Kreis Olpe. Die Mehrwertsteuer sinkt ab dem 1. Juli von 19 auf 16 Prozent. Doch inwieweit profitiert der Kunde im Kreis Olpe? Wo bleiben Preise unangetastet?

Eine Woche noch, dann sinkt bis Ende des Jahres die Mehrwertsteuer von 19 auf 16 Prozent, der ermäßigte Satz von sieben auf fünf Prozent. Damit will die Bundesregierung in Coronazeiten die gebeutelte Wirtschaft wieder ankurbeln. Fest steht schon jetzt: Die Kunden im Einzelhandel im Kreis Olpe können sich fast überall auf einen Nachlass freuen, viele Unternehmen wollen die Steuersenkung 1 zu 1 weitergeben. Brot, Bier und Bratwurst dagegen werden nicht billiger. Die Gastronomie, die besonders unter Corona zu leiden hat, sieht keinen Spielraum.

„Wir können das nicht weitergeben, unsere Betriebe sind sowieso schon am Limit“, erklärt Bernhard Schwermer, DEHOGA-Kreisvorsitzender und Betreiber des Rhein-Weser-Turms. Denn dann würde die Mehrwertsteuersenkung auf Speisen, die Ende April beschlossen wurde, um der Gastronomie zu helfen, vollends verpuffen. Getränke seien sowieso von der Senkung ausgenommen. Auch bei den Bäckereibetrieben bleiben die Preise unangetastet. Zum Ausgleich werden die meisten Bäcker auf die für August geplanten Corona-bedingten Preiserhöhungen verzichten, so Innungs-Obermeister Georg Sangermann.

Anders sieht es im Einzelhandel aus, die Kundschaft darf sich freuen. „Wir werden den Mehrwertsteuervorteil definitiv an unsere Kunden weitergeben“, sagt Gudrun Knappstein, Verkaufsleiterin des Möbelhauses Knappstein in Elspe. Das wird auch Nicole Kost tun, Betreiberin eines Wein- und Spirituosengeschäfts in Attendorn. Sie sagt: „Ich verstehe das auch als Botschaft an den kleinen Mann.“ Wenngleich sich die Mehrwertsteuersenkung beim Kauf einer guten Flasche Wein kaum bemerkbar machen wird.

Keine neuen Preisschilder

Kunden, die es ganz genau nehmen wollen, sollten zum Einkauf den Taschenrechner einpacken. Denn in

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fast allen Ladenlokalen werden die Preisschilder nicht geändert. Auch beim Möbel-Häuptling Knappstein erfährt der Kunde erst beim Blick auf den Verkaufsbon an der Kasse, wieviel ihm die Mehrwertsteuersenkung effektiv gebracht hat. Denn tausende Artikel mit neuen Preisetiketten zu versehen, diesen riesigen Aufwand wird sich wohl kaum ein Händler antun.

Deshalb hat der Bundeswirtschaftsminister die Mehrwertsteuersenkung mit einer „Billigkeitsregelung“ bei der Preisauszeichnung flankiert. So können pauschale Rabatte an der Kasse gewährt werden, ohne dass alle Preise bis 1. Juli geändert werden müssen.

„Der Arbeitsaufwand wäre immens hoch, jedes Teil mit einem neuen Etikett zu versehen, für uns nicht umsetzbar“, sagt dazu Christoph Wacker, Inhaber von Uhren Gummersbach in Attendorn.

Finanzamt lässt grüßen

Allerdings muss auf den Kassenbons – das Finanzamt lässt grüßen – der korrekte, neue Steuersatz ausgewiesen werden, was wieder erheblichen Aufwand und Kosten mit sich bringt. Alle Inhaber von Ladengeschäften, egal ob Bäcker, Friseure, Optiker, Restaurants, Sanitätshäuser, Goldschmiede oder Autohäuser müssen bis Mittwoch, 1. Juli, ihre Kassen und IT-Systeme an die Umsatzsteuersatzsenkung anpassen bzw. anpassen lassen. „Ein riesiger bürokratischer Aufwand“, sagen Thomas und Heidi Weber von „Metzgerei und Partyservice Weber“ in Gerlingen und Olpe.

„Bei der letzten Mehrwertsteuererhöhung zum 1. Januar 2007 hatten wir ein halbes Jahr Zeit, um das vorzubereiten, jetzt haben wir nur zwei Wochen“, sagt Gudrun Knappstein.

Im Handwerk, zum Beispiel bei der Enders Heizung Sanitär GmbH & Co. KG in Olpe, ändert sich im Außengeschäft nichts, sondern nur intern in Buchhaltung und Rechnungswesen. Der Handwerksbetrieb arbeitet mit Netto-Preisen, die gültige Mehrwertsteuer kommt hinten drauf. Allerdings ist die interne Verwaltung mit einem erheblichen Aufwand verbunden. Schließlich gilt es zu differenzieren. Denn bei alle Leistungen, die vor dem 30. Juni abgeschlossen werden, kommen 19 Prozent Mehrwertsteuer oben drauf, 16 Prozent für alles ab dem 1. Juli. Dafür gibt es ein entsprechendes System-Update in der Buchhaltung. „Entscheidend ist der Tag der Fertigstellung der Leistung“, erklärt Thomas Enders. „Quasi die letzte Schraube, die gedreht wird.“ Der Zentralheizungs- und Lüftungsbaumeister und Gas- und Wasserinstallateurmeister steht der Mehrwertsteuersenkung positiv gegenüber. „Das ist für viele Kunden natürlich ein Kaufargument“, sagt er. „Das muss allerdings am 31. Dezember fertig sein. Sonst gelten wieder die 19 Prozent Mehrwertsteuer.“

Bleibt zu hoffen, dass sich der Aufwand lohnt und sich die erwartete konjunkturelle Wirkung auch einstellen wird. Thomas und Heidi Weber sind da skeptisch: „Wir glauben nicht, dass wir dadurch mehr Kunden bekommen“, sagen sie. Und auch Christoph Wacker verspricht sich von der Steuersenkung „keinen absoluten Kaufanreiz“.