Kreis Olpe. Werden medizinische Fachkräfte im Ernstfall zwangsverpflichtet? Darum geht es im Entwurf zum Epidemie-Gesetz. Jochen Ritter bezieht Stellung.
Die NRW-Landesregierung plant ein „Epidemie-Gesetz“. Das soll greifen, wenn sich die Ausbreitung des Coronavirus und die damit einhergehenden Konsequenzen verschlimmern. Doch der schwarz-gelbe Gesetzesentwurf stößt auf deutliche Kritik. Denn er beinhaltet weitreichende Durchgriffs- und Sonderrechte für die Landesregierung. Unter anderem könnten Pfleger, Ärzte und Rettungskräfte zum Epidemie-Einsatz zwangsverpflichtet werden. Dieser Entwurf wurde am Mittwoch das erste Mal debattiert. Der Olper CDU-Landtagsabgeordnete Jochen Ritter hat die Plenarsitzung im Live-Stream verfolgt. Er erklärt, was es mit dem Gesetz-Entwurf auf sich hat.
Dieses Mal konnten Sie das Plenum nur im Live-Stream verfolgen?
Jochen Ritter: Die Fraktionen haben sich darauf verständigt, dass nur ein Drittel der Abgeordneten anwesend sind, um Abstand halten zu können. Die Regierungserklärung des Ministerpräsidenten anstatt live vor dem Bildschirm zu verfolgen, ist gewöhnungsbedürftig. Dieses Mal waren mit Blick auf die Tagesordnung vor allem Mitglieder des Gesundheitsausschusses mit dabei.
Worum geht es der Landesregierung bei dem Entwurf?
Sie möchte gewappnet sein, sollte sich die Situation verschärfen.
Wie ist die Debatte heute gelaufen? Gab es viel Gegenwind?
Kontrovers. Kein Wunder, schließlich geht es um nicht unerhebliche Eingriffe in die Berufsausübung von medizinischem Personal und das Eigentum von medizinischen Geräten. Es wurde infrage gestellt, ob zum jetzigen Zeitpunkt so weitreichende Regelungen notwendig seien.
Und wie sehen Sie das?
Zum jetzigen Zeitpunkt nicht. Das ist gedacht für den Fall, den keiner will, der aber auch nicht auszuschließen ist. Dann kann es, um Leben zu retten, notwendig sein, gegen Entschädigung Zugriff auf medizinische Ausrüstung zu nehmen. Und auch, medizinisch geschulte Personen einzusetzen, die bis dahin vielleicht an anderen Stellen des Gesundheitswesens tätig sind, aber bis dato noch nicht in die Bekämpfung der Epidemie einbezogen waren.
Wobei die Ärzte ja ohnehin schon ihr Bestes geben…
Absolut richtig, aus intrinsischer Motivation, wie ein niedergelassener Arzt aus dem Kreis Olpe es zutreffend in seinem mir vorliegenden Brief an Armin Laschet beschreibt. Und so sind auch viele Pflegerinnen und Pfleger, Reinigungskräfte und Studierende der Medizin unterwegs, um nur einige zu nennen, die sich weit über die Maßen engagieren und denen Respekt und Anerkennung gebührt. Ihnen gegenüber hat der Staat aktuell eher eine Bringschuld, etwa was Ausstattung mit Schutzkleidung angeht, als dass etwas einzufordern wäre. Allerdings können auch sie an ihre Grenzen kommen, so dass sich personelle Engpässe ergeben. Um dem begegnen zu können, soll es unter engen Voraussetzungen und unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit möglich sein, medizinisch geschulte Kräfte so einzusetzen, dass das vermieden wird.
Wann genau würde das Gesetz greifen? Also wonach richtet man sich da?
Aktuell ist Dauer, in der sich die Anzahl der Infizierten verdoppelt, ein viel beachteter Maßstab.
Wie geht es denn jetzt weiter?
Der Entwurf ist am Mittwoch zunächst eingebracht worden. Nun werden die kommunalen Spitzenverbände und andere Experten angehört, die Beiträge werden ausgewertet, im Gesundheitsausschuss und anderen Ausschüssen beraten, und dann wird im Plenum entschieden. Fast wie üblich, nur halt deutlich schneller, so dass das Ergebnis zu Ostern vorliegt.
Lässt sich das mit schwarz-gelber Mehrheit nicht leicht durchsetzen?
Das, was wir uns im Koalitionsvertrag vorgenommen haben, setzen wir notfalls mit der Mehrheit von einer Stimme durch. Das kommt in diesem Fall nicht in Frage. Das Epidemie-Gesetz kommt nur zustande, wenn es dafür eine breite parlamentarische Mehrheit gibt.
Wie sehr hat sich ihr politischer Alltag verändert?
Mir ist persönlicher Austausch wichtig, um keine Distanz zwischen Politik und Gesellschaft aufkommen zu lassen. Das geht bei „social distancing“ nicht mehr. An die Stelle treten Telefongespräche und Videokonferenzen. Das Home Office - ein Begriff, den viele auch nicht mehr hören können, weil ihre Jobs nur mit Anwesenheit funktionieren - ist für mich kein voller Ersatz, funktioniert aber besser als erwartet, selbst in der 72-köpfigen Landtagsfraktion plus Regierung incl. Ministerpräsident. Davon lässt sich sicher einiges in die Zeit danach übertragen, nicht nur in der Politik.
Wann geht´s wieder nach Düsseldorf?
Ich nehme an, zur der Sondersitzung des Plenums am 9. April, also Gründonnerstag, denn dann geht es auch um Hilfen für die Kommunen. Da wäre ich gerne bei, denn ich bin Mitglied des zuständigen Ausschusses im Landtag als auch des Rats der Stadt Olpe, was nicht nur in diesen Tagen keine schlechte Kombination ist. Die Zeit bis dahin nutze ich, um die vielen Anfragen zu beantworten, die mich aus dem Kreis Olpe erreichen oder transportiere Anregungen, die hier an mich herangetragen werden, nach Düsseldorf.
Was war zum Beispiel eine Anregung, die Sie aus dem Kreis Olpe mit in die Landeshauptstadt genommen haben?
Bei der Entscheidung über die Soforthilfen die Handwerks-, Industrie und Handelskammern vor Ort einzubeziehen, weil sie die Chancen und Risiken aufgrund der Nähe zu den Unternehmen gut und schnell beurteilen können. Diese Anregung hat unser wirtschaftspolitischer Sprecher aufgenommen und kurz drauf zurückgemeldet: So wird´s gemacht. Im Verfahren hat sich das schon bewährt. Die oft gescholtene Bezirksregierung hat mit deren Hilfe jetzt schon um die 300.000 Anträge bearbeitet. Das Geld soll in diesen Tagen auf den Konten der Antragsteller eintreffen. Aktuell versuche ich gemeinsam mit unserem kommunalpolitischen Sprecher zu erreichen, dass Vereine etwas mehr Planungssicherheit im Hinblick auf ihre für diesen Sommer geplanten Feste erhalten als bisher.
Wie geht´s Ihnen persönlich?
Ich komme zurecht. Im Kreis Olpe kann man ja auch mit den Einschränkungen besser umgehen als beispielsweise in einer Großstadt. Was mich grämt, ist, dass ich wegen der Entwicklung beim 86. Geburtstag meines alten Herrn nicht so nah bei ihm sein konnte, wie es mir lieb gewesen wäre. Nächstes Jahr wieder.