Kreis Olpe/Siegen. Eine Blitzumfrage der IHK Siegen-Olpe lässt keinen Zweifel: Die heimische Wirtschaft wankt unter den Folgen von Corona.
Die Wirtschaft schlägt Alarm. Das wird aus der IHK-Blitzumfrage deutlich, die die Industrie- und Handelskammer Siegen-Olpe unter ihren über 3.000 Mitgliedsbetrieben in den Kreisen Olpe und Siegen durchgeführt hat und mit einer Rücklaufquote von fast 30 Prozent (869 Betriebe) ein ungewöhnlich großes Interesse am Thema feststellen konnte.
IHK-Hauptgeschäftsführer Klaus Gräbener redete im Gespräch mit unserer Redaktion verständlicherweise Klartext: „Die Politik hat mit der Notbremse zunähst das Richtige getan. Zu diesem Zeitpunkt ging das nicht anders. Es muss aber klar sein, dass sich Wirtschaft und Staat, also das gesamte Land, so etwas nicht für mehrere Monate leisten können.“
Enorme Auswirkungen
Die Umfrage zeige, dass die heimischen Unternehmen enorme Auswirkungen der Corona-Krise beklagten. IHK-Präsident Felix G. Hensel (Lennestadt): „Die Corona-Krise ist längst eine Wirtschaftskrise. Die prognostizierten Umsatzrückgänge in der heimischen Wirtschaft sind deutlich höher als erwartet und geben einen klaren Hinweis darauf, was uns in den nächsten Monaten bevorsteht“, zeichnet Hensel ein beunruhigendes Bild von den Folgen der gegenwärtigen Pandemie. Fast die Hälfte aller Unternehmen in den Kreisen Olpe und Siegen rechne demnach für 2020 mit Umsatzeinbußen zwischen 10 und 50 Prozent. 19 Prozent der Betriebe erwarteten sogar Umsatzrückgänge von mehr als 50 Prozent. Etwa 25 Prozent der Unternehmen erwarteten einen Umsatzrückgang zwischen 10 und 25 Prozent und fast ein Drittel einen Rückgang zwischen 25 und 50 Prozent.
Tourismus und Gastronomie besonders getroffen
Besonders dramatisch, so die IHK weiter, seien die gemeldeten Zahlen aus der Tourismusbranche und der Gastronomie. Bis zu drei Viertel der Betriebe rechneten mit Umsatzverlusten von mehr als 50 Prozent.
Auch bei den übrigen Dienstleistern seien die erwarteten Umsatzrückgänge erheblich. Ein Viertel rechne mit einer Abnahme von über 50 Prozent.
Kein Wunder, dass ein spürbarer Personalabbau befürchtet werde. Die IHK: „Etwa ein Drittel der Betriebe aus unseren beiden Kreisen gehen derzeit davon aus, Personal abbauen zu müssen. 67 Prozent planen keine Veränderungen an den Beschäftigungsplänen, nur zwei Prozent plant eine Personalaufstockung.“
Klaus Gräbener: „Zwar sind die Werte etwas besser als im bundesweiten Durchschnitt, gleichwohl machen die Rückmeldungen betroffen. Wer angesichts dieser Zahlen glaubt, beschäftigungsseitig würde sich der derzeitige Stillstand in weiten Teilen der Wirtschaft nicht auswirken, hat die Problemdimension nicht hinreichend erfasst.“
Das gelte wiederum insbesondere für den Tourismus und das Gastgewerbe: Mit weitem Abstand seien es vor allem Unternehmen in diesen Branchen, die einen Personalabbau befürchteten, 67 Prozent in der Reisewirtschaft und 71 Prozent im Gastgewerbe. In der Verkehrswirtschaft und Logistik seien es 43 Prozent, im Einzelhandel 38 Prozent, in der Industrie 30 Prozent und bei den sonstigen Dienstleistern 28 Prozent.
Investitionen auf Prüfstand
Neun von zehn Unternehmen spürten direkt die Auswirkungen der Corona-Pandemie. Bei einem Großteil der Betriebe (67 Prozent) würden Produkte und Dienstleistungen weniger nachgefragt.
Besonders gravierend: 44 Prozent wollten wegen der Corona-Krise ihre Investitionen zurückfahren. Mit der Stornierung von Aufträgen müssten sich 42 Prozent der Betriebe befassen, beinahe ebenso viele (39 Prozent) spürten schon jetzt Liquiditätsengpässe.
Liquiditätsengpässe
Die IHK weiter: „Bei den Unternehmen aus der Reisewirtschaft (58 Prozent), dem Gastgewerbe (50 Prozent) und dem Einzelhandel (48 Prozent) zeichnen sich Liquiditätsengpässe ab. Aber auch 39 Prozent der Industriebetriebe melden dies.
„Direkte und unbürokratische Finanzhilfen sind jetzt das Gebot der Stunde. Vor allem, aber nicht nur die kleinen Unternehmen und Solo-Selbstständigen brauchen in dieser Phase finanzielle Mittel, um die Liquiditätslücken zu schließen. Von heute auf morgen machen bei zahlreichen Unternehmen die Umsätze eine Vollbremsung, nicht aber die laufenden Kosten“, schlussfolgert IHK-Präsident Hensel.
Kurzarbeitergeld wichtigstes Instrument
Die Rückmeldungen aus der Wirtschaft zeigten auch: Mit dem vereinfachten Zugang zum Kurzarbeitergeld habe die Bundesregierung im Umgang mit der Corona-Krise eindeutig einen Nerv getroffen. Es zeige sich, dass bei den bisherigen Unterstützungsmaßnahmen gerade hierauf die Hoffnungen der Unternehmen ruhten. 75 Prozent gäben an, dass dieses arbeitsmarktpolitische Instrument aus unternehmerischer Sicht die größte Bedeutung habe.
Ebenfalls wichtig für die Betriebe sind Soforthilfen in Form von Zuschüssen (65 Prozent) und Steuerstundungen bzw. die Herabsetzung von Vorauszahlungen (59 Prozent).
Offenbar herrscht ein immenser Beratungsbedarf. Klaus Gräbener: „Uns erreichen täglich hunderte von Nachfragen. Drei bis vier unserer Mitarbeiter machen momentan nichts anderes, als diese Anfragen zu beantworten.“ Kreditinstrumente spielten eine untergeordnete Rolle. „Dies gibt angesichts der derzeitigen politischen Gewichtung dieser Instrumente und ihrer finanziellen Unterfütterung durchaus zu denken. Die politische Aufmerksamkeit sollte sich vor allem auf die arbeitsmarktpolitischen Instrumente und schnelle Liquiditätshilfen konzentrieren. Wer keine Einnahmen hat, dem nützen die besten Kredite nichts“, so Gräbener.
Forderung: Unternehmenssteuern senken
Etwa zwei Drittel der Unternehmen sähen Nachbesserungsbedarf bei der Ausgestaltung der Soforthilfen in Form von Zuschüssen. „Wichtig ist jetzt vor allem, dass die Hilfe für die Betriebe so schnell und so unkompliziert wie möglich kommt. Wenn Betriebe fürchten, schon bald das Licht ausmachen zu müssen, darf in der Hilfe nicht mehr die sprichwörtlich deutsche Gründlichkeit oberste Maxime sein, sondern es kommt auf Tempo an“, appelliert Gräbener.
Immerhin 55 Prozent der Betriebe sähen laut Umfrage Nachbesserungsbedarf bei der Senkung von Unternehmenssteuern, 38 Prozent bei den Steuerstundungen bzw. der Herabsetzung von Vorauszahlungen. Felix G. Hensel: „Angesichts der Existenz bedrohenden Liquiditätsprobleme sollte von Bund und Land dringend auch darüber nachgedacht werden, bis auf Weiteres die Erhebung von Steuern auszusetzen und die seit 1. März gezahlten Steuern und Vorauszahlungen zurückzuerstatten. Damit bliebe den Betrieben die notwendige Liquidität erhalten. Sie müssten die durch Steuerzahlung abgeflossene Liquidität nicht über steuerfinanzierte Hilfsprogramme aufwendig beschaffen.“