Kreis Olpe. Jürgen Griesing zieht nach seinen ersten sieben Monaten als Polizeidirektor in Olpe eine erste Bilanz und blickt in die Zukunft.
Seit August 2019 ist Jürgen Griesing (57) neuer Polizeidirektor bei der Kreispolizeibehörde Olpe. Er ist Nachfolger von Diethard Jungermann, der nach 14 Jahren als Polizeirektor in Olpe in den Ruhestand verabschiedet worden war. Griesing war zuletzt bei der Kreispolizeibehörde Siegen/Wittgenstein tätig.
Wie ist die Bilanz nach den ersten sieben Monaten als Polizeidirektor in Olpe?
Ich fühle mich hier wohl. Ich bin gerne da. Die Themen, die angestanden haben, haben wir gemeinsam gut gelöst und ich denke, dass wir eine gute Zusammenarbeit in den unterschiedlichen Fachlichkeiten entwickelt haben.
Was sind die Unterschiede zwischen der Polizeiarbeit in Siegen und Olpe?
Die Polizeiarbeit ist an sich die gleiche. Die Aufgabenbandbreite ist dieselbe, aber hier ist die Behörde kleiner. Da ist es wichtig, sich gut aufzustellen. Hier sind kleinere Führungsstellen und flexiblere Vorgehensweisen. Das macht die Sache auch unmittelbarer. Arbeitsbeziehungen sind direkter. Das ist ein positiver Aspekt.
Was haben Sie für einen Führungsstil?
Ich führe situationsbezogen. Wenn ein Einsatz anliegt, wie zum Beispiel ein Unwettersturm, dann führen wir direktiv, weil dann konkrete Aufgaben verteilt werden müssen. In einem Kriminalkommissariat brauchen Spezialisten größere Spielräume, auch wenn dort bestimmte Abläufe festgelegt sind. Das ist dann eher kooperativ als direktiv. Und auch im Wachdienst und bei der Verkehrssicherheitsarbeit gibt es sehr eigenständige Tätigkeiten, bei denen Spielräume gestaltet werden.
Haben Sie Kontakt zu Ihrem Vorgänger Diethard Jungermann?
Ja. Bevor ich gekommen bin, haben wir Gespräche geführt, was zu übergeben ist. Wir haben uns mehrfach getroffen. Er ist noch Mitglied in der Verkehrswacht. Da trifft man sich auch mal. Früher haben wir uns auch auf Fachtagungen getroffen und bei bestimmten Einsatzanlässen. Wir waren ja jahrelang sozusagen Nachbarn.
Was sind die Ziele und Schwerpunkte Ihrer Arbeit im Kreis Olpe?
Oberstes Ziel ist, dass wir gut aufgestellt sind und für die Sicherheit im Kreis Olpe sorgen. Es geht darum, dass die Polizei im Notfall ansprechbar und erreichbar ist, dass sie da ist, wenn sie gebraucht wird. In wesentlichen Kriminalitätsfeldern ist es unsere Aufgabe, sowohl präventiv als auch repressiv tätig zu sein und sorgfältig zu ermitteln. Beispiel Wohnungseinbruch, der die Bevölkerung im Sicherheitsgefühl erheblich beeinträchtigt: Wenn er sich schon nicht verhindern lässt, dann leisten wir gute Ermittlungsarbeit, um die Täter zur Verantwortung zu ziehen. Zudem ist es unsere Aufgabe, für Verkehrssicherheit zu sorgen. Da ist auch repressive Tätigkeit wichtig, zum Beispiel Kontrollen der Geschwindigkeit.
Welche Herausforderungen sehen Sie im Bereich der Kriminalität?
Wir müssen möglichst da aufgestellt sein, wo Kriminalität entstehen kann, um sie zu verhindern. Häufig können wir aber erst eingreifen, wenn bereits Straftaten passiert sind und dann müssen wir mit dem zweiten Schritt zufrieden sein und durch professionelle Ermittlungen Taten aufklären und Tatverdächtige feststellen. Fortschreitende Technik, Digitalisierung finden auch im Kriminalitätsbereich statt. Computerbetrug ist ein riesiges Betätigungsfeld, das hohe Ermittlungsaufwände nach sich zieht. Betrugskriminalität durch Enkeltrick und falsche Polizeibeamte sind sehr infam. Das tut einem in der Seele weh, wenn dann vor allem ältere Leute geschädigt werden und ihre Ersparnisse draufgehen. Durch Prävention tun wir alles, damit das nicht passiert und gehen mit Nachdruck an die Ermittlung der Täter.
Ist die Olper Polizei personell gut aufgestellt? Oder brauchen Sie noch zusätzliches Personal?
Die Polizei ist gut aufgestellt, aber die Arbeit ist da. Wenn wir mehr Personal hätten, könnten wir es gut einsetzen. In den letzten Jahren hat es aber hohe Einstellungszahlen gegeben.
Diethard Jungermann hat gesagt, dass heute viele Kollegen in Köln wohnen und täglich zur Polizei nach Olpe pendeln. Die Heimatverbundenheit sei früher deutlich ausgeprägter gewesen, als die Kollegen auch hier wohnten. Ist das ein Problem?
Grundsätzlich ist das kein Problem. Heimatverbundenheit ist kein Einstellungskriterium. Natürlich ist es gut, dass viele Kollegen hier wohnen und ihr soziales Umfeld haben. Aber um als Polizeibeamtin und Polizeibeamter die Arbeit gut und gewissenhaft zu erledigen, muss man nicht an die Region gebunden sein. Problematisch könnte es eventuell dann werden, wenn sich die Kollegen mit der Region und den Bedingungen hier überhaupt nicht vertraut machen würden, aber das sehe ich nicht. Im Gegenteil. Ich erlebe, wie die jungen Kolleginnen und Kollegen sehr motiviert und aufgeschlossen sind. Einige bleiben über die Jahre auch hier.
Sie selbst wohnen in Hilchenbach. Könnten Sie sich einen Umzug in den Kreis Olpe vorstellen?
Ich kann mir alles vorstellen, aber das ist gar nicht nötig. Wer in Lenhausen oder Albaum wohnt, hat es weiter zur Dienststelle als ich.
Was waren für Sie die Gründe, zur Polizei zu gehen?
Mein Vater riet mir, ich solle Maschinenbau studieren, „damit etwas aus mir wird“. Im Grundstudium habe ich aber festgestellt, dass ich das nicht weiterführen will. Ich wollte etwas machen, was mehr praktisch orientiert und kein Bürojob ist. Da kam ich auf die Idee, zur Polizei zu gehen.
Wo war Ihre erste Einsatzstelle?
Nach der Ausbildung war ich zunächst in einer Hundertschaft in Brühl. Dann war ich Streifenbeamter in Köln. Das war schon eine sehr lehrreiche Zeit.
Mussten Sie schon einmal von der Schusswaffe Gebrauch machen oder einen tödlichen Schuss freigeben?
Das ist mir bis jetzt erspart geblieben. Als einziges habe ich die Schusswaffe bisher gebraucht, um mal ein verletztes Tier nach einem Unfall zu erschießen.
Was war der Einsatz, den Sie nie vergessen werden, der Ihnen am meisten unter die Haut gegangen ist?
Das war eine sehr individuelle und persönliche Geschichte. Es war ein Verkehrsunfall, bei dem ein kleiner Junge überfahren worden ist. Das hat mich berührt, weil ich zu der Zeit selber Kinder in dem Alter hatte. Da hatte ich lange die Bilder, die Trauer der Familie vor Augen.
Umgang und Respekt mit Behörden haben sich deutlich gewandelt. Auch die Polizei hat es heute im Einsatz schwieriger. Was muss getan werden?
Es wird häufiger, dass Personen mit Gewalt Polizeibeamten Widerstand leisten. Das kann die Gesellschaft nicht hinnehmen. Wir haben Werte in unserem Staat. Und diese Werte sind nach wie vor gültig und zum Beispiel in Gesetzen erkennbar; und sie werden auch angewendet, gerade von der Polizei. Ich würde mir wünschen, dass Straftaten als Verstoß gegen diese Werteordnung schneller geahndet werden können, damit es direkt spürbar wird und kriminelles Verhalten zu unmittelbaren Konsequenzen führt. Wir als Polizei reagieren auf veränderte Verhaltensweisen: Unsere Schutzausrüstung wurde verbessert und wir können uns mit Situationstraining darauf einstellen.
Ist der Job als Polizist gefährlicher geworden?
Wer Polizeibeamter wird, musste immer schon dafür sorgen, dass Gefahren abgewehrt und Straftaten verfolgt werden. Das kann im Einzelfall gefährlich sein. Ich glaube aber nicht, dass die Gefahren größer sind als früher. Es gibt veränderte Drohszenarien, wie Amokläufe und Anschläge. Darauf haben wir als Polizei reagiert. Wir üben, wie wir mit solchen Situationen umgehen müssen, wenn sie im Ernstfall passieren sollten.
Sie sind seit 30 Jahren Polizeibeamter. Was sind die wesentlichen Dinge, die sich in dieser Zeit verändert haben?
Es hat sich positiv verändert. Die Polizei ist kontinuierlich professioneller geworden, die Einsatztechnik vom Streifenwagen bis zur Auswertung forensischer Spuren hat sich entwickelt. Aus- und Fortbildung sind gut. Die Polizei ist auf große Einsätze gut vorbereitet. Ich habe noch siebenfach mit Blaupapier Anzeigen geschrieben. Heute sind die Prozesse deutlich schneller und digitaler.
Sie haben einen Auslandseinsatz in Afghanistan absolviert. Worum ging es da? War das eine prägende Erfahrung?
Das war schon eine ganz andere Arbeit. Die Bundesregierung hat seit 2002 ein bilaterales Abkommen mit Afghanistan zur Unterstützung des Polizeiaufbaus über ein Polizeiprojekt. Von 2015 bis 2016 war ich Verbindungsbeamter und stellvertretender Leiter des GPPT (German Police Project Team). Aufgabe war es, speziell in Kabul und Mazar-e Sharif den Aufbau der afghanischen Polizei zu unterstützen. Wir haben die afghanische Polizei in Fragen der Flugsicherheit und Sprengstoff-Entschärfung an Flughäfen und bei der Ausbildung von Polizeibeamten unterstützt und das afghanische Innenministerium in strategischen polizeilichen Angelegenheiten beraten. Es war sehr interessant in einem völlig anderen Kulturkreis zu sein. Gleichzeit war es aber auch sehr ernüchternd angesichts der Arbeitslosigkeit, Armut und von Anschlägen und Willkürhandeln von Gruppen. Da habe ich umso mehr schätzen gelernt, dass wir hier in einem freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat leben. Ein System, in dem wir frei und sicher leben können.
Was machen Sie in Ihrer Freizeit?
Ich habe Haus und Hof und arbeite gerne ums Haus. Ich engagiere mich in der Freien evangelischen Gemeinde Hilchenbach und mache Musik mit Freunden.