Helden. Schweinemäster Josef Mertens aus Attendorn-Helden ist Geschäftspartner von Clemens Tönnies – und überzeugt: „Ich kann nichts Negatives sagen.“

Mit den Schreckens-Szenarien, die momentan über unzählige TV-Sender in bundesdeutsche Wohnzimmer flimmern, hat es wenig zu tun, wenn der Schweinemäster Josef Mertens aus Attendorn-Helden mit der Strohwanne an seinen Ställen vorbeigeht. Die neugierigen Tiere bemerken sofort, dass irgendwas Interessantes in ihr Terrain geworfen wird, flüchten aber sogleich, wenn sie den unbekannten Mann mit der Fotokamera sehen – mich.

Flucht im Schweinestall? Wie soll das gehen, wo sich in den Köpfen der Menschen doch das Bild eingeschweißt hat, dass Schweine ausschließlich auf engstem Raum zusammengepfercht auf ihren Schlachter warten. Es geht offenbar auch anders, denn die Tiere auf dem Heldener Bauernhof haben erstens Platz, umherzulaufen und zweitens einen Ausgang in den Außenstall - unter freien Himmel. Zu allem Überfluss macht Mertens auch kein Geheimnis daraus, wer seit einigen Jahren sein Vertragspartner ist: „Das ist der Clemens Tönnies.“

Der Landwirtschaftsmeister aus Helden sieht auch keinen Grund, das zu verheimlichen, obwohl das öffentliche Image des Großschlachters aus Rheda-Wiedenbrück gerade im tiefsten Keller angelangt ist.

„Ich kann über dieses Unternehmen nichts Negatives sagen. Alle Leute von Tönnies, mit denen ich zu tun hatte und habe, machen einen sehr qualifizierten Eindruck.“ Und auf das Wort von Tönnies sei Verlass, zu 100 Prozent: „Ich habe nicht mal einen schriftlichen Vertrag, nur eine mündliche Vereinbarung. Über fünf Jahre. Das reicht mir.“

Als der Schlachthof von Westfleisch habe schließen müssen, hätten einige Tönnies-Konkurrenten das ausnutzen und den Erzeugerpreis für Schweinefleisch unter 1,60 Euro senken wollen, doch Tönnies habe gesagt: ,Das machen wir nicht mit.’

Überzeugendes Konzept für neue Produktlinie

Dass er mit seinem Bild des langjährigen Schalke-Bosses nicht ins momentane Meinungsklischee passt, ist Mertens egal. Vor etwa drei Jahren sei der Tierarzt von Tönnies auf ihn zugekommen und habe gefragt, ob er nicht an einer neuen Produktlinie von Aldi teilnehmen wolle. Der Veterinär, so Mertens, habe ihn überzeugt.

Die Außenställe gehören zu den Regeln der Produktlinie Fair & Gut für mehr Tierwohl dazu. Schweinemäster Josef Mertens ist vom Konzept überzeugt.
Die Außenställe gehören zu den Regeln der Produktlinie Fair & Gut für mehr Tierwohl dazu. Schweinemäster Josef Mertens ist vom Konzept überzeugt. © WP | Josef Schmidt

Die Produktlinie Fair & Gut machte einige Umbauten im Stall notwendig und Mertens muss seither strenge Auflagen erfüllen. Aber vom Konzept ist er überzeugt: „Meine Schweine haben viel mehr Platz, können nach draußen.“ Gefüttert würden sie ausschließlich mit eigenem Getreide und gentechnikfreiem Soja- und Rapsschrot.

Und dann sagt Mertens etwas, das vermutlich der Schlüssel zur Lösung im Themenkessel ist, in dem momentan unterschiedlichste Problemfelder verwurstet werden: Corona, Tierwohl, Ernährungsgewohnheiten, Arbeitsschutz: „Der Kunde hat es selbst in der Hand. Tönnies und Aldi würden gerne weit mehr Landwirte in das Programm Fair & Gut aufnehmen, aber dafür müssen die Kunden auch bereit sein, den spürbaren Mehrpreis zu zahlen“, sagt der Landwirt.

Preisunterschied zu anderen Haltungsformen riesig

Ein Vergleich: Das Kilo Fair&Gut-Gehacktes kostet aktuell 8,30 Euro. Haltungsform 3 (von 1 bis 4). Das Kilo der schlechtesten Haltungsform 1 dagegen 4,82 Euro (Stichprobe Aldi Olpe, 30. Juni).

Und das Beispiel aus dem Nachbarland Dänemark, eine Nation mit traditionell starker Schweineproduktion, bestätigt das Problem: „Dort gibt es schon länger Qualitätslabels, doch die Produktion mit hohen Tierwohl-Standards musste zurückgefahren werden, weil die Leute nicht bereit sind, mehr Geld auszugeben“, zieht Mertens die Schultern hoch. In Deutschland sehe die Situation nicht viel anders aus.

Dass Tönnies wegen der Arbeitsbedingungen der Arbeiter von Subunternehmen kritisiert werde, könne er zwar verstehen, aber dann müsse man grundsätzlich gegen solche Werksverträge vorgehen, im Hoch- und Tiefbau und der Reinigungsbranche und vielen anderen auch.

Mertens: „Man darf die Augen nicht davor verschließen, dass es für schwere körperliche Arbeit in Deutschland kaum Arbeitskräfte gibt. In diesem Moment sind beispielsweise rumänische Werkarbeiter für Baufirmen auch im Kreis Olpe tätig. Da fragt kein Mensch nach den Arbeitsbedingungen.“