Drolshagen. Der Beginn des Drolshagener Schützenwesens geht bis ins 15. Jahrhundert zurück. Bisher galt 1976 als Gründungsjahr des Vereins.
Major Manfred Schmalschläger kommentierte es mit Humor, dass sein Drolshagener Schützenverein quasi „über Nacht“ fast 500 Jahre älter geworden war: „Ich habe heute Morgen in den Spiegel geschaut und keine plötzlichen Alterungserscheinungen bemerkt“, witzelte er auf Anfrage unserer Zeitung zur überraschenden Änderung des Gründerdatums.
Bisher hatte der Schützenverein 1976 als sein Gründungsjahr angegeben, und so steht es auch auf der Schützenfahne des Vereins, wie jeder Besucher der Gaststätte Zur Alten Quelle in der gläsernen Vitrine lesen kann.
Doch dann war es ein kurioser Zufall, dass über den tatsächlichen Beginn des Schützenwesens noch einmal genauer geforscht wurde. Historiker Dr. Peter Vitt aus Drolshagen ließ sich das Dach seines Wohnhauses neu eindecken, und zwar von Dachdecker Jürgen Ackerschott, gleichzeitig Königsoffizier der Drolshagener Schützen.
Peter Vitt: „Dabei sind wir ins Gespräch über die Vereinsgeschichte gekommen, und ich habe Ackerschott darauf angesprochen, dass das Schützenwesen doch viel älter sei als das jetzige Gründungsdatum.“ Gleichzeitig sei über die sogenannte Schützenlade gesprochen worden, die sich im Nachlass des verstorbenen ehemaligen Vereinsvorsitzenden Hubert Wagner befunden hatte. Vitt: „Das ist eine Truhe mit zahlreichen historischen Dokumenten, und ich habe Ackerschott gebeten, diese für den Verein zu sichern.“
Akribische Forschungen
Vitt ging mit Hilfe vieler Dokumente der Sache akribisch auf den Grund und förderte zu Tage, dass eigentlich die Gründung der Stadt auch als Gründungsdatum der Schützengilde gelten müsse.
In der Jahreshauptversammlung stellte der Vorstand den rund 55 anwesenden Mitgliedern dann die Forschungen Vitts vor, und der Antrag, das offizielle Gründungsjahr auf 1477 vorzudatieren, wurde angenommen. Major Schmalschläger: „Einstimmig, was mich gefreut hat.“ Das Interesse an der Vereinshistorie sei offenbar sehr groß: „Es lagen 40 Kopien der Forschungsergebnisse von Peter Vitt auf den Tischen, die waren nach der Versammlung alle weg.“
Stadt- und Mauerschützer
Vitt hatte sich bereits vor einigen Jahren mit der Schützengeschichte befasst, und es war ihm klar: „Wenn Städte gegründet und eine Stadtmauer errichtet wurde, mussten diese Stadtmauern auch geschützt werden. Die das taten, waren Schützen, sozusagen Stadt- und Mauerschützer.“
Im Paragraph 1 der Satzung, so teilt der neue Pressesprecher des Vereins, Kevin Müller, mit, sei dann der Name, der Sitz und das Geschäftsjahr zu lesen, und eben die Satzungsergänzung: „Das Entstehungsdatum der Schützengilde in der Stadt Drolshagen kann urkundlich auf das Jahr 1477 festgelegt werden.“ Das neue Datum werde zudem durch ein Banner an der Vereinsfahne zu erkennen sein, aber auch auf den Uniformen der Schützen durch einen kleinen Aufnäher unter dem Vereinswappen. Zudem gebe es ein Buch über die Geschichte der Schützen in Drolshagen. Geschrieben von Dr. Peter Vitt. Müller: „Es werden nur so viele Bücher gedruckt wie Bestellungen eingehen.“
Bestellungen können bei Patrick Bruder, bruderpatrick@web.de oder bei Kevin Müller mueller-kevin.1@web.de abgegeben werden.
Die Forschungsergebnisse ungekürzt:
Dr. Peter Vitt, Historiker aus Drolshagen, hat bekanntlich umfangreich recherchiert. Die Folge: Der Beginn des Schützenwesens kann auf das Jahr 1477 zurückdatiert werden.
Dr. Peter Vitt schreibt dazu: „Attendorn wurde 1222, Olpe 1311 Stadt. Beider Städte Schützenvereine sehen das jeweilige Datum als ihr Gründungsdatum an. Ebenso ist es mit Drolshagen. Im Jahr 1477 verlieh der Kurfürst und Erzbischof von Köln, Ruprecht von der Pfalz, Drolshagen die Stadtrechte, indem er Magistrat und Bürgerschaft das Recht einräumte, um ihren Ort einen Graben mit befestigter Mauer zu bauen. Schon in den beiden Jahren vorher hatte man begonnen, eine Stadtmauer zu errichten, die fast einen Meter dick und 3,80 Meter hoch war.
50 Häuser zur Zeit der Stadtgründung
Zur Zeit der Stadtwerdung gab es ca. 50 Häuser in dem Ort, so dass davon auszugehen ist, dass im Ernstfall alle wehrfähigen Männer zu den Waffen greifen mussten, sie hatten, wie der Name schon sagt, die Stadt zu schützen. Die Schützengesellschaft Drolshagen hatte, wie die meisten Kurkölner Gesellschaften, eine Affinität zu dem hl. Sebastian, doch war und blieb die Gilde eine halbmilitärische weltliche Organisation, die dem Magistrat der Stadt als eine Bürgerwehr unterstand.
1484 wurde die Schützengesellschaft als Gilde erstmals namentlich erwähnt, als in Olpe ein Treffen der Schützen aus Olpe, Attendorn, Drolshagen, Wenden und Valbert stattfand. Bereits 1511 wurde von der Schützengesellschaft ein Sebastian-Altar gestiftet. Er stand in dem Seitenschiff rechts des Hauptaltars.
Im Jahr 1668 ersetzten die Schützen Drolshagens den Altar und stifteten einen neuen, der wiederum dem hl. Sebastian und weiterhin der hl. Anna sowie dem hl. Stephanus geweiht war. Er erhielt die Inschrift „An diesem Altar beten die Schützen Drolshagens – Anno 1668“.
Zu dieser Zeit hatte die Schützengilde zwei Kompanien: Die verheirateten Schützen stellten sich unter das Patronat des hl. Sebastian, die jüngeren, unverheirateten unter das Patronat der hl. Anna. Dieser Altar wurde 1756 unter Pastor Bender wegen Baufälligkeit abgerissen und durch einen neuen, dem gleichen Schutzpatron gewidmeten Altar mit einem barocken Aufsatz, ersetzt, der wahrscheinlich von dem Bildhauer Nikolaus Düringer hergestellt wurde. Aus dessen Werkstatt stammt auch die Holzplastik der hl. Anna, Mutter Mariens und Großmutter von Jesus, die auf der linken Seite des Altars stand, während rechts eine Figur des hl. Josephs war. Der Schützenaltar stand so für ca. 200 Jahre, bis er 1960 restauriert und die beiden seitlichen Figuren entfernt wurden.
1582 großes Schützenfest
1582 fand in Olpe ein großes Schützentreffen statt. An dem sich die Schützengesellschaften von Olpe, Attendorn, Drolshagen, Wenden, Rhode, Valbert – hier hatte das Drolshagener Kloster Besitzungen-, Meinerzhagen und Siegen beteiligten.
Seit dem ausgehenden Mittelalter, also seit der Gründung der Schützengilde, wurden natürlich Übungen abgehalten, um die Treffsicherheit der Schützen zu verbessern. Einmal im Jahr wurde dies auch dem Rat und den Bürgern vorgestellt. Hierzu fanden zwei Schießen statt, und zwar einmal auf eine Scheibe und einmal auf einen Vogel, den Adler. Eine Tradition, die sich bis heute in Attendorn erhalten hat. Ebenso war es in Drolshagen. Das Vogelschießen wurde in der Sengenau, unterhalb des Papenbergs am Grabweg, abgehalten. Hier hieß ein Flurstück „Auf der Vogelruthe“, der Name hat sich leider nicht bis in die Gegenwart gehalten. Anders ist es mit dem Standort des Scheibenschießens, das zum „Schmierhagen“ hoch stattfand. Heute heißt noch eine Straße dort „An der Scheibe“.
Sankt Sebastianus Bruderschaft: 1677 wurde die Schützengilde offiziell von Pastor Hermann Gerdes in die „Sanct-Sebastianus-Bruderschaft“ umgewandelt. Es wurden neue Statuten aufgestellt und durch den Olper Richter Friedrich von Stockhausen gesiegelt. Dies Urkunde liegt noch im Original im Stadtarchiv. Im gleichen Jahr wurde bei dem Scheibenschießen der Scheibenanzeiger von dem Schützen Peter Harnischmacher so unglücklich getroffen, dass der an der Wunde starb. Üblicherweise stand der Scheibenanzeiger hinter einer dicken Holzpalisade, um den Schuss abzuwarten. Wahrscheinlich hatte es in einem Fall eine Fehlzündung gegeben oder die Lunte brannte zu lange. Jedenfalls kam er hinter dem Verschlag hervor und wurde tödlich getroffen. Es handelte sich demnach also einwandfrei um einen Unglücksfall und keineswegs, wie oft heutzutage in Drolshagen zu hören ist, um einen Mord, der für die Auflösung der Bruderschaft verantwortlich gewesen sei.
1697: Vogel will nicht fallen
1697: Am 27. Mai konnte der Vogel trotz aller Anstrengungen bis in den Abend nicht geschossen werden. „Die Schützen mussten den Vogel verwahren, weil sie ihn nit herunterschossen, bis den anderen Tag“.
1701: Der Kölner Erzbischof verbot unter anderem den Wirtshausbesuch der Jugend und den Brauch, in Drolshagen auf Pfingsten den Vogel zu schießen.
1716: Der Kölner Generalvikar Johannes Arnoldus de Reux führte in der Pfarrei eine Visitation durch. Die Schützen schossen ihm zu Ehren einen dreifachen Salut. Zum Abschied ließen sie vom Feld oberhalb des Klosters ihre „Haken und Kammern“ (Böller) los, bis die Pferdekutsche hinter den Bäumen am Schmierhagen verschwand. Aus einer Aufstellung des Jahres 1750 geht hervor, dass am 20. Januar, auf Sebastian für die Schützenbrüder aus Stadt und Kirchspiel Drolshagen eine hl. Messe gefeiert wurde. Jeder Schütze opferte drei Petermännchen. Das Petermännchen entspricht einem Weißpfennig oder Albus, der so genannt wurde, weil er wegen des hohen Silbergehalts weiß war. Auf der Averse war der Hl. Petrus abgebildet, daher auch Petermännchen genannt.
Stadt will den Vereinsbesitz
In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts kam es immer wieder zu Streitigkeiten zwischen der Bruderschaft und dem Magistrat der Stadt, die zu verschiedenen Prozessen führten, weil der Magistrat nicht auf das Präsentationsrecht bei der Wahl neuer Bruderschaftsmitglieder verzichten wollte. Da die Schützen nicht mehr für die Verteidigung der Stadt notwendig waren, sah der Magistrat auch keine Veranlassung, die Bruderschaft zu unterstützen. Im Gegenteil, man schielte von Seiten der Stadt auf das nicht unerhebliche Vermögen der Schützenbruderschaft, das aus einem großen Barvermögen und umfangreichen Feldern und Wiesen bestand. Im Jahr 1791 beantragte schließlich der Magistrat der Stadt Drolshagen bei dem Kölner Landesherrn die Auflösung der Bruderschaft, die am 8. Februar 1792, nach über 300 jährigem Bestehen der Schützengesellschaft, auch erteilt wurde. Der Hauptgrund für den Auflösungsantrag der Schützenbruderschaft war natürlich die Begehrlichkeit des Drolshagener Rates an dem Vermögen der Bruderschaft, das auch in der Folge der Stadt zufiel und größtenteils dem Schulfonds zugeführt wurde. So können sich die heutigen Schützenbrüder wenigstens damit trösten, dass sie mit dem Geld ihrer Väter die schulische Ausbildung der Drolshagener Jugend nicht unerheblich gefördert und zur Sanierung der Stadtfinanzen beigetragen haben.
Neugründungsversuche
Versuche einer Neugründung: Mehr als einhundert Jahre gab es in der Folge im Drolshagener Land keinen Schützenverein mehr, bis im Jahr 1898 in Iseringhausen der St. Antonius Schützenverein und in Wegeringhausen der St. Hubertus Schützenverein gegründet wurden. In der Folgezeit entstanden noch weitere Schützenvereine in Schreibershof, Frenkhausen, Berlinghausen, Bleche und 1948 in Bühren. Drolshagen machte zunächst keine Anstalten zur Gründung eines Schützenvereins, doch erschien am 1. Juli 1926 der Landmesser Brüser auf dem Bürgermeisteramt und gab zu Protokoll, dass der Kriegerverein Drolshagen im Kreuzseiffen einen Scheibenschießstand errichtet habe. Er bat um polizeiliche Genehmigung und schnelle Bearbeitung, da bereits am nächsten Sonntag, dem 4. Juli, die Eröffnung vorgenommen werden sollte. Der Amtmann Dickmann teilte ihm darauf mit, dass eine polizeiliche Genehmigung nicht erforderlich sei, machte jedoch auf umfangreiche Auflagen zur Sicherheit aufmerksam.
Nur wenige Jahre später, am 14. März 1934 schrieb der Oberscharführer Arens, der auch Schießlehrer des Sturmes 23/79 der Sturm-Abteilung der NSDAP war, an den Bürgermeister Wilhelm Avenarius von Drolshagen, und stellte den Antrag auf Überlassung eines geeigneten Geländes für einen Schießstand sowie der Gestellung von Bauholz für die Gebäude. Der Bürgermeister bat Arens, sich mit Vorschlägen zu dem Gelände an den Stadtvorsteher Harnischmacher zu wenden, da dieser zuständig sei. Da keine weiteren Unterlagen hierzu vorliegen, ist davon auszugehen, dass die Angelegenheit im Sande verlief.
Im Jahr 1955 gründeten sich in einem Teil Drolshagens die Scheibenschützen. Beitreten durften lediglich die Anwohner der Alten Landstraße und der Südstraße sowie der Hagener Straße stadteinwärts bis zur Metzgerei Nebeling und dem Holzhandel Dransfeld. Das Vogelschießen, Königsproklamation, Königspolonaise und Tanz fanden im Glockenseiffen statt.
Zum 10 jährigen Bestehen wurde 1965 in einem großen Festzelt auf dem ehemaligen Mühlenteich das Kaiserschießen gefeiert. Diese Veranstaltung war auch das letzte öffentliche Auftreten der Scheibenschützen, es gab keinen gewählten Vorstand, und man hatte nicht ausreichende finanzielle Mittel, da kein fester Jahresbeitrag erhoben wurde. Da niemand die Verantwortung als Vorstand für den Verein übernehmen wollte, gingen die Scheibenschützen auseinander und lösten sich auf.
1976 Straßenfest
Elf Jahre später, am 9. August 1976, wurde Unterm Gallenlöh (Galgenstätte) ein Straßenfest mit Vogelschießen gefeiert. Hier wurde darüber beratschlagt, in Drolshagen einen Schützenverein zu gründen. Für den 17. September 1976 wurden alle interessierten Drolshagener Bürger zu einer Versammlung in den Gasthof „Zur Brücke“ eingeladen und die Gründung des „St. Clemens Schützenvereins“ beschlossen, auf ein Jahr 500 Jahre nach der Gründung der Drolshagener Schützengilde. Aber das ist eine andere Geschichte.
Durch die Forschungen zur Geschichte des Schützenwesens konnte in Abstimmung mit dem Kreis-Schützenoberst Markus Bröcher die Gründung des Drolshagener Schützenvereins auf das Jahr 1477 bestätigt werden. Wie bei anderen Schützenvereinen der Region ist ein zeitliches Ruhen der Tätigkeit unerheblich geblieben. Damit kann der Drolshagener Schützenverein, jetzt also 543 Jahre alt, in wenigen Jahren auf eine 550-jährige Tradition zurückblicken.“