Attendorn. Die Fronten sind verhärtet: Die Stadt Attendorn will das Industriegebiet Fernholte unbedingt, die Bürgerinitiative ist dagegen.
Christian Pospischil wird nicht müde zu betonen, dass ein Scheitern des geplanten Gewerbegebietes Fernholte unweit der Attendorner JVA im Eckenbachtal unter keinen Umständen vorgesehen ist. „Das Industriegebiet muss kommen, das Industriegebiet wird kommen, und dafür wird 2020 ein entscheidendes Jahr“, hatte der Bürgermeister beispielsweise noch auf dem Neujahrsempfang erklärt.
Es sei an der Zeit, dieses lange überfällige Projekt endlich in die Tat umzusetzen. Denn sollte Fernholte, das laut Bebauungsplan eine bebaubare Fläche von rund 26 Hektar aufweist, nicht realisiert werden, drohe der Abzug heimischer Unternehmen, die dringend Expansionsflächen benötigten. Und neue Betriebe könnten sich nicht ansiedeln.
Die Stadt steht unter großem Druck, denn das Eckenbachtal ist überhaupt die letzte Fläche, in der ein neues Industriegebiet noch entwickelt werden kann. Alternativen, abgesehen von interkommunalen Zusammenarbeiten, sind nicht in Sicht. Für eine Stadt wie Attendorn, in der so viele Menschen im produzierenden Gewerbe ihr Geld verdienen, keine angenehme Situation.
Gewässer rund 220 Meter verlängern
Aktuell wartet die Verwaltung daher sehnsüchtig auf die wasserrechtliche Genehmigung der Unteren Wasserbehörde des Kreises Olpe. Konkret geht es um die Erlaubnis, den kleinen Bachlauf, der aktuell noch mitten durch das Plangebiet führt, zu verlagern. Um dadurch mehr Gewerbeflächen ausweisen zu können und gleichzeitig den Bachlauf, so verspricht es die Stadt, ökologisch aufzuwerten.
Dabei soll vor allem der Artenbestand erhalten bleiben, also beispielsweise die geschützten Junkers Quellschnecken ihr Lebensquartier nicht verlieren und das Gewässer um rund 220 Meter verlängert werden. Darüber hinaus würden die Biotope viel besser vor Lärm und Emissionen geschützt. Als eine Art Lärmschutzwall sollen bis zu zwölf Meter hohe Böschungen dienen und Platz für Grünflächen würden ebenso geschaffen. Aus Sicht der Stadt also eine runde Sache.
„Der Standort ist ideal“, wirbt daher Uwe Waschke vom Bauamt für eine zügige Umsetzung. Er betont: „Verkehrstechnisch ist das Eckenbachtal super angeschlossen und es liegt auch weit genug entfernt von Wohnbebauungen.“ Doch Ungemach droht von der Bürgerinitiative zur Erhaltung des Eckenbachtals. Sollte der Kreis nämlich die Genehmigung, auf die die Stadt seit Jahren wartet, durchwinken, würde der Verein den Klageweg antreten. Das deutet zumindest die 1. Vorsitzende Marion Garra an.
Nicht der erste Gang vor Gericht
Es wäre nicht die erste gerichtliche Auseinandersetzung. Die Landesgemeinschaft Naturschutz und Umwelt NRW hatte sich gemeinsam mit der Bürgerinitiative bis vor das Oberverwaltungsgericht Münster geklagt, weil sie, ganz grob gesprochen, der Meinung ist, dass die naturschutzrechtlichen Belange bei der Gewässerverlegung nicht ausreichend untersucht worden seien. Ähnlich hatte das Verwaltungsgericht Arnsberg zuvor argumentiert und daher eine erste Genehmigung des Kreises für fehlerhaft erklärt.
Es kommt hinzu, dass die geplante Gewässerverlegung laut Garra aus wissenschaftlicher Sicht einer Überprüfung gar nicht erst standhalten dürfe. „Es sei denn, die Stadt kann nachweisen, dass das kleine Gewässer bei einer Verlegung bergauf fließen kann. Ehrlicherweise sehe ich für die Stadt keinen Ausweg“, erklärt sie. Der Bachlauf würde aufgrund der Topographie also im Boden versichern. Darüber hinaus, beklagt sich die 1. Vorsitzende, habe der Verein bis heute keine Kenntnis über die tatsächlichen Bedarfe aus der Wirtschaft erhalten. Auch deshalb würde ein neuerliches Gutachten dem ganzen Vorhaben guttun, vor allem vor dem Hintergrund des immer wichtiger werdenden Klimaschutzes. „Wir brauchen eine neue Balance zwischen Umweltschutz und Industrie“, fordert Garra. Ihr Vorschlag: Die Stadt sollte sich auf interkommunale Zusammenarbeit konzentrieren anstatt das Gewerbegebiet Fernholte durchzuboxen.
Nur Aufhalten möglich
Für Christian Pospischil ist die Sache klar: „Die Gegner des Industriegebietes wissen, dass sie das Industriegebiet auf lange Sicht nicht verhindern können. Vor diesem Hintergrund rufe ich sie auf, nicht auf einen letzten Aufschub, den eine neue Klage bringen kann, zu setzen. Wir verschließen uns keinen Anregungen für ökologische Verbesserungen, für eine bloße Verhinderungstaktik sind wir aber nicht zu haben“, hatte Pospischil in seiner Haushaltsrede 2020 betont.
Ob ihm die Bürgerinitiative diesen Gefallen tut, ist mehr als fraglich.