Kreis Olpe/Sondern. Im Interview sagt Wincent Weiss, wie er zur Provinz steht, seit wann er Single ist und ob er schon einmal in Olpe war. Und vieles mehr.

Fans von Wincent Weiss werden in diesen Tagen wohl wie viele andere zittern. Zittern davor, dass Konzerte, Sport- und Kulturveranstaltungen in den nächsten Wochen und Monaten der Corona-Krise zum Opfer fallen.

Dafür, dass Singer-Song-Writer Wincent Weiss wie geplant am 20. Juni beim Biggesee Open Air in Sondern auftreten kann, kämpft das Veranstaltungsteam um Dietmar Harsveldt weiterhin mit Hochdruck. Wir hatten Gelegenheit, mit dem 27-jährigen Star aus Norddeutschland ein Interview zu führen. Vor Beginn des Gespräches einigten wir uns aufs Du.

Wincent, Du kommst aus Schleswig Holstein. Bist Du auch von der Mentalität her ein echtes Nordlicht?

Wincent Weiss: Total. Ich hab mein ganzes Leben in der Region verbracht. Ich bin in Bad Oldesloe geboren und zwischen Lübeck und Kiel an die zehn Mal umgezogen, habe sozusagen ganz Schleswig Holstein abgeklappert und will da auch gerne wieder hinziehen. Ins flache Land, irgendwo, wo es ruhig ist.

Provinz ist also alles andere als ein Schimpfwort für Dich?

Nein, ich liebe Provinz. Mich schreckt manchmal eher die Großstadt.

Das passt. Du kommst ja zu uns nach Olpe, genauer gesagt nach Sondern an die Bigge. Kennst Du das Sauerland überhaupt?

Das Sauerland kenne ich zwar, aber ich war tatsächlich noch nie in Olpe. In der Nachbarregion, in Siegen haben wir schon ein paar Mal gespielt, Olpe selbst aber ist Neuland für mich. Aber ich freu’ mich alleine schon aufs Wasser. Das ist für mich eine Art Heimatgefühl, wenn ich am Wasser sein kann. Wir spielen ja direkt am Biggesee, und das wird bestimmt richtig schön.

Open Air, für Dich eher ungewohnt oder bekanntes Terrain?

Nicht ungewohnt. Wir haben jetzt unser viertes Festival unter freiem Himmel. Ich liebe Festivals, ich liebe Open Air.

Wie kam es überhaupt zum Kontakt in die Provinz nach Olpe?

Das macht meine Booking-Agentur. Und da sprechen wir gemeinsam das Jahr durch, alle Möglichkeiten werden durchgespielt, und da kam auch Olpe ins Spiel. Ich hatte schon vorher gesagt: Ich möchte so viel spielen, wie es geht und auch in Regionen, in denen ich noch nicht war.

Dass LEA und Joel Brandenstein mit dabei sind, wie kam es dazu?

Mit LEA habe ich die letzten beiden Jahre viel zusammengespielt, und ich finde, dass wir sehr gut zusammenpassen und die gleiche Fanbase haben. Und JL ist ein guter Freund von mir. Da lag der Gedanke nahe: Lass uns das einfach zu Dritt machen.

Auf welche Songs dürfen sich die Fans auf unserer Open Air-Bühne freuen?

Am besten auf alle. Wir werden wenig auslassen. Dadurch, dass wir als Letzte spielen, haben wir ein bisschen mehr Zeit.

Es werden Lieder vom ersten Album dabei sein, vom zweiten, alles, was man aus dem Radio kennt, wir werden ein Medley aus deutschen Songs spielen, die alle Leute mitsingen können. Da können wir das Publikum testen.

Was es kennt und mitsingen kann. Auf jeden Fall werden wir eine Menge Spaß haben.

Welches sind die drei Lieblingssongs aus Deinem Repertoire?

Das ist schwierig.

Nicht alle Fragen sind einfach.

Okay. ,Musiksein’ ist so ein old Favorite, weil damit alles angefangen hat und die Leute einfach unfassbar laut mitsingen. Das wird, glaub’ ich, immer ein Favorite Song von mir sein. Dann ,Weck mich nicht auf’, ein Song, der gar nicht so präsent auf meinem ersten Album war, nur auf einer erweiterten Version. Da spiel ich viel mit Pyro rum, deswegen ist das mein Feuersong, auf den ich sehr stehe. Und dann noch der Song von meiner kleinen Schwester: Nur ein Herzschlag entfernt.

Hast Du ein Idol?

Ich war nie so klassisch ein Hardcore-Fan von jemand, aber ich hatte ganz lange gerade als musikalisches Vorbild Chester Bennington, den Leadsänger von Linkin Park gewesen. Ich habe den auch mal getroffen, beim Echo konnte ich mit ihm sprechen. Schade ist, dass ich Linkin Park nie live gesehen habe. Das bereue ich jetzt ein bisschen.

Du bist bei ,Deutschland sucht den Superstar’ in der Staffel 2013 sehr früh aussortiert worden. Heute bist Du der ,Superstar’, während viele DSDS-Gewinner längst in der Versenkung verschwunden sind. Verspürst Du da manchmal Genugtuung?

Nein, mit Genugtuung hat das nichts zu tun. Ich mach’ Musik nicht, um irgendwelchen Leuten etwas zu beweisen. Das Einzige, was für mich irgendwie ganz lustig ist, ist, dass viele Kandidaten in den Castings meine Songs singen, bis hoch ins Finale. Also Lieder des gescheiterten DSDS-Kandidaten Wincent Weiss. Irgendwie abgefahren.

Wie bist Du mal zur Musik gekommen und wann?

Ich hab’ erst richtig spät angefangen, mit 17.

Vorher nicht mal ein Instrument gelernt?

Nein, gar nichts. Ich habe natürlich immer so vor mich hin gesungen, aber mit 17 kam der Punkt, an dem ich mir eine Gitarre gekauft hab und für mich entschieden habe: Ich möchte das jetzt mal lernen. Dann hab’ ich mich oft in mein Zimmer eingeschlossen und mich Stück für Stück reingetastet. Ja, und irgendwann hat es Fahrt aufgenommen, und zehn Jahre später bin ich an dem Punkt, wo ich jetzt bin. Unfassbar.

Allerdings. Du bist also ein lupenreiner Autodidakt.

Ja, das stimmt. Ich hab mir alles selbst beigebracht. Noch nie so richtig Gesangsunterricht gehabt, Learning by Doing halt.

Schreibst Du Deine Melodien und Texte selbst?

Wir machen das im Team. Mit meinem Produzenten zusammen. Meist sind noch zwei Freunde dabei, und wir werfen uns dann die Bälle zu. Aber ja, überall steckt Wincent Weiss drin.

Deine Texte empfinde ich als immerhin 60-Jähriger sehr reif. Zum Teil romantisch, ohne schmalzig zu sein. Würdest Du Dich selbst als Romantiker bezeichnen?

Ich würde sagen, ja. Ich habe schon lange nicht mehr die Chance gehabt, romantisch zu sein. Durch die ganze Arbeit und weil ich mich vor drei Jahren von meiner Freundin getrennt hab’. Aber an sich bin ich schon romantisch.

Du bist Single?

Ja, schon länger.

Das gebe ich an meine jungen Kolleginnen weiter, die mir übrigens zwei Fragen mitgegeben haben. Die erste davon: Ist es nicht manchmal langweilig, auf Tourneen immer dasselbe zu singen?

Das war meine größte Angst, als ich angefangen habe. Es ist aber tatsächlich nicht so. Dadurch, dass die Konzerte immer auf anderen Bühnen, in anderen Städten sind und die Leute vor der Bühne immer andere sind, verändern sich auch die Songs. Es ist immer ein anderes Gefühl. Ich hatte noch nie das Gefühl: Oh nein, jetzt sing ich schon wieder ,Feuerwerk’. Ich hoffe auch, dass der Punkt nie kommt. Vielleicht, wenn ich mal 40 bin und immer noch Feuerwerk singe. Ich weiß nicht.

Gibt es angesichts der vielen Auftritte mit den gleichen Songs überhaupt noch Texthänger?

Doch, passiert ab und zu. ich hatte zuletzt bei einer Show einen solchen Blackout - mitten im Song. Die Band hat gespielt und gespielt und gespielt und mich angeguckt, und ich hab kein Wort mehr rausbekommen. Zum Glück ist das Publikum meistens textsicher und hilft mir aus der Patsche.

Ich kann Dir versprechen, ab 50 aufwärts gehören Wortfindungsstörungen zum Alltag. Aber ich will Dir keine Angst machen. Ist bei Dir ja noch lange hin. Ist Lampenfieber noch ein Thema?

Hat sich gedreht. Früher war Lampenfieber für mich Angst. Angst vor dem, was jetzt passiert, weil die Bühne für mich eine neue Situation war. Heute ist Lampenfieber eher eine Art Vorfreude. Die Bühne ist heute für mich eine Wohlfühlzone. Lampenfieber ist deshalb so etwas wie: Lasst uns jetzt endlich spielen, wir haben Bock zu spielen. Es ist so ein positives Ding geworden.

Unverzichtbare Frage momentan: Angst vor Corona, Angst vor dem Ausfall der Tour, Olpe-Sondern ist mit dem 20. Juni das früheste Datum. Wenn das alles gecancelt werden sollte, freust Du Dich dann wenigstens auf viel Freizeit oder bist Du sauer?

Ich würde mich nicht über Freizeit freuen. Für mich ist Konzerte spielen das, was ich machen will. Aktuell habe ich gerade keine Tour. Deshalb betrifft es mich nicht so wie Max Giesinger oder Johannes Oerding, die ihre Tour verschieben und Termine absagen müssen. Aber ich hab’ natürlich Angst vor dem Sommer. Ich hab’ zum ersten Mal keine Tour am Anfang des Jahres, weil ich gesagt hab’: Ich möchte nur im Sommer spielen. Und wenn mir die Sommer-Tour auch noch weggenommen wird, dann ist das Jahr ein richtiges Kack-Jahr.

Was machst Du dann?

Ich hab’ keine Ahnung.

Surfen?

Ob man dann noch irgendwo hinfliegen kann zum Surfen, keine Ahnung? Ich muss mir irgendein Hobby suchen. Stricken vielleicht.

Wenn die Gute Fee bei Dir anklopft und Dir drei Wünsche freistellt. Welche wären das? Außer das mit der Freundin.

Schade, das wollte ich gerade auf die Liste setzen. Dann würde ich mir an erster Stelle Corona wegwünschen. Aber sonst? Ich wüsste gar nicht, was ich mir wünschen sollte. Manchmal wünsche ich mir mehr Zeit. Vor allem für meine Familie. Daran arbeite ich gerade ganz hart. Aber sonst bin ich eigentlich wunschlos glücklich. Ich hab’ alles, tolle Freunde, ne tolle Familie, ich hab’ das unfassbare Privileg, diesen Job machen zu dürfen. Damit ist mein Traum, mein Wunsch, den ich hätte, schon erfüllt.