beste Freunde geworden. Die Situation habe ich dann schamlos ausgenutzt.“ Der zweite Missbrauch habe eine Viertelstunde gedauert, sagte Richterin Metz-Horst: „Das ist eine richtig lange Zeit. Ihnen ist klar, was das für Folgeschäden haben kann. Warum haben Sie das gemacht?“ - „Ich weiß es nicht.“ Zur Frage der Richterin, ob er eher auf Jungs oder Mädchen stehe, sagte er: „Jungs, Männer und Frauen.“ Der 29-Jährige gehörte zur Familie und berichtete, wie er einmal den 39-Jährigen beobachtete, wie er von der Pflegetochter kam: „Seine Hose war merkwürdig ausgebeult. Da waren auch Flecken drauf.“

Mutter wusste von nichts

Die Pflegemutter betonte, dass sie von allem nichts gewusst habe. Sie habe sich doch erkundigen müssen, wenn da ein fremder Mann in die Familie kommt, meinte Richterin Metz-Horst. „Ja, es ist auch meine Schuld“, so die 38-Jährige. Erst im April 2019 habe sie auf ein Führungszeugnis des 29-Jährigen gedrängt und von seinen Vorstrafen erfahren. Dann habe sie dafür gesorgt, dass er das Haus verlässt. Der Sohn habe sich dann geöffnet: „Auf einmal schoss es aus dem kleinen Kerlchen raus, was er erlebt hat.“

Das Amtsgericht Coesfeld verurteilte den 29-Jährigen im Jahr 2013 wegen zwölffachen sexuellen Missbrauchs von Kindern zu eineinhalb Jahren Jugendstrafe zur Bewährung, die widerrufen wurde, weil er keinen Kontakt zur Bewährungshelferin hielt und der Therapieauflage nicht nachkam. Dr. Bernd Roggenwallner stellte beim Angeklagten eine dissoziale Persönlichkeitsstörung fest, aber keine Pädophilie, weil es eine große Willkür bei seinen sexuellen Kontakten gebe.

Staatsanwältin fordert vier Jahre

Staatsanwältin Katharina Borchert sprach von „einer perfiden Tatbegehung“ und forderte vier Jahre Haft. Dem schloss sich Nebenklage-Vertreterin Alexandra Schulte an: „Der Angeklagte hat das Vertrauen des Jungen erschlichen und auf übelste Weise ausgenutzt.“ Sein Mandant habe jetzt die Karten auf den Tisch gelegt, so Verteidiger Björn Lange.

„Er war vier Jahre alt, ein ganz kleiner, naiver Junge, der Sie gemocht hat, der geklammert hat, der Ihre Nähe gesucht hat. Er hat immer wieder gefragt: Wie lange noch?“, meinte Richterin Metz-Horst in Richtung des Angeklagten. Und: „Wenn noch mal etwas vorkommt, müssen Sie in Sicherungsverwahrung.“