Finnentrop. Beim Heimatcheck geht es um die Frage: Wie sicher fühlen sich die Menschen? Finnentrop wurde kreisweit am schlechtesten bewertet. Ein Ortsbesuch.

Die Güter-Waggons stehen im Bahnhof. Still und teilnahmslos. Als wären sie seit Jahren nicht bewegt worden. Graffitis zieren das klassische Rost-Rot. „Liebe Grüße von der Gang“, steht dort geschrieben. Wer wohl die Gang ist? Vielleicht ein paar Jugendliche, die die dämmernden Abendstunden nutzen, um durch Finnentrop zu streifen. Vielleicht aber auch ein paar Kinder, die sich einen Scherz erlaubt haben. Auf dem Park&Ride-Parkplatz stehen nur wenige Autos. Einweg-Kaffeebecher liegen auf dem Boden. Zigarettenschachteln, Schnapsfläschchen, zerdrückte Bierdosen. Spuren einer vergangenen Feier?

Ein Zug übertönt das Rauschen der angrenzenden Straße. Er transportiert Neuwagen. Feinsäuberlich hintereinander aufgereiht. Der typische Geruch kommt auf. Eine Mischung aus Gleisschotter und Schmutz. Es ist kurz nach 17 Uhr. Die Bürgersteige sind fast leer.

Josef Wurm (59) ist auf dem Weg zu seinem Auto. Er trägt eine Jacke über seinem Anzug, ein Tablet in der Hand. Feierabend für den Mitarbeiter der Sparkasse in Finnentrop. „Ich fühle mich hier top sicher“, erzählt der Mann aus Ostentrop. „Das war aber auch noch nie anders. Höchstens das Schulzentrum ist ein Brennpunkt. Meine Töchter sagen immer, dass ich sie bloß früh genug abholen soll.“

Schon öfter bedrängt

Autos zwängen sich im Wechsel der Rot-Grün-Phasen der Ampelanlage durch die Baustelle. Vor dem Döner-Laden stehen zwei Männer. Sie rauchen. Auf der anderen Straßenseite laufen zwei Mädchen vorbei. Sie haben ihre Hände in den Jackentaschen versenkt. Es ist ein kühler Frühlingsabend. „Man hat schon ein bisschen Angst“, sagt eine von ihnen. „Hier laufen echt komische Männer rum, die einen mustern oder blöd ansprechen.“ Die Freundinnen wollen nicht namentlich genannt werden. Sie sind beide 16 Jahre alt und Schülerinnen in Finnentrop. „Ich wurde schon öfter bedrängt“, erzählt das andere Mädchen. „Vor allem am Bahnhof ist es schlimm.“

Güter-Waggons am Bahnhof in Finnentrop. Dort hat sich ein Graffiti-Sprayer verewigt
Güter-Waggons am Bahnhof in Finnentrop. Dort hat sich ein Graffiti-Sprayer verewigt © WP | Verena Hallermann

In der DHL-Poststelle am Bahnhof bedient eine Frau mit Schutzvisier einen Kunden. Vermutlich der letzte vorm Feierabend. Es ist ruhig. Ein paar Männer sitzen auf den Bänken der Bahnsteige. Verteilt, jeder auf einer. Der eine Mann hat seine Schutzmaske unter das Kinn gezogen. Er hat eine Tüte dabei. Offenbar hat er kurz vorher Obst und Gemüse gekauft. Ein anderer Mann trägt Kopfhörer. Er sitzt breitbeinig auf der Bank, die Hände in den Taschen seiner Jogginghose. Die anderen Menschen nimmt er kaum wahr. Die RB 92 fährt ratternd in den Bahnhof. Er steigt ein.

Marc Rummler bleibt noch sitzen. Neben ihm steht Lucas, der Kleine von seiner Freundin. Die beiden haben ihre Fahrräder dabei, waren gerade einkaufen. Jetzt gleich soll es mit dem Zug wieder nach Hause gehen. „Klar gibt es mal Momente, wo irgendwelche Besoffene hier stehen“, sagt der Mann, der in Finnentrop arbeitet. „Aber eigentlich fühlt man sich hier schon sicher.“ Der RE 16 ist da. Die beiden nehmen die Fahrräder und steigen ein.

Pendeln aus beruflichen Gründen

Eine Durchsage ertönt. Einer der Züge hat 15 Minuten Verspätung. Grund ist eine polizeiliche Kontrolle, erzählt die Frauenstimme. Über die digitalen Bildschirme läuft eine Erinnerung an die Mund-Nasen-Bedeckung. Der Himmel zieht sich zu. Es wird kälter. Ein junges Pärchen steht eng umschlungen im Windschutzschatten eines Zuges. Sie küssen sich. Gegenüber stehen drei Frauen, die sich in Gebärdensprache unterhalten. Etwas weiter weg hat es sich eine kleine Gruppe rund um eine Bank gemütlich gemacht.

Eine junge Mutter ist dabei, neben ihr steht ein Kinderwagen. Die jungen Männer halten Dosen in der Hand, Energy-Drinks.

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Am anderen Ende des Bahngleises steht René Rosenbaum (37). Er kommt aus Hemer, pendelt regelmäßig nach Finnentrop. Aus beruflichen Gründen. „Ich fühle mich hier nicht unsicher“, sagt er. „Aber ich bin auch kein ängstlicher Typ und zu normalen Tageszeiten hier. Dass hier schon mal komische Leute rumlaufen, ist normal.“

Die Bahnsteige leeren sich. Die letzten Wartenden steigen in den Zug. Nur vereinzelt queren Passanten den Bahnhof. Die Frau in der DHL-Poststelle hat mittlerweile Feierabend. Auf dem Parkplatz der Netto-Filiale herrscht noch hektisches Gedränge. Ein Mann mit tätowierten Unterarmen bindet gerade seinen Hund los, der vor der Tür warten musste. Die beiden Männer vor dem Döner-Laden sind immer noch dort. Auf dem Park&Ride-Parkplatz steht ein weiteres Auto. Der Kofferraum ist offen, ein junger Mann lehnt gegen das Fahrzeug. Sein Kumpel hält ein Smartphone in der Hand. Sie hören Musik. Vielleicht warten sie noch auf ein paar Freunde. Vielleicht haben sie sich aber auch nur auf ein Feierabend-Bier getroffen. Am Rande der Bahngleise. Ganz in der Nähe der Güter-Waggons, die sich mit ihrer rost-roten Farbe vor dem langsam verdunkelnden Abendhimmel abheben.