Lennestadt. Wegen der Corona-Krise stehe bislang noch kein Unternehmen im Kreis Olpe vor dem Aus, sagen die Bänker der Volksbank Bigge-Lenne. Und in Zukunft?

Die Kurzarbeit auf Rekordniveau, die Arbeitslosenzahlen deutlich gestiegen – die Wirtschaft in der Region spürt die Auswirkungen der Corona-Krise. Viele Unternehmen sind auf Soforthilfen oder Kredite angewiesen. Damit ist die Krise längst auch bei den heimischen Banken angekommen.

Im Interview sprechen Vorstand Andreas Ermecke und Firmenkundenbank-Leiter Stefan Hütte von der Volksbank Bigge-Lenne über die aktuelle Wirtschaftslage, die Mängel der aktuellen Hilfsprogramme und was das alles für Volksbank-Kunden und -Mitglieder bedeuten könnte.

Wie geht es den Unternehmen im Kreis Olpe rund acht Wochen nach Beginn der Corona-Krise?

Andreas Ermecke: Einen so großen externen Schock kann man nicht einfach abfangen. Event-Agenturen, Messeveranstalter, Hotels, Restaurants, auch Teile des Einzelhandels – da fiel der Umsatz von heute auf morgen auf Null. Auch im Automotive-Bereich wurde die Produktion zurückgefahren. Von daher gibt es natürlich Branchen, die stärker betroffen sind und kurzfristig auf Hilfe angewiesen waren. Auf der anderen Seite haben viele unserer Kunden die gute wirtschaftliche Entwicklung in den vergangenen Jahren genutzt, um Rücklagen zu bilden. Das hilft ihnen jetzt in dieser Situation.

Stefan Hütte: Das führt in der aktuellen Situation auch dazu, dass bislang kein Unternehmen in massive Schwierigkeiten gekommen ist. Schwierig ist aber die Prognose, wie die Entwicklung der nächsten Monate sein wird. Die Unternehmen müssen den Nebel, der vor ihnen liegt, durchleuchten. Das ist im Moment noch schwierig, wenngleich notwendig, um zukunftsfähige Strategien zu entwickeln.

Welche Hilfestellungen kann eine Bank den Unternehmen bieten, denen in der Corona-Krise der Umsatz wegbricht?

Andreas Ermecke: Wir haben die Strategie: Wer bislang zu uns gestanden hat, zu dem stehen wir auch. Wir nehmen bei unseren Kunden also den 31. Dezember 2019 als Stichtag und unterstellen unabhängig von der aktuellen Situation, dass sie ihre Kredite bedienen können, sofern sie das damals auch konnten. Wir haben in vielen Fällen Ratenzahlungen ausgesetzt und für den Einzelhandel und die Gastronomie zum Beispiel ein Gutschein-Portal aufgesetzt. Und dann gibt es verschiedene Fördertöpfe von Bund und Land, wie beispielsweise die Soforthilfe NRW oder die Hilfskredite der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW).

Stefan Hütte: Das hat sich von Mitte März bis Anfang April alles sehr dynamisch entwickelt. Teilweise wurden die Programmbedingungen zweimal am Tag geändert. Wir haben mit Hochdruck an der Umsetzung gearbeitet und in vielen Fällen auch kurzfristige Engpässe vorfinanziert.

Fürchten Sie eine Pleitewelle, wenn Unternehmen diese Kredite in den nächsten Monaten nicht bedienen können?

Stefan Hütte: Die Kernfrage lautet: Wann geht es weiter? Das heute valide zu analysieren, ist eine Herausforderung. Wir empfehlen unseren Unternehmen dringend, sich frühzeitig mit ihren Steuer- und Unternehmensberatern und uns in Verbindung zu setzen, um die aktuelle Situation zu analysieren. Dies ist deshalb sinnvoll, da die Förderbedingungen zum Teil recht komplex sind.

Andreas Ermecke: Die Angebote der KfW sind hilfreich, sind aber immer Kreditverbindlichkeiten, die zukünftig zurückgezahlt werden müssen. Ohne Rückführungsverpflichtung gab es nur die Corona-Soforthilfen von Bund und Land für Kleinstunternehmen. Wenn ein Gaststätten-Betreiber 9000 Euro bekommen hat, aber sechs Wochen schließen musste, ist das Geld weg. Das trägt also nicht lange. Es ist also durchaus zu erwarten, dass es für manche Unternehmen schwierig wird – gerade wenn es vorher auch schon schwierig war.

Stefan Hütte: In Teilbereichen braucht es zudem weitere Impulse aus der Regierung wie beispielsweise Konjunkturförderprogramme. Da sollten die bisherigen Hilfen ergänzt werden.

Das Bundeswirtschaftsministerium hat eine Prognose veröffentlicht, nach der sich die Wirtschaft schon in der zweiten Jahreshälfte wieder erholen soll. Glauben Sie an eine längerfristige Krise?

Andreas Ermecke: Wir alle wissen nicht, wie es weitergeht. Es mehren sich aber die Stimmen, die sagen, dass es für längere Zeit schwierig bleibt. Das Wichtigste wäre jetzt Verlässlichkeit. Je sicherer der Ausblick für die kommenden Monate ist, desto eher sind der Verbraucher und der Unternehmer bereit, wieder zu konsumieren bzw. zu investieren.

Welche Auswirkungen hätte es für Ihre Bank, sollten demnächst überdurchschnittlich viele Kredite ausfallen? Bekämen das Kunden oder Mitglieder zu spüren?

Andreas Ermecke: Die aktuelle Situation ist eine große Herausforderung für alle. Aber auch wir haben in den vergangenen zehn Jahren gut gewirtschaftet und unsere Reserven ausgebaut. Wegen der Corona-Krise werden wir unsere Preise nicht anpassen und wir halten auch eine Dividende für unsere Mitglieder in diesem Jahr weiter im Auge, sofern es der Gesetzgeber zulässt.

Auch interessant

Nach der letzten Krise 2008/09 ging es zehn Jahre lang bergauf. Kann das nach der Corona-Krise wieder funktionieren?

Andreas Ermecke: Unter unseren Kunden sind viele familiengeführte Unternehmen, die sich nicht an Quartalsberichten, sondern langfristig orientieren. Sie haben 2009 – auch über das Instrument der Kurzarbeit – ihre Mitarbeiter gehalten und waren so in der Lage, nach der Krise die wachsende Nachfrage zu erfüllen. Als mittelständische Bank verstehen wir den Mittelstand besonders gut. Vor allem in der heutigen Zeit berufen wir uns auf einen unserer wichtigsten Werte: Zusammenhalt. Wir gehen einen gemeinsamen Weg mit unseren Mitglieder und Kunden, packen es zusammen an und wissen: Morgen kann kommen.