Rothemühle. Thorsten Voß ist an ALS erkrankt. Die Krankheit ist unheilbar. Doch der Mann aus Rothemühle gibt nicht auf und setzt sich für die Forschung ein.
Die Menschen sterben an ALS. Nach der Diagnose bleiben ihnen statistisch gesehen drei, vielleicht fünf Jahre. In seltenen Fällen leben sie länger. Die Amyotrophe Lateralsklerose nimmt Betroffenen nach und nach alles. Die Fähigkeit zu laufen, zu sprechen, zu schlucken – das Atmen wird schwerer. Thorsten Voß weiß, dass er die Krankheit nicht besiegen wird. Er weiß, dass er seine Familie irgendwann verlassen muss. Seine Frau und seinen Sohn. Doch der Mann aus Rothemühle kämpft. Nicht für sein Leben – er kämpft für die Forschung. Damit die Ärzte Betroffenen irgendwann helfen können. Damit sein Sohn stolz sein kann, wenn seine Mama ihm erzählt, dass Papa alles versucht hat. „Wer das Schicksal hat, kämpfen zu müssen, darf niemals aufgeben“, sagt er.
Viele zerbrechen daran
Thorsten Voß ist 47 Jahre alt. Er sitzt an seinem Esstisch zuhause, die Hände liegen vor ihm gefaltet auf der Tischplatte. Sein Blick ist ruhig. Ein leichtes Lächeln liegt auf seinen Lippen. Er wirkt gefasst, als er anfängt zu erzählen. Gebürtig kommt er aus Hillmicke, wohnt seit knapp zehn Jahren in Rothemühle. Im Januar hat der gelernte Groß- und Außenhandelskaufmann seine Arbeit aufgegeben. Es geht nicht mehr. Thorsten Voß ist auf den Rollstuhl angewiesen, nur kurze Strecken schafft er mit dem Rollator. Der Muskelschwund zeigt sich an seinen Händen, das Sprechen strengt ihn an. Er nimmt Medikamente, jede Woche muss er zur Ergo- und Physiotherapie. Die Logopädie kommt demnächst dazu. „Viele zerbrechen an dieser Krankheit. Es ist unfassbar grausam. Nach und nach wird einem alles weggenommen“, sagt er. „Deswegen haben wenige die Kraft, zu kämpfen.“
Seine Geschichte beginnt Anfang 2018. Irgendwas ist anders. Er kann nicht mehr normal gehen, stürzt häufig aus unerklärlichen Gründen. Auch mit der Feinmotorik der Finger stimmt etwas nicht. Das Greifen wird langsamer. Thorsten Voß geht nicht zum Arzt. Der Wander-Urlaub in Garmisch-Patenkirchen steht bevor, er glaubt, die Beschwerden kommen vom Rücken. Doch im Urlaub wird es schlimmer. Er hat starke Schwierigkeiten auf den langen Strecken.
Also geht er zum Hausarzt. Das MRT bestätigt, dass ein Bandscheibenvorfall vorliegt. Weitere Untersuchungen zeigen jedoch, dass die Symptome eine andere Ursache haben müssen. Er wird in die Uniklinik – eine Fachklinik für ALS – geschickt. „Es gab schon den Verdacht“, erzählt er. „Doch man schiebt das weit von sich weg. Ich habe immer auf die Bandscheibe gehofft.“
Aber es kommt anders. Nach drei Tagen steht die Diagnose fest. ALS. Die Krankheit, die zum Tod führt. Die Krankheit, dessen Verlauf kaum zu prognostizieren ist. „Man geht aus wie ein Licht“, erzählt Thorsten Voß. „Man fällt in ein tiefes Loch. Aber die Ärztin hat es geschafft, mir schnell daraus zu helfen. Ich wusste, ich bin in guten Händen.“
Sein allergrößter Dank
Wie bringt man diese Diagnose seiner Familie bei? Seinem Sohn? Thorsten Voß schweigt. Er möchte nicht darüber reden. Seine Familie ist es, die ihn motiviert, zu kämpfen. Seine Familie ist es, die ihn unterstützt und beisteht. Ihr gilt sein allergrößter Dank, betont er.
Thorsten Voß bleibt stark. Er geht zunächst weiter arbeiten, spielt im Musikverein Klarinette und Saxophon. Im Februar 2019 kommt die Uniklinikum Ulm auf ihn zu. Es gäbe die Möglichkeit, an einer Studie teilzunehmen. Dort wird ein Medikament getestet, das Einfluss auf die Atmung der ALS-Patienten haben könnte. Thorsten Voß sagt zu. Ob es ihm tatsächlich hilft, kann er nicht sagen. Momentan sei er ganz zufrieden mit seiner Atmung. Jedoch handelt es sich um eine Placebo-kontrollierte Studie. „Ob ich den Wirkstoff tatsächlich bekomme oder nicht, das weiß ich nicht“, sagt er.
Einsatz für die Forschung
Konzert am 8. März
Für die ALS-Spendeninitiative Sternenlicht von Thorsten Voß findet unter dem Namen „Klangfusion“ am Sonntag, 8. März, ein Benefizkonzert statt. Die Chöre Chorazon (Möllmicke) und Chorios (Olpe) laden zusammen mit dem Bläserensemble des Musikvereines Hillmicke ein. Ab 17 Uhr in der St.-Antonius-Kirche in Hillmicke.
Der Eintritt ist frei. Vor Ort werden um Spendengelder gebeten.
Im Rahmen dieser Studie wird Thorsten Voß erstmals auf die Charcot Stiftung aufmerksam. Sie hat ihren Sitz an der Ulmer Universität, wurde von Professor Dr. Albert Ludolph gegründet. Sie setzt sich für die Forschung von ALS ein. Der Mann aus Rothemühle will helfen, gründet die Spendeninitiative Sternenlicht. „Ich hätte zu Beginn niemals gedacht, dass ich so viel Zuspruch bekomme“, erzählt Thorsten Voß und berichtet von generierten Spendengelder in fünfstelliger Höhe, die direkt an die Charcot Stiftung fließen.
Die Arbeit für die Spendeninitiative ist sehr kraftraubend für ihn. Viele Außentermine, viele Spendenübergaben – doch sie hält ihn auch in Bewegung. Vielleicht stößt in Zukunft sogar ein Betroffener auf seine Spendeninitiative und möchte selbst aktiv werden. Es ist eine Aufgabe, die ihn fördert, die Abwechslung in seinen Alltag bringt. Er liest viel, hört und schaut Musik – erinnert sich an die Zeit, in der er selbst noch spielen und singen konnte. Er möchte kein Mitleid. Er möchte, dass die Menschen erkennen, dass Gesundheit das Allerwichtigste ist. Sie sollen glückliche Momente im Leben suchen und nutzen. Mit Menschen, die sie lieben. „Meine Familie ist stärker betroffen als ich“, sagt Thorsten Voß. „Es ist so schwer, wenn man weiß, dass man nichts tun kann.“
Spenden gehen an die ALS-Spendeninitiative Sternenlicht, IBAN: DE 11 6305 0000 0000 006561, Bank: Sparkasse Ulm, BIC: SOLADES1ULM. Die Spenden fließen direkt an die Charcot Stiftung. Bei Bedarf gibt es Spendenquittungen.