Hohe Bracht/Kreis Olpe. Premiere: Zum ersten Mal versammelten sich die Bürgermeisterkandidaten der Union im Kreis zum Livestream - als Gast: Innenminister Herbert Reul.

Dass die sieben CDU-Bürgermeisterkandidaten im Kreis und Landratskandidat Theo Melcher mit dem nordrhein-westfälischen Innenminister einmal in einer Art „Stühlchenkreis“ sitzen würden, das hätten sich die Herren auch nicht träumen lassen. Doch die Corona-Situation macht vieles möglich, auch ein neues Format von Wahlkampfveranstaltungen. Statt zur Videokonferenz aus dem Home-Office trafen sich die Christdemokraten am Dienstag zu einer Live-Stream-Diskussion im Saal der Hohen Bracht, um vor ca. 20 Zuhörern einschließlich Presse mit NRW-Innenminister Herbert Reul über relevante Themen aus dessen Ressort zu sprechen.

Live im Internet

Das gut einstündige Gespräch wurde live im Internet übertragen. Immerhin: Mit der Quote von im Schnitt 120 Zuschauern vor den heimischen PC-Bildschirmen können die Organisatoren zufrieden sein. „Mehr wären in der jetzigen Zeit in einer großen Halle sicher auch nicht gekommen“, so CDU-Kreisgeschäftsführer Hubert Brill.

Der Vorteil solcher Live-Stream-Formate ist, dass die Sendezeit wie beim TV begrenzt ist und Endlos-Beiträge somit von vorneherein ausgeschlossen sind. Lennestadts CDU-BM-Kandidat und Moderator des Abends Tobias Puspas drückte deshalb aufs Tempo und der Gast aus Düsseldorf ließ sich nach lobenden Worten über seinen Job als Innenminister nicht lange bitten. „Wir haben uns bemüht einiges zu tun, aber es ist noch lange nicht alles erledigt, es läuft noch nicht alles rund“, sagte Reul. Und: „Man darf den Menschen nicht zu viel versprechen“, es klang ein wenig wie eine Mahnung an die Bürgermeisterkandidaten für die heiße Phase des Wahlkampfes. Die Sicherheit im Land sei eine fundamentale Aufgabe, aber vor allem die Sicherheit vor Ort sei wichtig, deshalb müssten die Polizeibeamten auch in den Kommunen sichtbar sein.

NRW-Innenminister Herbert Reul auf der Hohen Bracht.
NRW-Innenminister Herbert Reul auf der Hohen Bracht. © WP | Volker Eberts

Dass es hier im Kreis Olpe Luft nach oben gibt, wurde - logischerweise - nicht kritisch thematisiert. Peter Weber (Olpe) lobte dagegen die gute Zusammenarbeit der Ordnungsbehörden im kleinen Kreis Olpe, in dem man sich gut kenne. „Kurze Wege sind ein großer Vorteil.“

Straßensperrungen nur im Notfall

Beim Thema Verkehrssicherheit und vor allem beim Kampf gegen Motorrad-Rowdys, die am Wochenende mit ihren frisierten Maschinen die Straßen im Kreis unsicher machen und für körperverletzenden Lärm sorgen, zeigten sich Björn Jarosz (Kirchhundem) und der Innenminister auf einer Wellenlänge. „Streckensperrungen halte ich nicht für ein geeignetes Mittel“, so Jarosz, selbst Motorradfahrer, denn damit würden alle Biker abgestraft: „Ich bin für drastische Kontrollen und direkte Stilllegung von Maschinen, die zu laut und zu schnell sind.“ Der Minister sieht es ähnlich: „Flächendeckend zu kontrollieren ist nicht einfach, aber gezielte Kontrollen an bestimmten Tagen hinterlassen Wirkung.“ Streckenverbote seien eher das letzte Mittel und müssten gut begründet sein.

Werbung für das Ehrenamt

Beim Thema Ehrenamt waren sich alle einig. Bernd Clemens (Wenden): „Ich werbe dafür, allen ehrenamtlichen Helfern mehr Respekt entgegen zu bringen.“ „Eine Gesellschaft ohne freiwillig aktive Menschen ist keine Gesellschaft“, bekräftige Reul. Die Menschen, die ehrenamtlich und kostenlos für die Gemeinschaft arbeiten, seien ein Geschenk. Von der Forderung aus dem Plenum, die Nichtaktiven per staatlicher Anordnung zu sozialer Arbeit zu verdonnern, hält Reul nichts, aber ehrenamtliche Arbeit irgendwie über das Rentensystem zu honorieren, sei schwierig, aber eine gute Idee.

Theo Melcher (Kreis) stellte fest, dass der Ton gegen die Helfer, sei es Polizei oder Feuerwehr, immer aggressiver werde. Der Innenminister sagte, das Land sei beim Schutz der Polizisten im Einsatz auf dem richtigen Weg, aber auch hier noch lange nicht fertig, trotz mehr als 100 Millionen Euro Investition in die Sicherheitsausstattung. Er forderte mehr Rückendeckung für die Beamten aus der Gesellschaft. „Wenn Polizisten im Dienst angespuckt werden, wo bleibt da der Aufstand.“ Der Innenminister stellte sich unmissverständlich hinter die Ordnungshüter: Die Leute in der NRW-Polizei seien gut ausgebildet, jeder sei hinsichtlich seiner Gesinnung gecheckt. „auf die Polizei kann man sich verlassen.“

Moderator Tobias Puspas.
Moderator Tobias Puspas. © WP | Volker Eberts

Noch lange nicht gut genug aufgestellt sieht Reul seine Polizei auch bei der sogenannten Cyber-Kriminalität im Internet, über das heute alle „dicken Brocken“ der Kriminalität wie Terrorismus, jeglicher Extremismus, Missbrauch etc. organisiert würden. „Das Netz ist ein nicht geregelter Raum, wir sind besser geworden aber wir haben Lücken.“ Der Minister appellierte empfahl an alle Unternehmer und jeden Privatmann seinen Internetzugang selbst vor Hackern zu sichern. Nach gut einer Stunde beendete Tobias Puspas die kurzweilige Talkrunde mit einem gemeinsamen Wahlkampf-Statement der Union im Kreis Olpe. „Wir wollen zusammenarbeiten und bieten dem Wähler ein gutes Komplettprogramm an.“ Ob dies die Wahlberechtigten dann auch so sehen, wird sich am 13. September entscheiden.