Lennestadt/Kreis Olpe. Wenn die Deutschen nicht im Ausland Urlaub machen können, schlägt die Stunde des Sauerlands, hoffen die Touristik-Fachleute.

Kneipen, Cafés und Restaurants sind geschlossen, der gesamte Übernachtungs- und Tagestourismus liegt weiterhin brach, solange das Reiseverbot bestehen bleibt. Keine Gäste, keine Einnahmen. Aber dann?! Die Optimisten wie Lennestadts Touristikchef Clemens Lüdtke glauben, dass das Sauerland einen regelrechten Gästeboom erleben wird, wenn es wieder los geht:

„Ich glaube nicht, dass man in diesem Sommer in Spanien, Griechenland oder woanders in Europa so selbstverständlich wie früher Urlaub machen kann und will.“ Der Urlaub der Deutschen werde in diesem Jahr in Deutschland stattfinden, „da gehe ich fest von aus und das ist eine große Chance für unsere Region“, so Lüdtke. Denn das Sauerland biete das, was sich Menschen jetzt wünschen: Ziele in der freien Natur, wo die Einhaltung des Kontaktverbots quasi vorprogrammiert ist. So sieht es auch Thomas Weber, Geschäftsführer des Sauerland-Tourismus: „Es gibt eine Sehnsucht nach Regionen mit Weite und Sicherheit.“

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Endlose Naturweiten

Und davon hat das Südsauerland und die Region zwischen Bigge und Lenne viel zu bieten. Hier gibt es endlose Naturweiten, in denen man ohne engen Kontakt zu anderen Menschen wandern, Rad fahren oder entspannen kann – ein echtes Ass in diesen Zeiten. Sommerfrische vor der eigenen Haustür könnte zum Corona-sicheren Wunschurlaubsziel werden. Wer ganz auf Nummer sicher gehen will, bucht statt Pension oder Hotel eine Ferienwohnung oder ein Apartment. Auch davon hat die Region viel zu bieten.

Die Touristiker in Lennestadt und Kirchhundem sind auf den möglichen Boom vorbereitet. Lüdtke: „Wir haben in den letzten Wochen nicht aufgehört, zu arbeiten.“ An der Infrastruktur wurde weiter gefeilt. „Wenn auf den Knopf gedrückt wird, wenn es wieder los geht, dann sind wir bereit“, so Lüdtke.

Das Minus bleibt

Dennoch, das ist auch Lüdtke klar, wird das Tourismus-Jahr 2020 mit einem Minus enden. Es sei unmöglich, die verlorenen Wochen aufzuholen. Nach vorsichtigen Schätzungen werden durch den Shutdown zwischen März und voraussichtlich Ende Mai im Vergleich zum Vorjahr rund drei Millionen Übernachtungen und 18 Millionen Aufenthaltstage im gesamten Sauerland fehlen.

Das Kompetenzzentrum Tourismus des Bundes geht davon aus, dass die aktuell bestehenden Restriktionen und Reiseeinschränkungen wahrscheinlicher erst ab Ende Mai schrittweise gelockert werden.

Zum jetzigen Zeitpunkt erscheint die dafür notwendige flächendeckende Verfügbarkeit eines Impfstoffes und der komplette Abbau von Reisebeschränkungen erst im Sommer 2021 wahrscheinlich. Folglich würde sich die deutsche Tourismuswirtschaft erst im Sommer 2022 wieder vollständig erholen können.

Strategie gefordert

Damit die Minuszahlen nicht zu massiv werden und der Neustart gelingt, fordert Thomas Weber, Geschäftsführer des Sauerland-Tourismus in Bad Fredeburg, von der Politik in Düsseldorf und Berlin eine verbindliche Strategie zum Re-Start von Gastronomie und Tourismus. „Die Betriebe brauchen jetzt eine Perspektive und müssen wissen, wie es weiter geht. Ich habe sonst die große Sorge um viele Betriebe, vom Fahrradhändler bis zum Fünf-Sterne-Hotel. Wir könnten mit dem Öffnen von Ferienwohnungen und Tageszielen beginnen.“

Ferner brauchten die Unternehmen Zuschüsse statt Kredite. Aus der Politik kommen seit dem Wochenende entsprechende Ankündigungen. Doch Weber bleibt skeptisch: „Ich habe die Sorge, dass beim Bund der Fokus auf den großen Reisekonzernen statt auf den mittelständischen Betrieben liegt und dass es für kleinere Betriebe zu spät losgehen könnte.“

Heimat wiederentdecken

Clemens Lüdtke hat den Eindruck, dass auch viele Einheimische das Sauerland und seine Schönheiten wiederentdeckt haben. „Viele sind in den letzten Wochen gewandert oder Rad gefahren und haben ihre Heimat ganz anders wahrgenommen.“

Bleibt zu hoffen, dass davon auch die heimische Gastronomie profitieren wird, wenn die Beschränkungen gelockert werden. Denn davon profitiert wiederum die gesamte Region. Thomas Weber: „Ohne Dorfgastronomie und Freizeiteinrichtungen verlieren die Orte zunehmend an Attraktivität.“ Und das nicht nur für Touristen, sondern auch als Standortfaktor für Fachkräfte in der Wirtschaft.