Rahrbach/Kreis Olpe. Interessante Idee eines Rahrbacher Unternehmers, mehr Wohnraum auf dem Dorf zu schaffen, auch ohne Neubaugebiete.

Christian Jung, Ortsvorsteher und Unternehmer aus Rahrbach, fackelte nicht lange. Als er den Bericht über die WP-Mobil-Aktion in Schreibershof und den dort brennenden Wunsch nach einem Neubaugebiet las, sah sich der 49-jährige mit seiner Idee bestätigt: Aus älteren Bestands-Immobilien sanierte Mehrfamilienhäuser zu machen, in denen zwei, drei oder mehr Familien Platz finden, wo vorher meist nur ein Senior oder ein älteres Pärchen den Lebensabend verbracht hatte.

WP stellt Kontakt her

Was er seit 2018 vorwiegend im Rahrbachtal umsetze, so sein Gedanke, könne doch auch für die Schreibershofer etwas sein. Die WP stellte den Kontakt zum dortigen Ortsvorsteher Frank Heuel her, das erste Telefonat fand bereits statt.

Info auch auf www.heimat-tal.de

Auf seiner Homepage www.heimat-tal.de begründet Unternehmer Jung sein Engagement unter anderem wie folgt: „Die Orte des Rahrbachtals - Rahrbach, Welschen Ennest, Benolpe und Kruberg - erfahren aufgrund ihrer Lage und guten Infrastruktur zunehmend Zulauf durch namhafte Unternehmen.

Allein bis 2022 bedeutet das einen Zuwachs von etwa 500 Beschäftigten“, die nicht dauerhaft pendeln wollten und im direkten Umfeld der Arbeitsstätte nach Wohnraum suchten.

Dem wachsenden Bedarf auch aus den „eigenen Reihen“ möchte Jung nachkommen.

Der international tätige IT-Unternehmer Prof. Dr. Jung hat irgendwie die Baubranche für sich entdeckt, seine Idee ist einfach wie wirkungsvoll: „Das Grundproblem ist in vielen Dörfern und ländlichen Regionen das gleiche. Immer mehr Menschen, darunter viele junge Familien, wollen oder können die Mieten in den Städten nicht bezahlen, in den Dörfern fehlen aber die Bauplätze. Wir gehen hin, kaufen Häuser, in denen zuletzt keine, eine oder zwei Personen gewohnt haben, erweitern, sanieren und bauen so um, dass mehrere Eigentums- oder Mietwohnungen dort Platz finden.“

Bürgerkneipe 1313

Begonnen hat der umtriebige Ortsvorsteher, der mit dem Kauf des Rahrbacher Hofes wesentlich das Projekt Bürgerkneipe (Taverne 1313) angestoßen hat, aus seiner Beobachtung heraus, dass die Wohnungsnot in den Dörfern immer spürbarer wurde: „Ich bin jetzt seit fast zehn Jahren Ortsvorsteher von Rahrbach, und das Thema der fehlenden Baugrundstücke hat mich seitdem stetig beschäftigt.“

Mehrere Ideen wie eine dörfliche Baugenossenschaft oder ein Fusionsprojekt von zwei, drei Unternehmern seien an der Theke zwar auf Begeisterung gestoßen, hätten sich aber ebenso schnell wieder verflüchtigt.

Was im Rahrbachtal gelte, könne auch für Schreibershof oder unzählige andere Dörfer zutreffen, die kleiner als 2.000 Einwohner seien.

Kopfschütteln in Arnsberg

Hintergrund: Rahrbach hat rund 650 Einwohner, Schreibershof ohne die Nachbardörfchen unter 500. Da ist abzusehen, dass die Verantwortlichen der Bezirksregierung in Arnsberg den Kopf schütteln, wenn es um Neubaugebiete auf dem Lande geht.

Für Jung oft zu kurzsichtig gedacht, wie der Erfolg seiner Idee beweist: „Wenn ich alle Projekte, die bereits umgesetzt, im Bau oder der Planung sind, vermarktet habe, ist allein im Rahrbachtal zusätzlicher Wohnraum für mehr als zehn Prozent der Einwohnerzahl Rahrbachs entstanden. Auf der Warteliste stehen weitere 70 Kauf- und Mietinteressenten.“

Die Interessensgruppen seien vielfältig: „Das sind zum einen Menschen direkt aus dem Dorf oder dem Rahrbachtal, dann Berufstätige, die nicht ewig pendeln wollen. Auch Akademiker, die nach dem Studium zurückkehren und sesshaft werden wollen sind unter den Bewerbern.“

Wachstum der Firmen

Prosperierende Firmen wie Mennekes oder die Caritas würden mit wachsendem Arbeitskräftebedarf für potenzielle Wohnraumsuchende sorgen.

Jung zeigt mir auf einem seiner Computer-Bildschirme Beispiele, die er angepackt hat: Da ist das alte Marienheim in Welschen Ennest, das er einmal zu einem Appartementhaus für Studenten und Pendler umbauen möchte. Ein älteres Wohnhaus, in dem niemand mehr wohnte, steckt mitten in der Sanierungsphase. Dort sollen nach Fertigstellung der 750 Quadratmeter sieben Miet- oder Eigentumswohnungen entstanden sein, die mindestens 20 Menschen aufs Land ziehen oder dort halten sollen. Jung: „Derzeit sind mehr als zehn unserer Objekte allein im Rahrbachtal in der Planung, im Bau oder bereits bezogen.“

Junge Leute setzen eher auf Eigentumswohnungen

Dabei zeichnet sich ein Trend ab, der der unternehmerischen Idee in die Karten spielt: Immer mehr junge Ehepaare, Menschen mit guten Jobs, aber wenig Zeit, setzen eher auf Eigentumswohnungen statt auf das eigene Haus im Grünen mit dem obligatorischen Gartenzaun drumherum. Was früher gerade auf dem Lande geltendes Gebot war, ist es nicht mehr. Geld ist zwar da, die Zinsen historisch niedrig, aber Ehepaare, die beide berufstätig sind, haben weder Zeit noch Lust, auf Architekten- und Handwerkersuche zu gehen, ganz abgesehen davon, dass die Baugrundstücke wie auch die Handwerker fehlen.

Projekt Rahrbacher Hof steht noch bevor

Genau in diese Lücke prescht die Idee des 49-Jährigen: „In Welschen Ennest gibt es rund 85 bebaubare Grundstücke. Die sind in Privatbesitz und werden verständlicherweise innerhalb der Familien vorgehalten.“ Im Klartext: Da kommt kein anderer dran.

Auf dem Bildschirm ist zu sehen, was aus dem ehemaligen Marienheim in Welschen Ennest einmal werden soll.
Auf dem Bildschirm ist zu sehen, was aus dem ehemaligen Marienheim in Welschen Ennest einmal werden soll. © WP | Josef Schmidt

Das bisher größte Projekt steht noch bevor: Im ehemaligen Rahrbacher Hof sollen auf rund 950 Quadratmetern elf Wohnungen entstehen, vermutlich überwiegend Mietobjekte. Probleme, Handwerker zu finden, hat Jung nicht: Er hat sorgfältig ein festes Team um sich geschart, arbeitet stets mit dem Lennestädter Architekt Oliver Hermann (Altenvalbert) zusammen.

Lieber Olpe und Attendorn

Andere Unternehmer zeigten eher geringes Interesse an ähnlichen Projekten: „Die hiesigen Bauprojektierer und Unternehmer wollen nicht in den Dörfern investieren. Mit den meisten habe ich selbst gesprochen, um sie für die Region zu gewinnen. Keine Chance“.

Ein Bauunternehmer habe ihm mal gesagt: „Lieber einen Quadratmeter in Olpe oder Attendorn für 4000 Euro verkaufen, statt einen auf dem Dorf für 3000 Euro.“