Kreis Olpe. Nach einem Formfehler im Verkehrsministerium stehen zahlreiche Bußgeldbescheide und Fahrverbote auf dem Prüfstand. Was zu tun ist? Hier mehr.

Kreispressesprecher Hans-Werner Voß redete auf Anfrage unserer Zeitung am Freitag Morgen gar nicht lange um den heißen Brei herum:

„17 Führerscheine, die im Zuge von aktuellen Verfahren zu Geschwindigkeitsverstößen bereits eingezogen worden sind, geben wir noch heute zurück.“ Voß nahm damit Stellung mit Blick auf eine erneute Panne im Bundesverkehrsministerium. Den Experten ist offenbar ein Formfehler im Zusammenhang mit dem verschärften Bußgeld-Katalog unterlaufen, der dessen Rechtmäßigkeit in Frage stellt.

Der neue Bußgeld-Katalog war am 28. April in Kraft getreten und hatte dafür gesorgt, dass Geschwindigkeitsüberschreitungen im Straßenverkehr deutlich härter bestraft wurden. Unter anderem hagelte es seither Fahrverbote, was Autofahrer und deren Interessenvertreter auf die Palme gebracht hatte.

270 Fahrverbote in zwei Monaten

Auch im Kreis Olpe, wie Hans-Werner Voß einräumte: „In den beiden Monaten seit der Einführung des neuen Bußgeld-Kataloges haben wir rund 270 Fahrverbote verhängt.“ Also rund 135 pro Monat. Zuvor seien es im Schnitt gerade einmal 40 bis 50 pro Monat gewesen.

Kein Wunder: Bereits ab einer Überschreitung der Tempolimits von 21 km/h innerorts gilt seit Ende April das einmonatige Fahrverbot, außerhalb geschlossener Ortschaften greift das Fahrverbot, wenn man 26 km/h drüber ist.

Regelungen des neuen Bußgeld-Katalogs

Ein Tempoverstoß zwischen 21 und 25 km/h innerorts wird laut neuem Bußgeld-Katalog mit 80 Euro, einem Punkt in Flensburg und einem Monat Fahrverbot bestraft. Außerorts ist das bei einem Verstoß zwischen 26 und 30 km/h der Fall.

Innerorts gilt darüber hinaus: Bis 10 km/h zu schnell sind 30 Euro fällig, bei 11 bis 15 km/h 50 Euro und bei 16 bis 20 km/h zu schnell 70 Euro. Die vor dem 28. April gültigen Bußgelder waren nur halb so hoch.

Wer innerorts mehr als 70 km/h zu schnell ist, zahlt 680 Euro Strafe, bekommt zwei Punkte und muss für drei Monate den Führerschein abgeben.

Aber nicht nur inflationär verhängte Fahrverbote sorgten für wütende Autofahrer, auch stark gestiegene Geldbußen und Punkte in Flensburg. Die Gesamtzahl der im Kreis Olpe geahndeten Tempo-Verstöße bezifferte Voß auf rund 6.000 für Mai und Juni.

Fachanwälte einig

Wir sprachen über das Thema mit zwei Experten im Kreis Olpe, Fachanwälte für Verkehrsrecht.

Klaus Söbke aus Elspe und Thomas Primavesi (Olpe) waren sich weitgehend einig in ihrer Bewertung der neuen Rechtslage und rieten Betroffenen: „Auf jeden Fall Einspruch gegen Bußgeldbescheide einlegen.“

Söbke: „Ich bin gerade dabei, mich mit der aktuellen Situation im Detail zu beschäftigen. So, wie sich die Sachlage darstellt, liegt ein Formfehler vor, der bei der Verkündung des Gesetzes aufgetreten ist, auf dem die neue Bußgeldverordnung fußt.“

Primavesi sieht es ähnlich: „Der Bußgeld-Katalog ist für sich genommen eine Verordnung, kein Gesetz. Die Gesetzesgrundlage für die neue Verordnung ist aber offenbar nicht korrekt zitiert worden. Ein nicht heilbarer Formfehler.“

Chancen stehen gut

Deshalb stünden die Chancen gut, für noch nicht rechtskräftige Bußgeldbescheide spürbare Verbesserungen zu erzielen. Primavesi zeigte sich sicher, dass auch die Behörden in NRW jetzt zurückruderten. „Offenbar ist im Bundesverkehrsministerium stümperhaft gearbeitet worden.“

Klaus Söbke will sogar nicht ausschließen, dass auch die bereits rechtskräftigen Bescheide anfechtbar sein könnten: „Wiederaufnahmeverfahren sind grundsätzlich möglich. Sie sind jedoch an strenge formale Kriterien gebunden.“

Söbke erinnert an zwei Vorfälle aus Nordrhein Westfalen: „Vor ein, zwei Jahren hat es auf der A 3 im Kölner Raum Tempo-Messungen in einer angeblichen Tempo-80-Zone gegeben, aber es stellte sich dann heraus, dass das Tempo-80-Schild fehlte.“ Und an der Ampelanlage an der Corneliusstraße in Düsseldorf seien Autofahrer angeblich bei „Rot“ über die Ampel gefahren, das „Blitzgerät“ sei aber falsch programmiert gewesen. In beiden Fällen habe es solche Wiederaufnahmeverfahren gegeben.

Bundes- und Landespolitik

Kurios: Das Bundesverkehrsministerium hatte den Landesverkehrsministern am Donnerstag per Videoschalte selbst mitgeteilt, dass die Fahrverbote offenbar nicht zu halten seien. Das Saarland reagierte am schnellsten, drehte die schärferen Strafen zurück, kurz darauf folgten Bayern und Niedersachsen.

Der heimische NRW-Landtagsabgeordnete Jochen Ritter (CDU)sagt: „Fahrverbote sind scharfe Schwerter für alle die, die aufs Auto angewiesen sind. Wenn die neue Straßenverkehrsordnung dafür keine belastbare Grundlage bietet, muss die bisherige Regelung wieder her.“