Kreis Olpe. Der Kreis Olpe weist im Verhältnis zur Einwohnerzahl die zweitmeisten Corona-Fälle in NRW aus. Wie sich Kreisdirektor Theo Melcher das erklärt.
Mehr Infizierte und auch mehr Todesfälle als alle Nachbarkreise: Der Kreis Olpe wirkt dieser Tage wie ein Corona-Hotspot. Allein am Freitag wurden zwei weitere Todesfälle in Zusammenhang mit dem Coronavirus gemeldet. Gestorben sind zwei Frauen aus Attendorn, 88 und 71 Jahre alt, bei denen Vorerkrankungen vorlagen. Die Gesamtzahl der Todesfälle hat sich damit auf 27 erhöht.
510 Infizierte werden in der Statistik des Gesundheitsamtes aufgeführt. Bei der Zahl der aktuell Infizierten ist innerhalb der letzten Woche allerdings ein deutlicher Rückgang zu verzeichnen. Waren vor einer Woche noch 250 Erkrankte zu zählen, sind es heute nur noch 119.
Im Interview spricht Kreisdirektor Theo Melcher, der Leiter des Krisenstabes, über die hohen Corona-Fallzahlen im Kreis Olpe.
Wie erklären Sie sich die hohen Zahlen?
Theo Melcher: Ob wir „hohe“ Coronazahlen haben, weiß ich ehrlich gesagt nicht. Das Attribut „hoch“ setzt ja einen Vergleich voraus mit anderen. Es gibt diesen Vergleich zwar, jedoch nur bezogen auf die „gemeldeten positiven Fälle“, das heißt solche Personen, bei denen durch die Testungen das Coronavirus nachgewiesen werden konnte. Doch dieser Vergleich hinkt. Denn die Zahl der positiven Fälle COVID-19 ist abhängig von der Zahl der insgesamt durchgeführten Testungen, was je Kreis deutlich unterschiedlich sein kann und nach hiesigen Erkenntnissen auch ist. Zu berücksichtigen ist dabei das Verhältnis der Testungen zur Einwohnerzahl der Kreise. Wer als Kreis mit 300.000 Einwohnern 1500 Testungen durchgeführt hat, hat im Verhältnis zur Einwohnerzahl mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit deutlicher weniger „positive Fälle“ als ein Kreis mit 150.000 Einwohnern, der ebenfalls 1500 Testungen hatte. Leider weisen weder die Lageberichte der Bezirksregierung noch des Landes die tatsächlich in bzw. von den Kreisen durchgeführten Testungen auf.
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Also führen Sie die Zahlen auch auf anderes zurück?
Das schließe ich nicht aus. Ich vermute, die „hohen Coronazahlen“ sind in erster Linie darauf zurückzuführen, dass der Kreis Olpe mehr getestet hat und testet. Er ist jedenfalls einer der wenigen Kreise, der die Gesamtzahl aller durchgeführten Testungen (bis auf die nicht zu meldenden Ergebnisse der Negativtestungen durch Hausärzte und Krankenhäuser) transparent macht und regelmäßig veröffentlicht. Die Zahl der durch das Gesundheitsamt angeordneten Testungen beträgt aktuell über 6100. Das ist die Zahl der getesteten Personen. Der Kreis Olpe ist damit aller Wahrscheinlichkeit nach kein „Fall-Hotspot“, sondern ein „Test-Hotspot“. Aktuell weist der Kreis Olpe insgesamt 510 Personen als einmal infiziert auf. Davon sind 364 wieder genesen. Im Übrigen waren rund 50 Prozent der positiv Getesteten Personen, die keine Symptome aufwiesen und daher gemäß den RKI-Empfehlungen eigentlich nicht zu testen gewesen wären. Wir haben uns jedoch dazu entschlossen, auch bei fehlender Symptomatik vorsorglich in zahlreichen Pflegeeinrichtungen im Kreisgebiet zu testen, um dort frühzeitig Schutzmaßnahmen für die besonders gefährdete Risikogruppe der älteren Pflegebedürftigen ergreifen zu können. Mit anderen Worten: Hätten wir diese präventiven Reihenuntersuchungen nicht durchgeführt, hätten wir vermutlich „nur“ rund 380 positive Fälle. Durch die progressive Herangehensweise (viele Testungen) im Kreis Olpe konnten also COVID-19-Infektionen schneller aufgedeckt und Infektionsketten frühzeitiger durchbrochen werden. Hätten wir weniger getestet, wären also viele Infizierte gar nicht entdeckt worden.
Also ist die Gesamtzahl der positiven Testungen gar nicht aussagekräftig?
Richtig! Nehmen wir einmal an, wir hätten 1000 Tests durchgeführt und dabei 20 Prozent als Infizierte entdeckt. Dann hätten wir 200 positive Fälle zu melden gehabt. Diese 200 Fälle gingen dann in die Statistik ein. Nun nehmen wir einmal an, wir machen 10.000 Tests und entdecken 1000 Infizierte. Dann melden wir eine Fallzahlsteigerung von 200 auf 1.000 und es wird ein Hotspot ausgemacht. Tatsächlich haben wir dann aber statt 20 Prozent nur zehn Prozent Infizierte. Das Beispiel zeigt ein weiteres Mal, dass Zahlen allein nicht aussagekräftig sind.
Was schlagen Sie vor?
Es gibt wichtigere Zahlen als die der infizierten Personen, jedenfalls aus gesundheitspolitischer Sicht. Wir werden demnächst wissen, ob durch COVID-19 eine signifikant höhere Sterblichkeit eingetreten ist oder nicht. Aktuell – und damit meine ich den 24. April – haben wir im Vergleich mit den Vergleichszeiträumen der Vorjahre keine Auffälligkeit und ich hoffe, das bleibt so. Und auch die intensivmedizinische Versorgung ist, wenn auch bei hoher Belastung der Kliniken und des dortigen Personals, und trotz der vermeintlich „hohen“ Zahl von Infizierten, aktuell definitiv sichergestellt. Wir haben in den Krankenhäusern noch Kapazitäten von Intensivbetten und Beatmungsgeräten, die wir hoffentlich nie belegen müssen.