Bamenohl. In Bamenohl gibt es eine Selbsthilfegruppe für Angehörige von Demenz-Kranken. Die vier Gründerinnen geben Angehörigen Tipps für den Alltag.
Die Missverständnisse können manchmal ganz lustig sein. Wenn der Haustürschlüssel plötzlich im Kühlschrank liegt. Handschuhe und Socken verwechselt werden. Doch der Alltag mit Menschen, die an Demenz oder Alzheimer leiden, birgt vor allem Herausforderungen für die Angehörigen. Nicht nur, dass immer und immer wieder die gleichen Fragen beantwortet werden müssen. Manche Betroffene werden aggressiv oder misstrauisch und ängstlich. Andere laufen ständig weg. „Die Menschen verändern sich mit der Demenz“, erklärt Silvia Reinecke von der Selbsthilfegruppe „ADele“ aus Bamenohl. „Es gibt keine Regeln. Das macht es so schwierig.“
Ein schleichender Prozess
Silvia Reinecke ist 49 Jahre alt und wohnt in Plettenberg. Sie und ihre Schwester Sigrid Reinecke (62, Bamenohl) sind Gründungsmitglieder der Selbsthilfegruppe. Eine Idee, die aus der Not heraus entstand. Damals erkrankte ihre Mutter an Demenz. Es war ein schleichender Prozess. Wann genau die Krankheit ihren Anfang hatte, lässt sich schwer sagen. Ihre Mutter war ungefähr 77 oder 78 Jahre alt, als sich etwas veränderte. „Sie war immer gerne unter Leuten“, erzählt Silvia Reinecke. „Aber plötzlich hatte sie Angst, war unsicher und fühlte sich unwohl.“ Das Gärtnern musste die Seniorin aufgeben. Sie wusste irgendwann einfach nicht mehr, wie das funktioniert, was sie mit der Gießkanne machen soll. Eine schwierige Situation – für die ganze Familie.
Mit der Diagnose kamen Fragen auf. Wie können wir unserer Mutter helfen? Wie läuft das mit den Anträgen auf Sozialleistungen? Was haben wir überhaupt für Ansprüche? Welcher Papierkram kommt auf uns zu? Im Sommer 2017 besuchten sie einen DRK-Pflegekurs. Dort trafen sie auch andere Angehörige. Darunter Christine Knust (70, Bamenohl) und Angelika Heuel (65, Plettenberg). Auch ihre Mütter erkrankten an Demenz. Schnell wurde klar, alle haben ähnliche Fragen und Probleme. Sie merkten, wie gut es tut, sich darüber auszutauschen, einander zuzuhören. Bestimmt gibt es viele Menschen in der Region, die voneinander lernen können, so der Gedanke damals – das war die Geburtsstunde der Selbsthilfegruppe „ADele – mit Alzheimer und Demenz leben“.
Gefühle des Versagens
Seitdem laden die vier Frauen jeden letzten Dienstag ins Begegnungszentrum Bamenohl ein. Zurzeit sind es zehn Angehörige, die regelmäßig zu den Treffen kommen. Sie erzählen von den Herausforderungen, die es gilt zu stemmen. Wie schwer es manchmal ist, die Nerven zu behalten. Viele fühlen sich dann schlecht, bereuen ihre Reaktion. „Wir sind alle Menschen und machen Fehler“, betont Angelika Heuel. „Unter so einem Druck ist das völlig normal.“ Gefühle des Versagens sind keine Seltenheit. Doch es ist wichtig, die eigenen Grenzen zu kennen. „Viele weinen, weil sie emotional am Ende sind“, erzählt Silvia Reinecke. „Sie müssen lernen, kein schlechtes Gewissen zu haben und dass es in Ordnung ist, sich Hilfe zu holen.“
Doch wie geht man am besten mit der Situation um? Man darf alles nicht so eng sehen, raten die Gründerinnen. Natürlich müsse man aufpassen, dass die Betroffenen nicht heimlich aus dem Fenster klettern oder in der Küche den Herd anmachen. Und natürlich ist es eine Belastung, wenn ein geliebter Mensch einen plötzlich nicht mehr erkennt – oder gar mit Misstrauen begegnet.
Doch in vielen Situationen sei Gelassenheit und Verständnis der beste Weg. „Wenn sich der Betroffene falsch anzieht, warum nicht“, sagt Silvia Reinecke. „Auch wenn er alle Klamotten in den Backofen packt, ist das nicht so schlimm, so lange er diesen nicht anzündet.“ Das Umfeld informieren, Diskussionen mit Betroffenen möglichst vermeiden – und vor allem auch auf sich und seine Gesundheit achten, das geben die vier Frauen den Teilnehmern der Selbsthilfegruppe gern mit auf dem Weg. „Man merkt, wie gut es den Menschen tut, gehört und verstanden zu werden“, sagt Christine Knust.